European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00105.19P.1219.000
Spruch:
Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.417,33 EUR (darin 402,89 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist zu 32 % Gesellschafterin der Beklagten, die Nebenintervenientin hält die restlichen 68 % der Geschäftsanteile. Die Beklagte betreibt allein in Österreich ein Filialnetz von Drogeriemärkten mit rund 400 Filialen.
Die klagende Partei ist eine Konzerngesellschaft des S*****‑Konzerns. Die Beteiligung der S*****‑Gruppe an der Beklagten erfolgte im Jahr 1981. Der S*****‑Konzern betreibt Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte, insbesondere Supermärkte, hingegen keine Drogeriefachmärkte. Das Sortiment der Supermärkte umfasst allerdings zum Teil auch Produkte, die in Drogeriefachmärkten angeboten werden.
Nach § 9 des Gesellschaftsvertrags der beklagten Partei werden Beschlüsse, soweit der Gesellschaftsvertrag oder das Gesetz nichts anderes bestimmt, mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst (§ 9 Abs 6). Außer den im Gesetz vorgesehenen Aufgaben hat die Generalversammlung über ein jährliches Budget inklusive Investitionsplan zu beschließen (§ 9 Abs 6 Satz 2). Die Beschlussfassung über den jährlichen Investitionsplan bedarf einer Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen, sofern darin Investitionen enthalten sind, deren gemeinsame Summe 2 % des Bruttoumsatzes des Vorjahres übersteigt (§ 9 Abs 7 lit d).
Am 27. 2. 2018 fand eine außerordentliche Generalversammlung der Beklagten statt, bei der der Antrag der Nebenintervenientin zur Abstimmung gelangte, wonach „die Gesellschafter gemäß § 9 Abs. 6 iVm § 9 Abs. 7 lit d des Gesellschaftsvertrags das Budget inklusive Investitionsplan für das Geschäftsjahr 2017/2018 so wie von der Geschäftsführung vorgelegt [beschließen]“. Die Schwelle für die qualifizierte Mehrheit war bei der Beschlussfassung am 27. 2. 2018 überschritten. Die Klägerin stimmte gegen den Antrag, die Nebenintervenientin dafür. Der Vertreter der Nebenintervenientin, der mehrheitlich zum Vorsitzenden der Generalversammlung bestellt worden war und bei dieser Abstimmung ein Stimmverbot und eine treuwidrige Stimmabgabe durch die Klägerin geltend gemacht hatte, traf keine Feststellung, ob der Antrag nun angenommen oder abgelehnt worden war. Sowohl die Klägerin als auch die Nebenintervenientin gaben jeweils einen Widerspruch zu Protokoll.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der genannte Beschlussantrag der Nebenintervenientin mangels erforderlicher Mehrheit abgelehnt worden sei, sodass ein Beschluss über das Budget der Beklagten für 2017/2018 nicht zustande gekommen sei. Die Nebenintervenientin habe zu Unrecht versucht, ihr das Stimmrecht abzusprechen. Es gebe keine Bestimmungen des Kartell- oder Wettbewerbsrechts, die einem Gesellschafter das Stimmrecht absprechen könnten; außerdem käme kartell- oder wettbewerbsrechtlichen Verboten kein Vorrang vor Gesellschafterrechten zu. Die Klägerin sei als Holding keine Wettbewerberin; ihre Konzerngesellschaften seien vorwiegend in einem anderen Bereich, nämlich im Lebensmittelhandel tätig. Jedem Gesellschafter komme grundsätzlich ein Stimmrecht zu, ohne Rücksicht darauf, ob er Wettbewerber sei. Im Übrigen habe die Nebenintervenientin seit 35 Jahren noch nie ein Stimmverbot geltend gemacht und schon gar nicht mit Hinweis auf angebliche Wettbewerbsverhältnisse. Die Geltendmachung eines Stimmverbots sei rechtsmissbräuchlich, weil damit früherem Verhalten zuwider gehandelt werde. Die Stimmabgabe durch die Klägerin sei auch nicht treuwidrig erfolgt; sie habe gute und sachliche Gründe für die Ablehnung des Beschlussantrags gehabt. Der Geschäftsführung sei es nicht gelungen, sie von der Sinnhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit der Investitionen zu überzeugen. Erstmalig würden die Investitionen die Einnahmen aus der laufenden Geschäftstätigkeit übersteigen. Eine begehrte Renditenberechnung der Auslandsgesellschaften sei nicht vorgelegt worden. Im Übrigen seien die von der Beklagten und der Nebenintervenientin erhobenen Einwendungen verfristet: Die Nebenintervenientin hätte binnen eines Monats vom Tag der Absendung der Kopie der Niederschrift eine Anfechtungsklage erheben müssen.
