European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E128673
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentlichen Revision und dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.044,70 EUR (darin 507,45 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisions- und Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Mietvertrag der Schuldnerin sah vor, dass sie der Vermieterin „zur Sicherstellung aller wie auch immer gearteten Ansprüche, die dem Vermieter aus oder in Zusammenhang mit diesem Mietvertrag gegen den Mieter entstehen können“, bei Vertragsunterfertigung eine Kaution in der Höhe von 450.000 EUR zu übergeben hatte. Nach Eröffnung des Geschäftsbetriebs verringerte sich nach der vertraglichen Vereinbarung dieser Betrag auf 350.000 EUR (Pkt 15.1). Die Übergabe der Kaution hatte durch Aushändigung einer Bankgarantie mit einer bestimmten Laufzeit zu erfolgen. Die Schuldnerin war verpflichtet, zumindest einen Monat vor Ablauf der Bankgarantie der Vermieterin eine Verlängerungsbestätigung der Bank oder eine neue Bankgarantie zukommen zu lassen. Für den Fall, dass die Schuldnerin dieser Verpflichtung nicht fristgerecht nachkommt, war die Vermieterin berechtigt, „die Bankgarantie zu ziehen und den erlösten Betrag auf ein Bankkonto einzuzahlen, das diesfalls als Sicherstellung dient“. Ein derartiges Vorgehen der Vermieterin befreite die Schuldnerin ausdrücklich nicht von der Verpflichtung zur Erneuerung der Bankgarantie (Pkt 15.2). Die Vermieterin war berechtigt aber nicht verpflichtet, sämtliche Forderungen aus der Kaution zu decken. Der verbleibende Rest war nach Beendigung des Mietverhältnisses, Rückstellung des Mietgegenstands und endgültiger Abrechnung rückzuerstatten. Für den „Fall der Inanspruchnahme der Kaution“ war vorgesehen, dass „diese vom Mieter umgehend auf die vertraglich vereinbarte Höhe zu ergänzen [ist]“ (Pkt 15.3).
Unter Hinweis darauf, dass sie von der (jetzigen) Schuldnerin dazu beauftragt worden sei, stellte eine österreichische Bank der Vermieterin mit Schreiben vom 7. 10. 2016 eine Bankgarantie über 450.000 EUR mit einer Laufzeit bis 30. 6. 2018 aus. Nach dem Schreiben waren zur Abdeckung von Ansprüchen aus dem zugrundeliegenden Mietverhältnis nicht erforderliche Beträge nur an die Bank zurückzuzahlen.
Nachdem über das Vermögen der Schuldnerin am 28. 5. 2018 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, trat der zum Insolvenzverwalter bestellte Beklagte in den Mietvertrag ein. Mit Schreiben vom 5. 6. 2018 stellte eine von der Vermieterin bevollmächtigte andere Gesellschaft die Garantie der österreichischen Bank in voller Höhe fällig und verlangte die Überweisung auf ein Konto der Vermieterin. Diese Fälligstellung erfolgte laut dem Schreiben deshalb, weil die Mieterin ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei.
Für den Fall der Inanspruchnahme der Bankgarantie hatte im Auftrag der Klägerin, einer Aktiengesellschaft nach libanesischem Recht, die dem selben Konzern wie die Schuldnerin angehört, am 16. 9. 2016 eine libanesische Bank der österreichischen Bank eine Rückgarantie gegeben. Die österreichische Bank rief diese Rückgarantie ab und überwies ihrerseits der Vermieterin 450.000 EUR. Die Klägerin ersetzte der libanesischen Bank den Betrag von 450.000 EUR, sodass sie letztendlich den Garantiebetrag wirtschaftlich trug. Die Vermieterin erstattete der Klägerin in weiterer Folge einen Teilbetrag von 100.000 EUR zurück, da in diesem Umfang die Bankgarantie irrtümlich abgerufen worden war.
