OGH 8ObA54/20d

OGH8ObA54/20d25.8.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Winternitz Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. W*****, vertreten durch Dr. Sven Rudolf Thorstensen, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen 12.273,86 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 1.920,19 EUR) und die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 10.353,67 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. April 2020, GZ 7 Ra 95/19w‑26, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00054.20D.0825.000

 

Spruch:

Beide außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

I. Zur außerordentlichen Revision des Beklagten:

1. Schuldner der Lohnsteuer ist nach § 83 Abs 1 EStG 1988 der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber ist zum „Einbehalten“ und zur „Abfuhr“ der Lohnsteuer verpflichtet und hat dafür auch einzustehen (§ 82 EStG 1988). Mit der Abfuhr der vom Arbeitnehmer einbehaltenen Lohnsteuer zahlt der Arbeitgeber eine fremde Schuld im Sinn des § 1358 ABGB, für die er persönlich haftet. Er tritt daher nach dieser Vorschrift in die Rechte des Gläubigers ein und ist befugt, vom Arbeitnehmer den Ersatz der gezahlten Schuld zu fordern (RIS‑Justiz RS0030848; RS0032266).

2.1 Ausgehend von dieser Rechtslage haben die Vorinstanzen den Beklagten zum Ersatz der seiner ehemaligen Arbeitgeberin – der Klägerin – für die Privatnutzung seines Dienstfahrzeugs nachverrechneten Lohnsteuer verpflichtet.

2.2 Dagegen wendet der Beklagte ein, dass die Klägerin das überwiegende Verschulden an der Nachverrechnung treffe, weil deren Niederlassungsleiter und Prokurist dem Beklagten mitgeteilt habe, er könne das Firmenfahrzeug auch privat verwenden, diese Privatfahrten dürften jedoch nicht in den Fahrtenbüchern aufscheinen. Hätte der der Klägerin zurechenbare Niederlassungsleiter und Prokurist ordnungsgemäß gehandelt, wäre der Sachbezug im Dienstvertrag enthalten gewesen und es zu keiner Nachzahlung der Lohnsteuer gekommen. Außerdem habe es die Klägerin unterlassen, die Fahrtenbücher zu kontrollieren.

Damit zeigt der Beklagte allerdings schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf, weil die Abgabenschuld auch bei (rechtzeitiger) Offenlegung der Privatnutzung des Dienstfahrzeugs gegenüber dem Finanzamt entstanden wäre (vgl VwGH 24. 6. 2010, 2007/15/0238). Auch die Kontrolle der Fahrtenbücher durch die Klägerin hätte nichts am Entstehen der Lohnsteuerpflicht geändert, sie wäre allenfalls nur früher zum Tragen gekommen.

Die vom Beklagten zitierten Erkenntnisse des VwGH vom 4. 6. 1985, 85/14/0016, und vom 15. 11. 1995, 92/13/0274, bringen zum Ausdruck, dass die Lohnsteuer- und Dienstgeberbeitragspflicht (und zwar des Arbeitgebers) nicht gegeben ist, wenn ein ernst gemeintes Verbot des Arbeitgebers hinsichtlich privater Fahrten vorliegt. Ein solches setzt wiederum voraus, dass der Arbeitgeber – etwa durch die Kontrolle der Fahrtenbuchführung – für die Wirksamkeit seines Verbots sorgt. Für die sich hier stellende Frage eines Lohnsteuerregresses des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer nach § 1358 ABGB ist aus diesen Erkenntnissen nichts zu gewinnen, zumal dem Prozessvorbringen des Beklagten ja gerade kein Verbot der Privatnutzung des Dienstfahrzeugs zugrunde liegt.

Die Ansicht des Revisionswerbers, die Offenlegung des Sachbezugs hätte bei gleichem Nettogehalt nur zu einer von der Dienstgeberin zu tragenden Erhöhung des Bruttogehalts geführt, übergeht die Negativfeststellung des Erstgerichts, wonach nicht festgestellt werden konnte, dass zwischen den Parteien ein bestimmtes Nettogehalt vereinbart war.

2.3 Mit der erstmals im Revisionsverfahren erhobenen Behauptung, der Beklagte hätte der Vereinbarung nie zugestimmt, wenn er gewusst hätte, dass dies zur Folge hat, dass sein Nettogehalt aufgrund der Zurechnung des Sachbezugs „Firmenfahrzeug“ de facto rückwirkend durch die Abgabenschuld gekürzt wird, verstößt der Revisionswerber gegen das Neuerungsverbot.

2.4 Konkrete Gegenforderungen hat der Beklagte nicht erhoben.

II. Zur außerordentlichen Revision der Klägerin:

1. Die von der Klägerin in ihrem Rechtsmittel angesprochenen Rechtsfragen wurden vom erkennenden Senat in der in einem Parallelverfahren ergangenen Entscheidung 8 ObA 66/19t bereits beantwortet. Demnach steht die Bestimmung des § 60 Abs 1 ASVG nicht der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs des Arbeitgebers entgegen, der in der treuwidrigen Vereitelung des Abzugsrechts durch den Arbeitnehmer wurzelt (RS0083996 [T2]). Daraus ist für die Klägerin in concreto aber nichts gewonnen, weil die Vorinstanzen im vorliegenden Fall keine Dienstnehmeranteile zur Sozialversicherung, für die § 60 Abs 1 ASVG gilt, sondern ausschließlich Dienstgeberbeiträge abgewiesen haben. Zu 8 ObA 66/19t hat der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass die (auch hier) klagende Dienstgeberin die Dienstgeberbeiträge und ‑zuschläge sowie die Kommunalsteuer auch dann zu tragen gehabt hätte, wenn der (dort) beklagte Dienstnehmer sie ordnungsgemäß über den Sachbezug (Privatnutzung des Dienstwagens) informiert hätte und dieser in der Folge gegenüber den Behörden offengelegt worden wäre. Diese Erwägung gilt auch im Anlassfall. Die Klägerin vermag daher keinen Schaden in Bezug auf die ihr vorgeschriebenen Dienstgeberbeiträge von insgesamt 1.062,57 EUR und die Kommunalsteuer von insgesamt 650,55 EUR darzustellen, sodass die Klageabweisung im Umfang von 1.713,12 EUR keinen Bedenken begegnet.

2. Zum weiters abgewiesenen Säumniszuschlag von 207,07 EUR enthält das außerordentliche Rechtsmittel keine substantiierten Ausführungen.

III. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO sind die außerordentlichen Revisionen daher zurückzuweisen.

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