Die Beklagte und die Nebenintervenientin wendeten ein, die Klägerin habe trotz eines sie betreffenden Stimmverbots ihre Stimme abgegeben und darüber hinaus treuwidrig abgestimmt. Die Klägerin gehöre zum S*****‑Konzern. Dieser sei als Wettbewerber der Beklagten einzustufen, weil sich deren Sortiment zum überwiegenden Teil überschneide. Käme der Klägerin ein Stimmrecht beim Investitionsplan zu, könnte sie massiv in das Investitionsverhalten der Beklagten und somit in einen zentralen Bestandteil des Marktverhaltens eines Wettbewerbers eingreifen und das Investitionsverhalten zugunsten des S*****-Konzerns steuern. Die Teilnahme der Klägerin an der Abstimmung zu diesem Beschlussantrag stelle eine kartell- und wettbewerbsrechtlich unzulässige abgestimmte Verhaltensweise dar. Darüber hinaus bestehe bei der Klägerin ein evidenter Interessenskonflikt, liege doch aus deren Sicht ein erhebliches Interesse vor, das Investitionsverhalten der Beklagten zu beeinträchtigen, um sich als Gesellschaft innerhalb des S*****-Konzerns einen Vorteil zu verschaffen. Ein Interessenskonflikt, der zu einem Stimmverbot führe, liege bereits bei bloß mittelbarer Betroffenheit vor. Abgesehen davon habe der Beschlussgegenstand auch die Vornahme von Rechtsgeschäften mit einer Gesellschaft des S*****-Konzerns umfasst. In der außerordentlichen Generalversammlung sei die Klägerin nicht bereit gewesen, zumindest vollkommen unstrittige Teilbereiche des Investitionsplans zu genehmigen, sondern habe treuwidrig ihre Zustimmung von einem Gesamtpaket inklusive Gewinnausschüttung abhängig gemacht. Der zur Beschlussfassung vorgelegte Investitionsplan entspreche dem branchenüblichen Ausmaß und den in der Vergangenheit beschlossenen Investitionen. Die teilweise Thesaurierung erzielter Gewinne sei für die weitere Entwicklung der Beklagten unumgänglich. Ein an den Interessen der Gesellschaft orientierter Gesellschafter hätte nicht gegen das von der Gesellschaft vorgelegte Budget inklusive Investitionsplan gestimmt, sondern sich zumindest der Stimme enthalten. Es habe keinen Grundsatz gegeben, die Jahresgewinne immer zur Gänze auszuschütten. Abgesehen davon unterscheide der Gesellschaftsvertrag mit unterschiedlichen Mehrheitserfordernissen zwischen Budget und Investitionsplan. Für die Beschlussfassung über das Budget reiche einfache Stimmenmehrheit aus.
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht sprach darüber hinaus aus, dass die ordentliche Revision zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die vorliegende Feststellungsklage gegen die Mehrheitsgesellschafterin als weitere beklagte Partei zu richten gewesen wäre, sowie zur Frage, ob bei einer unterbliebenen Feststellung des Abstimmungsergebnisses durch den Vorsitzenden der Generalversammlung Einwendungen nur fristgebunden mittels Anfechtungsklage erhoben werden können.
In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, aufgrund der inhaltlichen Nähe der vorliegenden und mangels Ergebnisfeststellung durch den Vorsitzenden zulässigen Feststellungsklage zur Anfechtungsklage nach § 41 GmbHG sei § 42 Abs 5 und 6 GmbHG analog heranzuziehen, sodass auch hier eine Rechtskrafterstreckung eines klagsstattgebenden Urteils anzunehmen sei. Die Klägerin sei keinem Stimmverbot unterlegen, ihre Stimmabgabe sei auch nicht treuwidrig gewesen. Der Einwand, diese Stimmabgabe habe außerdem kartell- und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften widersprochen, gehe ins Leere, weil bei Berücksichtigung der Stimme der Klägerin gerade kein Beschluss zustande gekommen sei; eine abgestimmte Verhaltensweise sei somit gerade nicht anzunehmen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen der Beklagten und der Nebenintervenientin sind zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie sind aber nicht berechtigt.