Nach den Feststellungen verwendete die Vermieterin den von ihr gezogenen Garantiebetrag nicht für die Abdeckung des nach Insolvenzeröffnung aufgelaufenen Mietzinses samt Nebenkosten; diese Masseforderungen wurden vielmehr vom Beklagten aus anderen Mitteln getilgt. Ob und inwiefern der Garantiebetrag für Mietzinsrückstände aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung (= Insolvenzforderungen) verwendet wurde, wurde nicht festgestellt.
Die Klägerin brachte im Insolvenzverfahren am 1. 8. 2018 eine Forderungsanmeldung mit folgendem wesentlichen Inhalt ein:
„Die Gläubigerin gab für die Schuldnerin über eine Rückbankgarantie bei der [libanesischen Bank] die Bankgarantie [...] bei der [österreichischen Bank] im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis über den Mietgegenstand […] zugunsten der Vermieterin [...] in Auftrag.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin trat der Masseverwalter in den Mietvertrag ein und setzte das Mietverhältnis fort. Die Forderungen aus und im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis wurden damit zu Masseforderungen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahren s rief die Vermieterin als Begünstigte den vollen Betrag der Bankgarantie in Höhe von EUR 450.000 – wobei eine Abrufung eines Teilbetrages von EUR 100.000 zu Unrecht erfolgte – zur Deckung der mietvertraglich bedungenen Kaution ab.
Die Gläubigerin hat als Garantieauftraggeberin damit eine Masseforderung der Vermieterin befriedigt und ihr steht ein ebenfalls als Masseforderung zu befriedigender Rückzahlungsanspruch gegen die Schuldnerin zu. Der gesetzliche Regressanspruch der Gläubigerin gegen die Schuldnerin stellt in jedem Fall eine Masseforderung dar: […]
Im Übrigen hat die Schuldnerin aufgrund des Eintritts in den Mietvertrag auch in der Insolvenz eine Auffüllungspflicht der Kaution […], der durch Abruf der Garantie erfüllt wurde. In jedem Fall besteht daher in Höhe von EUR 350.000 eine Masseforderung der Gläubigerin.
Nur aufschiebend bedingt (§ 16f IO) für den Fall, dass die Gläubigerin aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht den vollen Betrag in Höhe von EUR 350.000 als Masseforderung erhalten sollte bzw auch bedingt dadurch, dass gegenwärtig nicht das volle Ausmaß der Mietzinsforderung, deren Anmeldung durch den Vermieter sowie des Regressanspruches feststeht, meldet die Gläubigerin den Betrag in Höhe von EUR 350.000 – bzw im Falle einer unrechtmäßigen Rückerstattung des zu Unrecht von der Vermieterin zu viel abgerufenen Betrages in Höhe von EUR 100.000 an die Schuldnerin einen Betrag in Höhe von insgesamt EUR 450.000 – bedingt als Insolvenzforderung an und beantragt Sicherstellung der Zahlung bzw Quote.“
Mit (als „Stellungnahme“ bezeichnetem) Schriftsatz an das Insolvenzgericht vom 24. 9. 2018 schränkte die Klägerin ihre Forderungsanmeldung um einen Betrag von 100.000 EUR ein und brachte ergänzend vor:
„Aufgrund des erfolgten Eintritts des Masseverwalters in den Mietvertrag trifft den Masseverwalter […] auch eine Verpflichtung zur Bereitstellung der für die Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses erforderlichen Sicherheiten (Kaution) und somit für die zeitgerechte Verlängerung bzw Neuausstellung der Bankgarantie [...]. Der Masseverwalter kam jedoch seiner Verpflichtung zur Beistellung einer neuen Bankgarantie nicht nach, weshalb die von der Gläubigerin bereitgestellte, aber auslaufende Bankgarantie von der Vermieterin abgerufen und der gezogene Garantiebetrag auf einem Bankkonto erlegt wurde.
