OGH 27Ds1/19g

OGH27Ds1/19g30.1.2020

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 30. Jänner 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm als weiteren Richter und durch die Rechtsanwälte Dr. Hausmann und Mag. Vas als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin AAss Pelikan in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt über die

Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 21. März 2018, AZ D 11/15, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, des Kammeranwalts Dr. Meyenburg, des Disziplinarbeschuldigten und seines Verteidigers Prof. Dr. Wennig zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0270DS00001.19G.0130.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Berufung des Disziplinarbeschuldigten wird das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, in seiner rechtlichen Beurteilung des vom Schuldspruch erfassten Sachverhalts (auch) als Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt, demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt, dass über den Disziplinarbeschuldigten für das ihm weiterhin zur Last liegende Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt eine Geldbuße in Höhe von 1.000 Euro verhängt wird.

Im Übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Disziplinarbeschuldigte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Disziplinarbeschuldigte der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.

Danach hat er selbst oder durch von ihm beauftragte bzw unterstellte Angestellte der ***** Rechtsanwälte GmbH durch eine Personenabfrage gemäß § 6 Grundbuchsumstellungsgesetz (GUG) im Grundbuch am 17. September 2014 betreffend im Eigentum von Rechtsanwältin ***** stehende Liegenschaften, nämlich

- ***** 01010 Neubau BLNR 15

- ***** 01006 Landstraße BLNR 8, 9, 10 und 13

- ***** 01107 Simmering BLNR 3

Einsicht erlangt und Auszüge hierüber angefertigt, ohne jedoch über die hierfür gesetzlich bestimmten Voraussetzungen einer solchen Abfrage (Erbenmachthaber, rechtskräftiger Titel zur Forderungsbetreibung, Ermächtigung durch den Eigentümer) zu verfügen und diese Auszüge im Verfahren vor dem Handelsgericht Wien, AZ *****, am 23. September 2014 als Beilage ./44 vorgelegt.

Über den Disziplinarbeschuldigten wurde gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt die Disziplinarstrafe einer Geldbuße in der Höhe von 2.000 Euro ausgesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Schuldsprüche richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit (Z 5, der Sache nach auch Z 9 lit a und 10; vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) sowie wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe.

Der Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit kommt teilweise Berechtigung zu:

Vorauszuschicken ist, dass die – nur teilweise bezeichneten – ersichtlich unter einem mit der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld der Sache nach relevierten Nichtigkeitsgründe teils nicht getrennt dargestellt werden. Unklarheiten, die durch diese Art der Rechtsmittelausführung bedingt sein könnten, gehen zu Lasten des Berufungswerbers, dem es obliegt, die einzelnen Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen und insbesondere jene Tatumstände, die einen Nichtigkeitsgrund bilden sollen, ausdrücklich oder doch durch deutliche Hinweisungen anzuführen (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO; RIS‑Justiz RS0100183).

Soweit die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall, der Sache nach auch Z 10) ersichtlich in Ansehung der unter § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt erfolgten Subsumtion des inkriminierten Verhaltens fehlende Feststellungen und auch eine darauf bezogene mangelnde Begründung zur Kenntniserlangung der (ersichtlich im Verfahren AZ ***** des Handelsgerichts Wien einschreitenden) Richterin und sonstiger Personen über die Unrechtmäßigkeit der Erlangung der vorgelegten Ergebnisse der im Grundbuch durchgeführten Namensabfrage releviert, ist sie im Recht.

Für die vom Disziplinarrat neben der rechtlichen Beurteilung als Berufspflichtenverletzung getroffene rechtliche Annahme (auch) einer Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes bieten die getroffenen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis keine tragfähige und nach dem Akteninhalt auch nicht indizierte Grundlage, lässt sich doch allein aus der Vorlage der (keinen Hinweis auf deren Erlangung durch eine Namensabfrage enthaltenden [vgl Beilage ./1 im Beilagenverzeichnis des Disziplinarrats]) Grundbuchsauszüge nicht erkennen, ob diese (fallbezogen) unzulässig durch eine Namensabfrage, oder allenfalls auf rechtlich korrektem Weg, etwa mittels Einzelabfrage, erlangt wurden. Damit blieb aber das durch unzulässiges Abfrageverhalten bedingte Fehlverhalten des Disziplinarbeschuldigten dem von der Vorlage Kenntnis erlangenden Personenkreis verborgen, weshalb Ehre und Ansehen des Standes durch die festgestellte Tat nicht betroffen sind (RIS‑Justiz RS0054876 [insbesondere T9], RS0055086 [insbesondere T3]).