1. Zur fehlenden Beschlussfeststellung
1.1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs schadet der Umstand, dass in der Generalversammlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kein Vorsitzender gewählt und das Beschlussergebnis selbst nicht ausdrücklich im Protokoll festgehalten wurde, grundsätzlich nicht. Ist keine Ergebnisfeststellung erfolgt, ist der Gesellschafterbeschluss dennoch wirksam, weil die Feststellung – im Unterschied zum Aktienrecht – gerade kein Wirksamkeitserfordernis ist. Allerdings kann die (vorläufige) Verbindlichkeit eines Gesellschafterbeschlusses nur dann eintreten, wenn alle Gesellschafter zumindest am Ende der Generalversammlung ein bestimmtes Beschlussergebnis übereinstimmend zugrunde legten (1 Ob 61/97w; 6 Ob 53/06x). Nichts Anderes kann für den Fall gelten, dass zwar ein Vorsitzender gewählt wurde, dieser aber eine Ergebnisfeststellung unterlässt (vgl 6 Ob 183/18g GesRZ 2019, 272 [Kalss]: „Mangelt es an der Feststellung eines bestimmten Beschlussergebnisses durch einen kraft Gesellschafterbeschlusses eindeutig legitimierten Vorsitzenden ...“).
1.2. Im vorliegenden Fall traf der Vorsitzende hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Beschlusses keine Ergebnisfeststellung, nachdem die Klägerin gegen den Antrag der Nebenintervenientin, diese jedoch dafür gestimmt hatte. Daraufhin gaben beide Gesellschafterinnen Widerspruch zu Protokoll. Daraus folgt aber, dass die Gesellschafterinnen am Ende der Generalversammlung ein bestimmtes Beschlussergebnis gerade nicht übereinstimmend zugrunde legten. Von einer Beschlussfassung im Sinn der Antragstellung der Nebenintervenientin kann somit nicht ausgegangen werden; der Antrag wurde aber auch nicht abgelehnt (so auch Rastegar, Rechtsfolgen der Verletzung von Stimmrechtsschranken in AG und GmbH, GesRZ 2019, 321 [323]).
1.3. Der erkennende Fachsenat hat in der Entscheidung 6 Ob 183/18g ausgeführt, das GmbHG sehe keine Regelung zur formellen Beschlussfeststellung vor. Mangelt es an der Feststellung eines bestimmten Beschlussergebnisses durch einen kraft Gesellschafterbeschlusses eindeutig legitimierten Vorsitzenden oder gingen die Gesellschafter bei Schluss der Generalversammlung nicht übereinstimmend von einem bestimmten Beschlussergebnis aus, so sei die Feststellungsklage ein geeignetes Mittel zur Klärung der Frage, was eigentlich beschlossen wurde. Der Beschluss gelte diesfalls als angenommen oder abgelehnt, wie es der materiellen Rechtslage entspricht. Bei einer solchen Sachlage bedarf es daher keiner Anfechtungsklage gemäß § 41 GmbHG (1 Ob 61/97w). Somit hat die Klägerin zutreffend eine Ergebnisfeststellungsklage erhoben.
2. Zur Einordnung der Beschlussfeststellungsklage
2.1. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bislang ungeklärt ist, ob es sich bei dieser Feststellungsklage um eine solche nach § 228 ZPO, die nur Wirkung zwischen den Streitparteien entfaltet, oder um eine isolierte Beschlussfeststellungsklage mit Wirkung erga omnes handelt (Linder in FAH, GmbHG [2017] § 41 Rz 168). Von der Beantwortung dieser Frage, also der Frage der Rechtskrafterstreckung, hängt es ab, ob der Gesellschafter die Klage nur gegen die Gesellschaft oder (auch) die Mitgesellschafter erheben muss.
2.2. Nach der Rechtsprechung müssen Klagen aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen Gesellschaftern immer sämtliche Gesellschafter erfassen (RS0022165); der Beitritt als Nebenintervenient durch einen Gesellschafter reicht nicht aus (RS0022165 [T2]). Dies gilt nicht nur für Rechtsgestaltungsklagen, sondern nach allgemeinen Grundsätzen immer dann, wenn das den Streitgenossen gemeinschaftliche Rechtsverhältnis seiner Natur nach nur gegen oder für alle Beteiligte festgestellt werden kann, weil sonst die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Entscheidungen bestünde (RS0022165 [T9]). Im Gesellschaftsrecht wird ein solcher Zusammenhang beispielsweise dann angenommen, wenn die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses strittig ist (RS0022165 [T10]). Diese Rechtsprechung bezog sich jedoch immer auf Gesellschafterbeschlüsse von Personengesellschaften.