Die Gläubigerin hat somit als Garantieauftraggeberin die als Masseforderung zu qualifizierende Forderung der Vermieterin auf Kautionsauffüllung befriedigt. Deshalb steht ihr – soweit unverbrauchte Kautionsbeträge nicht direkt durch von der Vermieterin der Gläubigerin erstattet werden [sic!] – ein ebenfalls als Masseforderung zu befriedigender Rückzahlungsanspruch gegen die Schuldnerin zu. Dieser gesetzliche Regressanspruch der Gläubigerin gegen die Schuldnerin stellt in jedem Fall eine Masseforderung dar: [...]“
Der Insolvenzverwalter bestritt in der Prüfungstagsatzung die angemeldete Forderung.
Die Klägerin nahm mit ihrer Klage den Beklagten auf den Saldo von 350.000 EUR sA gestützt auf jeden erdenkliche Rechtsgrund in Anspruch. Hilfsweise beantragte sie gemäß § 110 IO die Feststellung, dass die von ihr im Insolvenzverfahren der Schuldnerin angemeldete Forderung in Höhe von 350.000 EUR sA zu Recht bestehe. Sie erstattete im Wesentlichen ein ihren beiden Eingaben im Forderungsanmeldungsverfahren entsprechendes Vorbringen. Darüber hinaus brachte sie vor, der libanesischen Bank den Betrag von 450.000 EUR erstattet zu haben.
Der Beklagte bestritt das Vorbringen und beantragte die Abweisung der Klage.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Es ging von dem eingangs wiedergegebenen und dabei auf das Wesentliche gekürzten Sachverhalt aus. Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, dass die im Mietvertrag enthaltene Verpflichtung der Schuldnerin zur Auffüllung der Kaution ein Dauerschuldverhältnis darstelle. Mit dem Abruf der Bankgarantie am 5. 6. 2018 und damit erst nach Insolvenzeröffnung sei ein Anspruch der Vermieterin auf Auffüllung der Kaution entstanden, somit eine Masseforderung gegen den in den Mietvertrag eingetretenen Beklagten. Der Abruf der Garantiesumme durch die Vermieterin habe als Rechtsfolge nach sich gezogen, dass der Anspruch der Vermieterin gegen die Schuldnerin auf Auffüllung der Kaution durch Legalzession gemäß § 1358 ABGB auf die österreichische Bank übergegangen sei. Durch die Inanspruchnahme der Rückgarantie sei der Kautionsauffüllungsanspruch sodann auf die libanesische Bank durch Legalzession gemäß § 1358 ABGB übergegangen. Weil davon ausgegangen werden könne, dass die Klägerin die Schuldnerin mit der Zahlung an die libanesische Bank nicht von ihrer Verbindlichkeit befreien habe wollen, sondern ein Regress zwischen den Schwestergesellschaften geplant gewesen sei, sei der Kautionsauffüllungsanspruch letztlich gemäß § 1422 ABGB auf die Klägerin übergegangen.
Das Berufungsgericht änderte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil dahin ab, dass es das Hauptbegehren ab- und das Eventualbegehren als unzulässig zurückwies.
Zur Abweisung des Hauptbegehrens führte das Berufungsgericht aus, dass die Regelungen des Mietvertrags für einen Anspruch der Schuldnerin bzw nunmehr des Beklagten auf Rückzahlung des nicht verbrauchten Kautionsteils sprächen. Ein Rückzahlungsanspruch der Schuldnerin lasse sich allerdings nicht mit der Bestimmung in der Hauptgarantie, dass Rückzahlungen aus nicht verbrauchter Kaution ausschließlich an die Bank zu leisten seien, in Einklang bringen. Da diese Klausel offenkundig mit Zustimmung der Schuldnerin in den Garantievertrag aufgenommen worden sei, könne im Ergebnis nur die Bank nicht aber die Schuldnerin die Rückzahlung der nicht verbrauchten Kaution begehren. Da der Beklagte keinen Anspruch auf diese Rückzahlung habe, komme eine Rückzahlung des von der Vermieterin aus der Ziehung der Hauptgarantie lukrierten Betrags an die Klägerin durch ihn nicht in Betracht. Da sich der nicht verbrauchte Kautionsbetrag unstrittig auch nicht in seiner Gewahrsame befinde, könne die Klägerin im Ergebnis von ihm keine Zahlung verlangen. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil keine über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Fragen zu beantworten gewesen seien, sondern Fragen der konkreten Vertragsgestaltung im Vordergrund gestanden hätten.
