OGH 2Ob124/19b

OGH2Ob124/19b30.3.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj D***** R*****, geboren am ***** 2002, vertreten durch die Eltern B***** und F***** R*****, alle *****, vertreten durch Mag. Johannes Polt, Rechtsanwalt in Horn, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei mj F***** G*****, geboren am ***** 2002, vertreten durch die Mutter S***** S*****, beide *****, vertreten durch Mag. Daniela Hübner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Gruber Partnerschaft KG in Wien, wegen 15.861,12 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. März 2019, GZ 12 R 72/18y‑28, womit infolge Berufung der klagenden Partei und des Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 14. Juni 2018, GZ 5 Cg 91/17f‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00124.19B.0330.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.411,20 EUR (darin 235,20 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der damals 15‑jährige Kläger absolvierte in der von der beklagten Partei betriebenen Fahrschule die Ausbildung zum Erwerb einer Lenkberechtigung der Klasse AM („Mopedführerschein“). Im Zuge des praktischen Teils der Fahrausbildung wurden nicht alle im Lehrplan vorgesehenen Bremsübungen durchgeführt. Der Fahrlehrer hatte seinen Schülern jedoch erklärt, dass man Voll‑ und Gefahrenbremsungen vermeiden solle, weil sie zum Sturz führen würden. Nach dem Ende des Praxiskurses durften die Schüler, darunter der Kläger, auf dem Übungsgelände mit einem Beifahrer ein paar Runden drehen. Dabei machte der Kläger (grundlos) überraschend und bewusst eine Vollbremsung. Dadurch kam er zu Sturz und der Kläger sowie der Nebenintervenient als Beifahrer wurden verletzt. Der Kläger wusste, wie eine Vollbremsung durchgeführt wurde und es war ihm bewusst, dass er stürzen würde. Der Sturz wäre vermieden worden, wenn der Kläger, wie er das ohne Beifahrer geübt hatte, eine dosierte und abgeschwächte Bremsung durchgeführt hätte.

Der Kläger begehrte die Zahlung von 15.861,12 EUR sA an Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle künftigen Schäden aus dem Unfall. Er brachte – soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich – vor, der Unfall wäre unterblieben, wenn der Fahrlehrer die mit den Schülern im Ausbildungsplan vorgesehenen Bremsübungen mit Beifahrer durchgeführt hätte. Der Fahrlehrer habe die Fahrschüler während des Fahrens mit Beifahrer auch nicht ausreichend beaufsichtigt. Die beklagte Partei habe dadurch ihre Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt.

Die beklagte Partei wendete ein, sie habe alle sie im Rahmen der Ausbildung treffenden Sorgfaltspflichten eingehalten. Der Kläger habe unter Missachtung der zuvor erteilten Anleitungen und Weisungen und der vermittelten Fähigkeiten aus Übermut den Sturz verursacht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Vorzeigen und Üben einer Voll‑ oder Gefahrenbremsung mit Beifahrer sei im Lehrplan nicht vorgesehen gewesen. Der Umstand, dass der Fahrlehrer mit den Schülern die im Lehrplan vorgesehene Zielbremsung mit Beifahrer nicht geübt habe, sei ebensowenig unfallkausal gewesen, wie die unterbliebene Beaufsichtigung nach Ende der Übungsstunde. Eine Haftung der beklagten Partei sei daher zu verneinen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach zunächst aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht teilte die Ansicht des Erstgerichts zur fehlenden Kausalität der behaupteten Pflichtverletzungen und führte ergänzend aus, der Fahrlehrer habe auch nicht damit rechnen müssen, dass sich der Kläger nicht an die im Rahmen der Ausbildung erteilte Anweisung halten würde, Vollbremsungen wegen der Sturzgefahr zu vermeiden.

Über Antrag des Klägers ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision nachträglich mit der Begründung zu, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Oberste Gerichtshof eine Haftung wegen Verletzung des Ausbildungsvertrags bejahe.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen; in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der Zulassungsbegründung noch in der Revision wird eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt:

1. Eine Unterlassung ist dann für den Schadenserfolg kausal, wenn die Vornahme einer bestimmten aktiven Handlung das Eintreten des Erfolgs verhindert hätte (RS0022913). Die Beweislast dafür, dass bei pflichtgemäßem Verhalten der Schaden nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten (vgl 2 Ob 277/08m; RS0022900 [T5 und T11]. Dabei geht es um die Klärung strittiger Tatfragen. Das Ergebnis dieser Prüfung ist als in dritter Instanz unanfechtbare Tatsachenfeststellung zu werten (vgl 5 Ob 182/17a; RS0022706 [T5]).

2. Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall ist – von unvertretbaren Fehlbeurteilungen abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0118891 [T4, T5]).

Das Berufungsgericht hat die (teilweise dislozierten) erstinstanzlichen Feststellungen erkennbar dahin ausgelegt, dass auch das Vorzeigen und Üben der Zielbremsung mit Beifahrer den Unfall nicht verhindert hätte. Damit hat es den ihm zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Dass der Unfall unterblieben wäre, wenn der Fahrlehrer mit den Schülern eine – im Lehrplan grundsätzlich ebenfalls vorgesehene – Gefahrenbremsung ohne Beifahrer geübt hätte, hat der Kläger in erster Instanz nicht vorgebracht. Dass der Fahrlehrer nach den Feststellungen des Erstgerichts auch dann, wenn er die Fahrt des Klägers überwacht hätte, nicht unfallverhindernd eingreifen hätte können, gesteht der Kläger in der Revision selbst zu.

3. Die in der Revision als erheblich angesehene Frage einer Anwendung der Grundsätze des prima‑facie‑Beweises (vgl RS0040274; RS0040266) stellt sich im vorliegenden Fall nicht, weil der tatsächliche Kausalverlauf feststeht. Zu Fragen des Beweismaßes (vgl RS0022900) äußert sich der Kläger in seinem Rechtsmittel nicht.

4. Ausgehend davon entspricht die Ansicht des Berufungsgerichts, eine Haftung der beklagten Partei für die unfallbedingten Verletzungen des Klägers scheide schon mangels Kausalität der behaupteten Pflichtverletzungen aus, der dargelegten Rechtsprechung.

5. Da es somit der Lösung von Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht bedarf, ist die Revision zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Ein Streitgenossenzuschlag gebührt nicht, weil sich der Nebenintervenient nicht am Revisionsverfahren beteiligt hat (RS0036223).

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