2.3. Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung stellt sich die Frage, ob einer Beschlussfeststellungsklage, die grundsätzlich nach § 228 ZPO erhoben wird und somit nur die Streitparteien binden würde, eine Rechtskrafterstreckung analog zu § 42 Abs 6 GmbHG zuzuerkennen ist, in welchem Fall sie nicht nur gegen die beklagte Gesellschaft, sondern auch gegen die Mitgesellschafter wirken würde.
2.4. In der Literatur wird eine analoge Rechtskrafterstreckung überwiegend befürwortet. Sie liege im Interesse der Rechtssicherheit, weil so eine gegenüber sämtlichen Gesellschaftern verbindliche und abschließende Klarstellung des Beschlussergebnisses herbeigeführt werden könne (Gellis/Feil, GmbHG7 [2009] § 41 Rz 12).
2.5. Nach Thöni (Zur prozessualen Beseitigung unklarer Beschlussergebnisse im GmbH-Recht, ÖJZ 6/2002, 215) wäre es wertungswidersprüchlich, wollte man auf der einen Seite – ein der Aktiengesellschaft ähnliches Rechtssicherheitsbedürfnis bejahend – die Anfechtungsklage in das GmbH-Recht einführen und zugleich auf der anderen Seite – dem Rechtssicherheitsbedürfnis in der GmbH einen wesentlich geringeren Stellenwert beimessend – einen nicht unbeachtlichen Teil der rechtssichernden Wirkung der §§ 41 f GmbHG wieder zunichte machen, indem man bei Unklarheit des Beschlussergebnisses, einer in der GmbH nicht seltenen Konstellation, nur eine inter partes wirkende Feststellungsklage für zulässig erachtete. Die rechtsgestaltende Beschlussfeststellungsklage erscheine daher auch für das österreichische GmbH-Recht als geeigneter Rechtsbehelf, wenn eine förmliche Ergebnisfeststellung durch einen dazu legitimierten Versammlungsleiter unterblieben und das Beschlussergebnis am Ende der Generalversammlung unter den Gesellschaftern streitig geblieben ist. Die Auffassung, nach der eine Klarstellung unklarer Beschlussergebnisse prozessual lediglich mittels regulärer, inter partes wirkender Feststellungsklage nach § 228 ZPO erzielt werden kann, könne heute auch deshalb als überholt gelten, weil die mit Gestaltungs- und Rechtskraftwirkung ausgestattete positive Beschlussfeststellungsklage im österreichischen Recht bereits allgemein als etabliert gilt.
2.6. Weiters wird argumentiert, dass die Interessenlage bei der isolierten Feststellungsklage jenen Fällen gleicht, in denen Beschlussfeststellung mit Beschlussanfechtung einhergeht, weshalb wegen derselben Interessenlage und der engen Verwandtschaft eine analoge Rechtskrafterstreckung gerechtfertigt sei (Linder in FAH, GmbHG § 41 Rz 168).
2.7. Auch Rüffler (Beschlussmängelrecht der GmbH, in Artmann/Rüffler/Torggler, Beschlussmängel [2018] 68) spricht sich für eine analoge Anwendung des § 42 GmbHG aus, müsste sich die Feststellungsklage ansonsten doch gegen alle Gesellschafter richten, was mit der Grundentscheidung des Gesetzes, dass Beschlussmängelstreitigkeiten mit der Gesellschaft selbst auszutragen sind, nicht zusammenpassen würde.
2.8. Gegen eine rechtsgestaltende Wirkung der Beschlussfeststellungsklage spricht sich lediglich Koppensteiner (Rechtswidrige Stimmabgabe, Beschlussmängel und positive Beschlussfeststellung, GesRZ 3/2019, 132 [134]) aus.
2.9. Die in der Literatur angeführten Argumente sprechen für eine rechtsgestaltende Wirkung durch analoge Anwendung des § 42 Abs 6 GmbHG. Es war somit nicht notwendig, die Klage auch gegen die Nebenintervenientin als Mitgesellschafterin zu richten, was bereits das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat (§ 510 Abs 3 ZPO).