Die Zurückweisung des Eventualbegehrens begründete das Berufungsgericht damit, dass es an der erst den Rechtsweg eröffnenden Voraussetzung mangle, dass aus der Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren Grund und Höhe der in der Klage behaupteten Ansprüche abgeleitet werden können. Die Klägerin habe sich im Anmeldungsverfahren auf einen ihr gegen die Schuldnerin angeblich zustehenden Regressanspruch gestützt, aber nicht schlüssig darlegen können, woraus sich dieser ergeben sollte.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO. Mit der außerordentlichen Revision verbunden ist der Rekurs gegen den in die Berufungsentscheidung aufgenommenen Beschluss auf Zurückweisung des Eventualbegehrens. Die Klägerin stellt einen auf Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts gerichteten Abänderungs-, hilfsweise einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Der Beklagte beantragt in seiner vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisions- und (jedenfalls zulässigen) Rekursbeantwortung, die Rechtsmittel zurückzuweisen, hilfsweise ihnen nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Beide Rechtsmittel sind zulässig, aber nicht berechtigt.
I. Zur außerordentlichen Revision:
Die Klägerin hält dem Berufungsgericht entgegen, dass sie ihre Klage sowie ihre Forderungsanmeldung nicht primär und schon gar nicht ausschließlich auf allfällig unverbrauchte Kautionsbeträge gestützt habe. Vielmehr habe sie sich auf den Anspruch der Vermieterin auf Verlängerung oder Neuerlag der Mietkaution bzw Kautionsauffüllung gestützt. Dieser Anspruch der Vermieterin sei durch die Ziehung der Garantie der österreichischen Bank befriedigt worden. Die österreichische Bank sei ihrerseits durch die libanesische Bank befriedigt worden, die letztlich von der Klägerin befriedigt worden sei. Die Klägerin habe damit als Auftraggeberin einer Rückgarantie, für die sie persönlich hafte, den als Masseforderung zu qualifizierenden Anspruch der Vermieterin auf Verlängerung oder Neuerlag der Kaution bzw Kautionsauffüllung erfüllt, der auf sie übergegangen sei.
Die außerordentlich Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, weil das Berufungsgericht tatsächlich – wie in der Zulassungsbeschwerde zu Recht releviert – nicht auf die von der Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision aufrechterhaltenen und ihrem Standpunkt nach sowohl auf sie übergegangenen als auch jeweils als Masseforderung zu beurteilenden Ansprüche einging. Sie ist aber nicht berechtigt
I.1. Zunächst ist anzumerken, dass die Klägerin auf Seite 3 (und inhaltlich deckungsgleich auf Seite 5) der außerordentlichen Revision erklärt, dass sie „ihren Anspruch nicht [Hervorhebung im Rechtsmittel selbst; Anm] auf etwaig unverbrauchte Kautionsbeträge stützt“. Sollte sich die Klägerin in den Vorinstanzen sehr wohl auf unverbrauchte Kautionsbeträge gestützt haben, hat sie dies als Anspruchsgrundlage im Revisionsverfahren jedenfalls fallengelassen. Auf die Richtigkeit der sich allein mit dieser Thematik befassenden rechtlichen Begründung des Berufungsgerichts ist damit nicht einzugehen.
