European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00030.20H.0504.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred K***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (I./) und des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (idF BGBl I 2013/116; II./) schuldig erkannt.
Danach hat er am 30. September 2018 in B***** C***** S*****,
I./ die aufgrund einer sekundär progredienten Multiplen Sklerose Erkrankung (ICD-10: G35.0) in ihrer Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt ist, sohin eine wehrlose Person, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er an ihr den Beischlaf vornahm, indem er sie auf die Couch legte, auszog und seinen erigierten Penis in ihre Vagina einführte;
II./ mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er ihre Hände über ihrem Kopf festhielt und entgegen ihrem verbalen Protest und ihrer versuchten körperlichen Gegenwehr den Vaginalverkehr an ihr vollzog, wobei die Tat eine an sich schwere Körperverletzung verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F43.1), zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) hat das Erstgericht die Feststellung, wonach dem Angeklagten „bei der Tatbegehung bewusst“ war, dass „C***** S***** den an ihr vollzogenen Geschlechtsverkehr nicht wollte und sie überhaupt nur sehr eingeschränkt zur körperlichen Abwehr fähig war, was er jedoch billigend in Kauf nahm“ (US 5) – zulässigerweise und unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (vgl RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882) – aus dem objektiven Tatgeschehen sowie aus der für überzeugend erachteten Schilderung des Opfers, nämlich einer trotz eines deutlich geäußerten „Neins“ und der gezeigten körperlichen Abwehr erfolgten Vaginalpenetration, und aus der Persönlichkeit des Angeklagten abgeleitet (US 6 und 8). Dass die von den Tatrichtern gezogenen Schlüsse dem Beschwerdeführer nicht überzeugend erscheinen und auch für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich wären, stellt den herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht dar (RIS‑Justiz RS0099455, RS0098400).
Soweit die Rüge in diesem Zusammenhang eigene Überlegungen zur Glaubwürdigkeit des Angeklagten und zur Unglaubwürdigkeit der Zeuginnen C***** S***** und M***** U*****, zur „falschen“ Beurteilung unterlassener Hilfeschreie des Opfers und zu dessen Nachtatverhalten (persönliche und telefonische Kontakte mit dem Angeklagten, „sehr späte“ Anzeigeerstattung) anstellt, zeigt sie keinen Begründungsmangel auf, sondern bekämpft lediglich die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld. Im Übrigen legt sie damit auch keine unerörtert gebliebenen Tatumstände (Z 5 zweiter Fall) dar, die die Aufrichtigkeit des Opfers ernsthaft in Frage stellen könnten und mit denen sich das Gericht nicht auseinandergesetzt hat (vgl RIS‑Justiz RS0119422, RS0106588).
Der Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung, wonach der Angeklagte (auch) um die Grunderkrankung der – auf den Rollstuhl angewiesenen (US 3) – C***** S***** wusste (US 5), spricht keinen entscheidenden – also für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage relevanten (vgl RIS‑Justiz RS0117264, RS0117499) – Umstand an.
Die Konstatierung, wonach der Angeklagte wusste, dass bei einem gegen den Willen des Opfers durchgeführten Geschlechtsverkehr sowohl psychische als auch physische Verletzungen eintreten können (US 5), leitete das Schöffengericht zulässig (vgl erneut RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882) aus dem äußeren Geschehensablauf, der allgemeinen Lebenserfahrung und der Person des Angeklagten ab (US 8). Mit der bloßen Bestreitung der insofern maßgeblichen Erwägungen der Tatrichter wird das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte infolge seiner individuellen geistigen Verhältnisse zur Tatzeit nicht wie jedermann in der Lage gewesen wäre, den durch das konstatierte Tatverhalten eingetretenen Erfolg und – in den wesentlichen Zügen – den zu ihm führenden Kausalverlauf zu erkennen, welche Negativfeststellungen zur Erfolgszurechnung (im Sinn des § 7 Abs 2 StGB) indizieren würden, von der Rüge nicht behauptet (vgl zum Ganzen Burgstaller/Schütz in WK 2 StGB § 7 Rz 21 ff, 27; RIS‑Justiz RS0088909, RS0089151, RS0088955 [T2]).
Die Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10), die zu II./ eine Unterstellung der Tat bloß nach § 201 Abs 1 StGB reklamiert, weil Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Ansehung der Vorhersehbarkeit der schweren Verletzungsfolgen fehlen würden, orientiert sich nicht an der Urteilskonstatierung, wonach sich der Angeklagte bei der Tatbegehung mit einer Gesundheitsschädigung im psychischen Bereich im Sinn einer länger als 24 Tage andauernden posttraumatischen Belastungsstörung abfand (US 5), sondern argumentiert prozessordnungswidrig auf Basis eigener Erwägungen, warum diese Konstatierung unplausibel erscheint (RIS‑Justiz RS0099810 [T25]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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