2.10. Die Gegenargumente der beiden Revisionen überzeugen nicht, insbesondere die Argumentation, dass dieselbe Rechtsfolge auch auf anderem Weg, nämlich durch die Klage gegen alle Gesellschafter, erreicht werden könnte. Dies würde ja ebenso für die „normale“ positive Feststellungsklage gelten. Genauso wenig ist anzunehmen, dass in diesem Fall keine Nebenintervention möglich wäre, nur weil § 42 GmbHG nicht anwendbar ist. § 17 ZPO wäre jedenfalls anwendbar. Auch zu § 42 GmbHG wird vertreten, dass andere als die genannten Personen selbstverständlich als Nebenintervenient beitreten können, wenn sie nach § 17 ZPO ein rechtliches Interesse daran haben (Baumgartner/Mollnhuber/U. Torggler in U. Torggler, GmbHG § 42 Rz 9). Zusammenfassend schadet es der Klägerin daher nicht, dass sie die Ergebnisfeststellungsklage lediglich gegen die Gesellschaft und nicht auch gegen die Mitgesellschafterin gerichtet hat.
3. Zur Befristung
3.1. Im Hinblick darauf, dass die vorliegende Klage binnen eines Monats nach der außerordentlichen Generalversammlung vom 27. 2. 2018 von der Klägerin gerichtsanhängig gemacht wurde, erübrigt sich die vom Berufungsgericht erörterte Frage einer allfälligen Fristgebundenheit der Ergebnisfeststellungsklage. Lediglich der Vollständigkeit halber sei hiezu ausgeführt:
3.2. Für die Auffassung, die Ergebnisfeststellungsklage könne aufgrund ihrer Nähe zur positiven Feststellungsklage, die zusammen mit einer Anfechtungsklage gemäß § 41 GmbHG erhoben werden muss, in analoger Anwendung von § 41 Abs 4 GmbHG nur innerhalb dieser Frist erhoben werden, würde zwar sprechen, dass die Sachverhalte der Ergebnisfeststellungsklage und der positiven Beschlussfeststellungsklage sehr ähnlich sind und es möglicherweise keine sachliche Rechtfertigung gibt, in Fällen, in denen bloß kein Beschlussergebnis festgehalten wurde, eine längere Frist zur Bekämpfung zu gewähren.
3.3. Auch Thöni (ÖJZ 6/2002, 215) meint, dass die Erhebung der Klage zeitlich befristet sein sollte. Die Erhebung einer isolierten Beschlussfeststellungsklage müsse im Unterschied zur positiven Beschlussfeststellungsklage nicht binnen der Anfechtungsfrist des § 41 Abs 4 GmbHG erfolgen; sie sei aber auch nicht unbefristet zulässig. Das wäre mit dem rechtssichernden Zweck der §§ 41 f GmbHG unvereinbar. Das Recht auf Ergebnisfeststellung unterliege vielmehr den Beschränkungen, die sich aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und dem Verbot des venire contra factum proprium ergeben. So könne sich ein Gesellschafter durch die nachträgliche Erhebung einer Feststellungsklage in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten setzen, wenn er in Kenntnis der Sachlage die Ausführung des Beschlusses hinnimmt und sich nicht binnen angemessener Frist dagegen wendet. Werde ein Beschluss von der „Mehrheit“ bzw von der Geschäftsführung als mit einem bestimmten Ergebnis gefasst angesehen, so gebiete die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, dass Gesellschafter, die davon Kenntnis haben, sich innerhalb angemessener Frist dagegen verwehren.
3.4. Gegen die Auffassung von Thöni spricht allerdings, dass eine „angemessene“ Frist rechtsunsicher wäre. Dagegen spricht außerdem, dass es – wie auch das Berufungsgericht ausführte – gerade keine Möglichkeit gibt, die Klage nach § 41 GmbHG geltend zu machen und die Frist nur dort ausdrücklich geregelt ist. Weiters kann für die Nichtanwendung der Frist die Rechtsprechung ins Treffen geführt werden, wonach die Frist des § 41 GmbHG nicht für die Geltendmachung der Nichtigkeit von Scheinbeschlüssen mit Feststellungsklage gemäß § 228 ZPO gilt (RS0111607).