I.2. Einzugehen ist allein auf die in der außerordentlichen Revision relevierte Anspruchsbegründung, wonach der Anspruch der Vermieterin auf „Kautionsauffüllung“ bzw auf „Verlängerung oder Neuerlag der Mietkaution“ durch Ziehung der Garantie der österreichischen Bank erfüllt und dieser Anspruch letztlich auf die Klägerin übergegangen sei.
I.3.1. Wer eine fremde Schuld bezahlt, für die er persönlich oder mit bestimmten Vermögensstücken haftet, tritt in die Rechte des Gläubigers und ist befugt, von dem Schuldner den Ersatz der bezahlten Schuld zu fordern (§ 1358 Satz 1 ABGB). Zu diesem Ende ist der befriedigte Gläubiger verbunden, dem Zahler alle vorhandenen Rechtsbehelfe und Sicherungsmittel auszuliefern (§ 1358 Satz 2 ABGB).
1.3.1. Die bürgschaftsrechtliche Regelung des § 1358 ABGB gilt nach herrschender Auffassung auch für die Bankgarantie (Koziol/Potyka in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht2 V [2009] Rz 3/68; P. Bydlinski in KBB6 § 1358 ABGB Rz 2 uva). Die Bank, die aufgrund der von ihr ausgestellten Bankgarantie Zahlung an einen begünstigten Gläubiger geleistet hat, kann beim Schuldner – hier beim beklagten Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin (Mieterin) – gemäß § 1358 ABGB also Rückgriff nehmen (RS0107384). Sie erwirbt durch Legalzession gemäß § 1358 ABGB die Forderung des Begünstigten gegen den Schuldner samt akzessorischen Sicherheiten, und zwar gleichgültig ob dieser auch der Garantieauftraggeber ist (Dullinger in Rummel/Lukas, ABGB4 § 880a Rz 14 mwN).
I.3.2. Dieser heute herrschenden Auffassung liegt die Prämisse zugrunde, dass durch die Zahlung des Garanten auch die Schuld des Dritten (hier: Schuldnerin bzw beklagter Masseverwalter) bezahlt wird. Dies ergibt sich bereits daraus, dass § 1358 Satz 2 ABGB vom befriedigten Gläubiger spricht. Wurde der Gläubiger aus der Bankgarantie befriedigt, so soll er nicht zusätzlich auch noch die durch die Bankgarantie besicherte Zahlung fordern dürfen. Diese Forderung geht vielmehr durch die Inanspruchnahme der Bankgarantie, deren Erfüllungswirkung sich auch auf sie erstreckt, auf die Bank, die mit ihrer Zahlung ja eine fremde Schuld erfüllt hat, über (eingehend Koziol, Der Garantievertrag [1981] 74 f). All dies gilt aber eben nur dann, „wenn [der Garant] mit seiner Garantieleistung die Schuld des Dritten tilgt“ (3 Ob 108/03h), mit anderen Worten, wenn die Bank durch die Auszahlung der Bankgarantie „die Schuld abträgt“ (vgl 4 Ob 89/97k).
I.4. Es kann nun – wie hier geschehen – vertraglich dahingehend vorgesorgt werden, dass dem aus der Bankgarantie Begünstigten (hier: die Vermieterin) das Recht eingeräumt wird, die Bankgarantie schon dann abzurufen, wenn sein zur Übergabe einer Bankgarantie verpflichteter Schuldner (hier: die insolvenzverfangene Mieterin bzw nach Eintritt in den Mietvertrag der Beklagte) seiner Pflicht zur Verlängerung oder Erneuerung der auslaufenden oder gekündigten Bankgarantie nicht nachkommt, sodass der Abruf auch dann nicht unberechtigt ist, wenn keine offenen Forderungen gegen den Schuldner (Mieterin) bestehen (Riss in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht – MRG3 [2013] § 16b MRG Rz 29). Ob mit dem Abruf der befristeten Bankgarantie vom Begünstigten die Tilgung seiner (durch die Bankgarantie besicherten) Forderungen oder bloß die Umwandlung der Haftung des Garanten in eine Barkaution erfolgt, hängt sodann von den Umständen des Einzelfalls ab (3 Ob 149/07v).