Auf das weitere – die Subsumtion unter § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt kritisierende – Vorbringen einzugehen, erübrigt sich somit.

Die – ersichtlich auch die Subsumtion unter das Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt betreffenden – Ausführungen (der Sache nach Z 9 lit a), der Disziplinarbeschuldigte hätte gemäß § 5 Abs 4 zweiter Satz GUG, wonach Abschriften und Mitteilungen aus dem Personenverzeichnis (auch) denjenigen Personen, die ein rechtliches Interesse daran darlegen, in dem dadurch gerechtfertigten Umfang zu erteilen sind, jedenfalls auch durch einen entsprechenden Antrag beim Grundbuchsgericht die fallbezogen aus eigenem erlangten und inkriminierten Informationen erhalten und solcherart „nichts Verbotenes getan, sondern lediglich den Behördenweg abgekürzt“, bilden bloße Spekulationen über – tatsächlich so nicht festgestellte, vom Disziplinarbeschuldigten auch nicht behauptete – Alternativszenarien.

Mangels Festhaltens am konstatierten Sachverhalt wird der Anfechtungsrahmen einer Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt (RIS‑Justiz RS0099810, RS0099025).

Daran vermag auch der erstmals in der Rechtsmittelschrift erfolgte Verweis auf jeweils nach dem Disziplinarerkenntnis vom 21. März 2018 in vergleichbaren Fällen beim Bezirksgericht Favoriten und beim Bezirksgericht Purkersdorf gestellte – in der Folge bewilligte – Anträge auf Einsicht und Erteilung von Abschriften aus dem Personenverzeichnis gemäß § 5 Abs 4 GUG nichts zu ändern.

Unter dem Aspekt der ersichtlich unter einem mit der Berufung wegen Nichtigkeit ausgeführten Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld zum verbleibend relevanten Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung (§ 1 Abs 1 erster Fall DSt) vermögen die allgemeinen Ausführungen des Disziplinarbeschuldigten, wonach er die Voraussetzungen für eine Namensabfrage im Grundbuch irrtümlich falsch in Erinnerung hatte, keine Umstände aufzuzeigen, die geeignet wären, Zweifel an der von Verschulden ausgehenden Beurteilung durch den Disziplinarsenat (ES 5) zu begründen. Im Übrigen reicht bereits fahrlässiges Handeln für disziplinäres Verhalten aus und indiziert die objektive Sorgfaltswidrigkeit eines Verhaltens dessen subjektive Sorgfaltswidrigkeit (Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/ Vitek , RAO 10 § 1 DSt Rz 7 f; Burgstaller/Schütz in WK 2 § 6 Rz 90).

Konkrete Hinweise, dass der Disziplinarbeschuldigte fallbezogen den objektiven Sorgfaltsanforderungen nicht zumutbar nachkommen konnte oder an einer rechtzeitigen Überprüfung der rechtlichen Voraussetzungen für die Erlangung der inkriminierten Namensabfragen gehindert gewesen wäre, werden nicht aufgezeigt.

Das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher in teilweiser Stattgebung der Berufung wegen Nichtigkeit in der Subsumtion der Tat unter das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (§ 1 Abs 1 zweiter Fall DSt) ersatzlos sowie demzufolge im Strafausspruch aufzuheben.

Bei der demgemäß erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof keinen Umstand als erschwerend, die disziplinäre Unbescholtenheit, den Beitrag zur Wahrheitsfindung und das lange Zurückliegen der Tat hingegen ebenso als mildernd wie die unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer (§ 34 Abs 2 StGB). Aufgrund letztgenannten Umstands erschien anstelle einer mit 1.500 Euro auszumessenden Geldbuße eine solche in der Höhe von 1.000 Euro angemessen (vgl RIS‑Justiz RS0114926) und den – mangels Angaben des Beschuldigten mit einem Durchschnittswert anzunehmenden – Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Beschuldigten entsprechend (§ 16 Abs 6 DSt).

Im Übrigen war – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, insoweit jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung – der Berufung wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld keine Folge zu geben und der Disziplinarbeschuldigte mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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