3.5. Zudem würde eine analoge Anwendung der Frist nach § 41 GmbHG dazu führen, dass bei Verfristung der Klage letztlich immer noch nicht klar wäre, ob und in welcher Form der Beschluss nun gefasst wurde. Schließlich ist zu bedenken, dass unterschiedliche Ausgangssituationen zur Erhebung einer Beschlussfeststellungsklage führen können. Die Bandbreite der hier möglichen Fallgestaltungen reicht von wertungsmäßig der von § 41 GmbHG geregelten Konstellation nahestehenden Meinungsverschiedenheiten, die in oder unmittelbar nach der Generalversammlung auftreten, bis zu erst Jahre später auftretenden diesbezüglichen Streitigkeiten. Jedenfalls im letzteren Fall wäre eine Anknüpfung an das Datum der Generalversammlung nicht sachgerecht.
3.6. Weil somit nach dem Gesagten die vorliegende Klage jedenfalls rechtzeitig erhoben wurde, ist– anhand der materiellen Rechtslage – zu prüfen, ob der Antrag der Nebenintervenientin in der außerordentlichen Generalversammlung vom 27. 2. 2018 als angenommen oder als abgelehnt zu gelten hat.
4. Kartellverbot
4.1. Nach Art 101 AEUV sind mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken. Dies gilt „insbesondere“ unter anderem für die Einschränkung der Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen (Art 101 Abs 1 lit b AEUV).
4.2. Dem entspricht für den innerstaatlichen Bereich § 1 KartG. Eine Beschränkung des Wettbewerbs liegt vor, wenn eine Vereinbarung zwischen Unternehmern dazu führt, dass die Beteiligten marktrelevante Verhaltensmöglichkeiten, die sie ohne die Vereinbarung hätten, nicht mehr wahrnehmen können. Deren Entschließungsfreiheit und Betätigungsfreiheit soll vornehmlich im Interesse der Auswahlfreiheit und Wettbewerbsfreiheit Dritter unbeschränkt erhalten werden, sofern nicht die Beschränkung volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist (vgl zu § 10 KartG aF RS0063372).
4.3. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH beeinträchtigt ein Beschluss, eine Vereinbarung oder eine Verhaltensweise den Handel zwischen Mitgliedstaaten dann, wenn sich anhand einer Gesamtheit rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell die Handelsströme zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflussen, die die Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Markts hemmen könnte; außerdem darf diese Beeinträchtigung nicht nur geringfügig sein. Bei der Prüfung, ob ein Kartell den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar beeinträchtigt, ist dieses in seinem wirtschaftlichen und rechtlichen Gesamtzusammenhang zu untersuchen (4 Ob 48/17p; 16 Ok 4/13).
5. Zwischenstaatlichkeit
5.1. Entscheidendes Merkmal für die Anwendbarkeit von Art 101 AEUV ist die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels. Dieses Kriterium wird allerdings von der herrschenden Auffassung sehr weit ausgelegt und ist bereits dann erfüllt, wenn sich das Verhalten auf das gesamte Gebiet eines Mitgliedstaats erstreckt (vgl Leitlinien der Kommission über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Art 81 und 82 des Vertrags, ABl 2004 C‑101/81 Rz 78 ff). Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, die sich auf mehrere Mitgliedstaaten erstrecken, erfüllen jedenfalls das Kriterium der Zwischenstaatlichkeit (Leitlinien der Kommission aaO Rz 66 ff).
5.2. Bei Gemeinschaftsunternehmen, die wirtschaftliche Tätigkeiten in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten ausüben, ist „in der Regel ihrem Wesen nach“ davon auszugehen, dass sie geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (Leitlinien aaO Rz 67).
5.3. Im vorliegenden Fall sind sowohl d***** als auch die S*****‑Gruppe in mehreren Mitgliedstaaten tätig, sodass die Prüfung anhand von Art 101 AEUV zu erfolgen hat.
6. Vereinbarung bzw abgestimmtes Verhalten
6.1. Die beklagte Partei und die Nebenintervenientin argumentieren, auch anscheinend einseitige Maßnahmen könnten den Tatbestand der Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweisen erfüllen, wenn die Befugnis zur Vornahme der anscheinend einseitigen Maßnahmen zuvor im Wege einer Willenseinigung eingeräumt wurde.
6.2. Der Begriff der Vereinbarung wird in Art 101 AEUV nicht definiert. Eine Vereinbarung liegt nach herrschender Auffassung vor, wenn die Parteien ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (EuGH Rs 209/78, van Landewyck; Hengst in Langen/Bunte, Kartellrecht II13 Art 101 AEUV Rz 84 mwN). Voraussetzung und Kernelement für das Vorliegen einer Vereinbarung ist die Willensübereinstimmung der beteiligten Unternehmen über die Regelung ihres Marktverhaltens (Hengst aaO mwN). Entscheidend ist jedoch stets eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände (Hengst aaO Rz 85).