I.5. Hier wurde kurz nach Ablauf der Frist zur Erneuerung der Bankgarantie die gesamte Bankgarantie abgerufen. Grund des Abrufs war damit offenbar die Verletzung der Pflicht der Schuldnerin bzw des in den Mietvertrag eingetretenen Beklagten zur Erneuerung der Bankgarantie. Es war im Mietvertrag für diesen Fall vorgesehen, dass die Vermieterin berechtigt ist, „die Bankgarantie zu ziehen und den erlösten Betrag auf ein Bankkonto einzuzahlen, das diesfalls als Sicherstellung dient“. Damit lag hier nur eine Umwandlung der Bankgarantie in eine Barkaution vor. Bei einer Barkaution erfolgt die Verwertung (erst) dadurch, dass der Kautionsempfänger mit seinen vereinbarungsgemäß zu sichernden Forderungen aus dem Vertrag gegen den – erst nach Vertragsende fälligen – Rückforderungsanspruch des Schuldners aufrechnet (Lovrek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1094 Rz 84 mwH).
I.6. Ist – wie hier – das Recht eingeräumt, die Bankgarantie bereits deshalb zu ziehen, weil sie nicht rechtzeitig verlängert oder eine neue übergeben wurde, sodass sich die abgerufene Bankgarantie in eine Barkaution verwandelt, und ist – wie ebenso hier – vorgesehen, dass dessen ungeachtet der Begünstigte das Recht hat, eine neue Bankgarantie zu erhalten (Pkt 15.2 des Mietvertrags), so droht eine doppelte Besicherung des Begünstigten, zumal er letztlich zusätzlich zur nunmehr vorliegenden Barkaution über eine Bankgarantie verfügen würde. Um dies zu vermeiden, ist mit der Ausstellung einer neuen Bankgarantie ein Anspruch auf Rückzahlung der ausbezahlten Garantiesumme, also der Barkaution, anzunehmen (3 Ob 149/07v).
Schon aus diesem Grund ist es widersinnig anzunehmen, dass hier mit der bloßen Auszahlung der Bankgarantie der Anspruch der Vermieterin auf Erhalt einer verlängerten oder neuen Bankgarantie auf die österreichische Bank und aufgrund einer Kette von Zessionen letztlich auf die Klägerin übergegangen sein soll. Dies würde nämlich bedeuten, dass sobald die Klägerin vom Beklagten eine Bankgarantie erhält (worauf der angeblich übergegangene Anspruch im Übrigen lautet; er lautet nicht auf Zahlung der Garantiesumme), der Beklagte von der Vermieterin die als Barkaution erliegenden 350.000 EUR zurückverlangen könnte, sodass letztlich die Vermieterin ohne Sicherheit wäre.
I.7. Im Übrigen überzeugt es nicht, wenn die Klägerin in der außerordentlichen Revision meint, der „Anspruch der Vermieterin auf Verlängerung oder Neuerlag der Mietkaution“ sei befriedigt worden. Tatsächlich erhielt die Vermieterin nämlich gerade keine verlängerte oder neue Bankgarantie. Die Klägerin versucht dieses Argument in der außerordentlichen Revision durch die Behauptung zu widerlegen, die Befriedigung des Anspruchs der Vermieterin auf Verlängerung oder Neuerlag der Mietkaution sei „durch Ziehung der Garantie“ erfolgt. Durch die Ziehung der Bankgarantie wurde die in Rede stehende Forderung der Vermieterin aber gerade nicht befriedigt. Vielmehr sieht der Mietvertrag in Pkt 15.2 (am Ende) vor, dass die Abrufung der Bankgarantie wegen nicht rechtzeitiger Verlängerung derselben oder Erlag einer neuen Bankgarantie die Schuldnerin von der Verpflichtung zur Erneuerung der Bankgarantie nicht befreit.
