VwGH 92/13/0274

VwGH92/13/027415.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der I-GmbH in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. August 1992, Zl. GA 5 - 1925/91, betreffend Haftung für Lohnsteuer sowie Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum 1984 bis 1988, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §16 impl;
AVG §46 impl;
BAO §166;
BAO §167 Abs2;
BAO §183 Abs4;
EStG 1972 §15 Abs2;
AVG §16 impl;
AVG §46 impl;
BAO §166;
BAO §167 Abs2;
BAO §183 Abs4;
EStG 1972 §15 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 12.950 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zuge einer Lohnsteuerprüfung traf der Prüfer die Feststellung, die Beschwerdeführerin habe keine Aufzeichnungen vorgelegt, die eine ausschließliche betriebliche Nutzung der "Firmen Pkw"s" nachweisen würden. Die abgeschlossene Betriebsvereinbarung stelle deshalb kein ernst gemeintes Verbot einer privaten Nutzung der Pkw durch die Dienstnehmer dar, weil die Einhaltung des Verbotes nicht überprüft werde und keine Aufzeichnungen über eine diesbezügliche Kontrolle vorlägen.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid zog die belangte Behörde die Beschwerdeführerin für die auf den Sachbezug der Überlassung von Kfz an Arbeitnehmer (für 1984 bis 1988) entfallende Lohnsteuer zur Haftung heran und schrieb Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag vor. Zur Begründung führte sie aus, die Beschwerdeführerin habe in der Berufung vorgebracht, aus vorgelegten Aufzeichnungen ergebe sich, daß keines der Fahrzeuge nur von einer Person benutzt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe - so ihr weiteres Berufungsvorbringen - mit den Dienstnehmern die Vereinbarung getroffen, wonach diese verpflichtet seien, wenn sie sich in Wien bzw. Innsbruck befänden, die Fahrzeugpapiere am Abend im Büro abzugeben und das Fahrzeug im Betrieb abzustellen. Auf Vorhalt habe die Beschwerdeführerin der belangten Behörde zur Frage der Überprüfung der Betriebsvereinbarung (mit Eingabe vom 6. März 1990) mitgeteilt, die Schlüssel für die Kfz und die Fahrzeugpapiere würden im Sekretariat "unmittelbar neben der Sekretärin" verwahrt. Vom Sekretariat aus werde die Fahrzeugvergabe gesteuert bzw. überwacht. Führe ein Dienstnehmer eine Geschäftsfahrt durch, habe er diese vorher anzumelden. Bei Antritt der Reise würden Reiseziel und Reisezweck aufgezeichnet. Der Kilometerstand werde jeweils nach Übergabe des Fahrzeuges überprüft. Bei Fahrten innerhalb Wiens würden Stichprobenkontrollen durchgeführt. Täglich werde nach Büroschluß geprüft, ob Schlüssel und Fahrzeugpapiere abgegeben worden seien. Kehre ein Mitarbeiter nach Büroschluß von einer Geschäftsreise zurück, würden Schlüssel und Fahrzeugpapiere "bei der Geschäftsführung, die im Hause wohnt", abgegeben. Eine weitere Anfrage der belangten Behörde, mit welcher um Auskunft darüber ersucht worden sei, welcher Dienstnehmer welches Fahrzeug verwendet habe, habe die Beschwerdeführerin nicht beantwortet. Der Lohnsteuerprüfer habe am 18. April 1991 verschiedene Tankbelege überprüft. Dabei habe sich ergeben, daß am 1. Mai 1988 in H getankt worden sei, während in den Fahrtaufzeichnungen für diesen Tag keine Fahrt eingetragen gewesen sei. Gleiches habe sich beim Tankbeleg vom 25. April 1988 ergeben. Für den 13. Mai 1988 sei in den Fahrtaufzeichnungen "R" angeführt, während sich aus dem Tankbeleg ergebe, daß in H getankt worden sei. Ein Aktenvermerk enthalte folgende Feststellung: "Auf die Unstimmigkeiten angesprochen, antwortete Herr B (Steuerberater), daß dies wahrscheinlich Privatfahrten seien, und daß er gar nicht abstreite, daß die eine oder andere Privatfahrt getätigt worden sei." Da die Beschwerdeführerin die von der belangten Behörde geforderte Zuordnung der Fahrzeuge zu den einzelnen Dienstnehmern nicht vorgenommen habe, sei es der belangten Behörde nicht möglich, die Sachbezugszurechnung für bestimmte Dienstnehmer festzulegen. Die Beschwerdeführerin müsse daher eine Schätzung nach § 86 EStG 1972 hinnehmen. Die belangte Behörde habe zu beurteilen, ob die von der Beschwerdeführerin mit den Dienstnehmern abgeschlossene Betriebsvereinbarung wirksam überprüft und tatsächlich eingehalten worden sei. Es entspreche nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens, daß Dienstnehmer keinerlei Privatfahrten mit den firmeneigenen Fahrzeugen machen. In der zitierten Betriebsvereinbarung seien keine Sanktionen für den Fall einer mißbräuchlichen Privatnutzung enthalten. Die vom Lohnsteuerprüfer geprüften Tankbelege zeigten, daß Privatfahrten durchgeführt worden seien. Im übrigen habe der steuerliche Vertreter diesen Umstand auch nicht "absolut ausschließen" können.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich verletzt im Recht, für einen zu Unrecht angesetzten Sachbezug der Dienstnehmer nicht zur Haftung und Zahlung herangezogen zu werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ein geldwerter Vorteil eines Dienstnehmers aus dem Dienstverhältnis ist ua dann gegeben, wenn ihm ein Kfz des Arbeitgebers unentgeltlich zur privaten Nutzung überlassen ist. Es steht dem Arbeitgeber aber frei, Arbeitnehmern Kfz ausschließlich für Dienstfahrten zur Verfügung zu stellen und ihnen jede private Nutzung zu verbieten. Verstößt der Arbeitnehmer gegen dieses Verbot, so hat er zwar mit der privaten Nutzung des arbeitgebereigenen Kfz einen geldwerten Vorteil aus dem Dienstverhältnis bezogen, es handelt sich dabei aber um keinen vom Arbeitgeber gewährten, lohnsteuer- und dienstgeberbeitragspflichtigen Vorteil, sondern vielmehr um einen vom Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers in Anspruch genommenen Vorteil aus dem Dienstverhältnis, der beim Arbeitnehmer im Veranlagungsweg zu erfassen ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 4. Juni 1985, 85/14/0016). Die Lohnsteuer- und Dienstgeberbeitragspflicht kann allerdings nur dann verneint werden, wenn ein ernst gemeintes Verbot des Arbeitgebers hinsichtlich der Privatfahrten vorliegt. Dies wieder ist nur der Fall, wenn der Arbeitgeber auch für die Wirksamkeit seines Verbotes vorsorgt. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis 85/14/0016 zum Ausdruck gebracht, ein geeignetes Mittel hiefür könne darin bestehen, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Führung von Fahrtenbüchern verhält und diese laufend kontrolliert, eine Verpflichtung zur Fahrtenbuchführung bestehe aber nicht.

Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall in sachverhaltsmäßiger Hinsicht angenommen, mit Einverständnis der Beschwerdeführerin benutzten Dienstnehmer arbeitgebereigene Kfz für private Fahrten. Gegen diese Sachverhaltsfeststellung wendet sich die Beschwerde.

Die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle dahingehend, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, das heißt den Denkgesetzen und dem menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, 92/13/0200).

Eine ausreichend konkrete "Erfahrung des täglichen Lebens", die hinreichte, für sich allein die Annahme von Privatfahrten zu rechtfertigen, besteht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshof nicht.

Die belangte Behörde stützte die Annahme von Privatfahrten im weiteren darauf, daß Tankbelege (über Tankvorgänge in Hollabrunn) mit den vorgelegten Fahrtaufzeichnungen nicht übereinstimmten und - wie sich aus einem Aktenvermerk ergebe - der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin, auf diese Unstimmigkeiten angesprochen, Privatfahrten nicht ausgeschlossen habe. Die belangte Behörde entnahm somit die Vorgänge betreffend die Beiziehung des steuerlichen Vertreters einem Aktenvermerk des Finanzamtes. Der Aktenvermerk ist zwar als Beweismittel nach den allgemeinen Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen, wäre aber der Beschwerdeführerin gemäß § 183 Abs. 4 BAO vorzuhalten gewesen. Da die belangte Behörde dies unterlassen hat, hat sie Verfahrensvorschriften verletzt. Die Relevanz dieses Verfahrensfehlers zeigt die Beschwerdeführerin auf, wenn sie in der Beschwerde bestreitet, daß ihr Vertreter eine derartige Aussage getätigt habe, und zur Erklärung der Belege über Tankvorgänge in H vorbringt, sie habe dort eine (weitere) Betriebsstätte.

Die belangte Behörde ging ferner im Sachverhaltsbereich davon aus, daß die Privatfahrten mit Zustimmung bzw nicht gegen ein ernst gemeintes Verbot der Beschwerdeführerin durchgeführt worden seien. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die sich diesbezüglich ausschließlich darauf stützt, die Betriebsvereinbarung enthalte keine Sanktion für eine "mißbräuchliche Privatnutzung", kann der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht standhalten. Zum einen ist nämlich die belangte Behörde auf die von der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren behaupteten Kontrollmaßnahmen in keiner Weise eingegangen. Zum anderen ist nicht einsichtig, warum derartige Sanktionen - das

hg. Erkenntnis 85/14/0016 erwähnt ihre Wahrscheinlichkeit ("zu rechnen hat") nur als einen von mehreren der im Rahmen der Beweiswürdigung beachtlichen Umstände - in "Betriebsvereinbarungen" festgehalten werden müßten und daß der Arbeitgeber, bevor ihm ein derartiger "Mißbrauchsfall" bekannt wird, überhaupt konkretisieren müßte, welche vom Arbeitsrecht vorgegebenen Schritte er gegebenenfalls einschlagen werde.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994. Die Vorlage von Beilagen - mit Ausnahme der Kopie des angefochtenen Bescheides - war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich, sodaß ein Ersatz der Beilagengebühr nur für die Ablichtung des angefochtenen Bescheides zugesprochen werden konnte.

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