I.8. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten:
Bei im Vertrag zwischen Schuldner und Gläubiger vorgesehener Ziehung der Bankgarantie aufgrund deren bevorstehenden Ablaufs wegen Verletzung der im Vertrag ebenso festgelegten Pflicht des Schuldners zu ihrer rechtzeitigen Erneuerung stellt der im Vertrag weiters vorgesehene Anspruch des Gläubigers, ungeachtet der Ziehung der (sich dadurch in eine Barkaution verwandelnden) Bankgarantie eine neue Bankgarantie zu erhalten, kein Recht dar, das auf die die Garantiesumme auszahlende Bank gemäß § 1358 ABGB überginge.
I.9. Die Klägerin hat im Übrigen auch nicht den in Punkt 15.3 des Mietvertrags für den Fall der „Inanspruchnahme der Kaution“ vorgesehenen Anspruch, dass diese auf die vertraglich vereinbarte Höhe „zu ergänzen“ (also „aufzufüllen“) ist, erfüllt. Weder steht nämlich fest, dass die Kaution in diesem Sinne tatsächlich in Anspruch genommen, nämlich zur Abdeckung von Forderungen der Vermieterin tatsächlich verwendet wurde, noch stünde – selbst wenn man dies bejahen würde – fest und wurde auch gar nicht behauptet, dass die österreichische Bank, die libanesische Bank oder die Klägerin die seit der Abrufung der Bankgarantie als Barkaution erliegende Sicherheit nach deren tatsächlicher Inanspruchnahme wieder aufgefüllt haben. Folglich kann auch dahingestellt bleiben, ob der in Vertragspunkt 15.3 vorgesehene Kautionsauffüllungsanspruch als Masse- oder als Insolvenzforderung einzustufen wäre (vgl dazu insb Riss, Der sogenannte Auffüllungsanspruch bei der Mietkaution– insbesondere in der Insolvenz – Anmerkungen zu OGH 26. 4. 2011, 8 Ob 126/10b, wobl 2011, 409 ff).
I.10. Im Ergebnis scheitern damit die – in der außerordentlichen Revision zur Darlegung einer Masseforderung aufrechterhaltenen – Ansprüche der Vermieterin auf „Verlängerung oder Neuerlag der Mietkaution“ bzw „Kautionsauffüllung“ schon daran, dass sie nicht erfüllt wurden und schon deshalb nicht auf die Klägerin übergegangen sein können.
I.11. Angesichts dieses Ergebnisses erübrigten sich Ausführungen zu den Fragen des anzuwendenden Rechts auf die Rechtsverhältnisse zwischen der österreichischen Bank und der libanesischen Bank sowie zwischen der libanesischen Bank und der Klägerin. Auf diese Rechtsverhältnisse käme es zur Beurteilung von allfälligen Zessionen nur an, wenn einer der behaupteten – und jedenfalls dem österreichischen Recht unterliegenden – Ansprüche der Vermieterin erfüllt worden wäre, was nicht der Fall ist.
I.12. Der außerordentlichen Revision war daher der Erfolg zu versagen.
II. Zum Rekurs:
Soweit das Rechtsmittel inhaltlich als Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluss anzusehen ist, wendet sich die Klägerin darin unter Verweis auf ihre Forderungsanmeldung samt „Stellungnahme“ im Anmeldungsverfahren des Insolvenzgerichts gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass sich aus ihren Anmeldungen ihr Anspruch auf Zahlung von 350.000 EUR nicht ableiten lasse.
II.1. Auch die Zurückweisung nur des Eventualbegehrens ist eine Klagezurückweisung. Auch wenn ein Eventualklagebegehren (erstmals) vom Berufungsgericht zurückgewiesen wird, ist der Rekurs daher in unmittelbarer (aA 5 Ob 170/01p und 8 ObA 77/02k = RS0102655 [T4]: Annahme einer bloßen Analogie) Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig (Musger in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 § 519 Rz 33 [bei und in FN 67]; ebenso bereits 7 Ob 152/62 = RS0043843). Es liegt ein von der Höhe des Streitwerts (RS0043893) und vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RS0043882) unabhängig zulässiger „Vollrekurs“ vor. Das Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof ist nach der ZVN-Novelle 2009 zweiseitig (RS0098745 [T21]).
II.2. Wie bereits bei Behandlung der außerordentlichen Revision ist die Klägerin zunächst darauf zu verweisen, dass sie ihre Forderung auf die Erfüllung der Verpflichtung der Schuldnerin bzw – ab Eintritt des Insolvenzverwalters in den Mietvertrag – des Beklagten auf Verlängerung der alten Bankgarantie oder Zurverfügungstellung einer neuen Bankgarantie bzw „Auffüllung der Kaution“ stützt. Gerade ein solcher Anspruch wurde – wie bereits erläutert – hier aber nicht erfüllt, weshalb er auch nicht auf sie übergegangen sein kann. Die Klägerin hat auch im Anmeldungsverfahren kein dahingehendes Tatsachenvorbringen erstattet. Dass die Kautionsauffüllungspflicht „durch Abruf der Garantie erfüllt wurde“ (so die Forderungsanmeldung), ist rechtsirrig (vgl Pkt I.6. bis I.9.).
II.3. Als taugliche Grundlage für die mit dem Eventualbegehren behauptete Insolvenzforderung käme hingegen ein Aufwandersatzanspruch nach § 1014 ABGB in Betracht. Ein solcher steht nämlich der Bank gegen ihren Auftraggeber grundsätzlich zu, wenn sie dem aus der Bankgarantie Begünstigten Zahlung geleistet hat (Dullinger in Rummel/Lukas, ABGB4 § 880a Rz 14; Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 880a Rz 15 uva). Ist – wie im vorliegenden Fall – der Garantieauftraggeber insolvent und wurde die Garantie vor Insolvenzeröffnung gelegt, steht der Aufwandersatzanspruch gegen den (die Bankgarantie vormals beauftragt habenden) Schuldner als Insolvenzforderung zu (8 Ob 200/02y mwN). Auf diesen – allenfalls auf die Klägerin über eine Kette von Zessionen – übergegangenen Anspruch war die Forderungsanmeldung aber weder in ihrer ursprünglichen Fassung noch in jener der späteren „Stellungnahme“ gerichtet. Insbesondere wurde im Anmeldungsverfahren nicht behauptet, dass die Klägerin der libanesischen Bank Ersatz für die abgerufene Rückgarantie geleistet hat. Dies wäre aber Voraussetzung für einen Forderungsübergang von der libanesischen Bank auf die Klägerin.
Gemäß § 103 Abs 1 Satz 1 IO sind in der Anmeldung (unter anderem) „der Betrag der Forderung und die Tatsachen, auf die sie sich gründet, […] zu bezeichnen“. Es müssen also Grund und Höhe der behaupteten Ansprüche aus der Forderungsanmeldung abgeleitet werden können (RS0111042; 6 Ob 212/18x [Pkt 2]). Die Forderungsanmeldung selbst muss die anspruchsbegründenden Tatsachen enthalten (5 Ob 309/87; 8 Ob 16/94; RS0089657 [T5]). Mit anderen Worten muss die Forderungsanmeldung schlüssig sein (8 Ob 288/99g). Ist dies nicht der Fall steht § 110 Abs 1 IO der Erhebung der Prüfungsklage auch dann entgegen, wenn die angemeldete Forderung das Prüfungsverfahren durchlaufen hat (RS0111042).
Die Zurückweisung des Eventualbegehrens erweist sich daher als zutreffend. Da das Eventualbegehren wegen der Stattgebung des Hauptbegehrens durch das Erstgericht noch nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war, nahm das Berufungsgericht zutreffend von einer Nichtigerklärung des durchgeführten Verfahrens Abstand.
III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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