6.3. Der beklagten Partei ist zuzugeben, dass das Tatbestandsmerkmal der Vereinbarung nach der Rechtsprechung des EuGH auch Handlungsweisen erfasst, die auf den ersten Blick als einseitig qualifiziert werden könnten. Dies gilt insbesondere dann, wenn dem handelnden Unternehmen die Befugnis zur Vornahme der anscheinend einseitigen Maßnahme im Wege einer Vereinbarung eingeräumt wurde (EuGH C‑74/04 P Rz 37 ff, Kommission/VW II).
6.4. Daraus ist für den vorliegenden Fall jedoch nichts zu gewinnen. Wenngleich der Begriff der Vereinbarung weit auszulegen ist, darf mit einer weiten Auslegung nicht die Grenze zu einseitigem Verhalten verwischt werden, das nur der Einschränkung durch Art 102 AEUV unterliegt (EuGH C‑2/01 P – „Adalat“; Hengst aaO Rz 88). Zudem ergibt – wie im Folgenden zu zeigen sein wird – eine systematische Auslegung, dass Strukturmaßnahmen im Allgemeinen keiner nachträglichen Prüfung nach Art 101 AEUV unterliegen.
7. Verhaltensabstimmung
7.1. Der Tatbestand der abgestimmten Verhaltensweise ist eine Auffangregelung, die Formen der Verhaltenskoordinierung unterhalb von Vereinbarungen bzw Beschlüssen erfassen soll, die zu einem bewussten und gewollten Zusammenspiel zum Zwecke der Ausschaltung unternehmerischer Risken führen (Lager/Petsche in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG² § 1 Rz 25).
7.2. Einen wichtigen Teilaspekt der Verhaltensabstimmung bildet der Informationsaustausch (dazu Hengst aaO Rz 118) zwischen Unternehmen, da dieser in besonderem Maß geeignet ist, die Ungewissheit der Wettbewerber über das künftige Wettbewerbsverhalten zu verringern (EuGH Slg 1975, 1963, Zucker). Die für einen Informationsaustausch erforderliche Gegenseitigkeit wird bereits angenommen, wenn ein Wettbewerber seine Absichten oder sein künftiges Verhalten auf dem Markt einem anderen auf dessen Wunsch hin mitteilt oder dieser die Mitteilung auch nur akzeptiert (EuG T‑25/95, Cimenteries, Rz 1849; Hengst aaO Rz 119).
7.3. Allerdings ist auch bei der Prüfung einer Verhaltensabstimmung zu beachten, dass – wie zu zeigen sein wird – Strukturmaßnahmen im Allgemeinen keiner nachträglichen Prüfung nach Art 101 AEUV unterliegen.
8. Wettbewerbsverhältnis
8.1. Weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art 101 AEUV wäre zudem ein Wettbewerbsverhältnis zwischen S***** und d*****. Der betreffende Markt überschneidet sich jedoch nur in einem Teilbereich. Zwar ist gerichtsbekannt (§ 269 ZPO), dass im Lebensmitteleinzelhandel auch Non‑Food‑Produkte angeboten werden. Dabei werden unter dem Ausdruck „Non‑Food I“ solche Produkte bezeichnet, die typischerweise ebenfalls im Lebensmitteleinzelhandel erwartet werden, bei denen es sich aber nicht um Nahrungs- und Genussmittel handelt, wie zB Körperpflege‑, Wasch‑ und Reinigungsmittel, Tierfutter sowie Toilettenpapier etc. Nach Auffassung des Bundeskartellamts gehören Drogeriemärkte und Lebensmitteleinzelhandel nicht zum selben relevanten Markt (BKartA B2‑51/16, Rewe/Coop, Rz 98 mwN). Der Grund dafür liegt darin, dass von diesen Anbietern zwar für ihre Teilsortimente partieller Wettbewerbsdruck ausgehen mag, dieser aber – bezogen auf das Gesamtsortiment – nicht als erheblich angesehen werden kann (BKartA B2‑51/16, Rewe/Coop, Rz 98 mwN).
8.2. In der Entscheidung Edeka/Budnikowsky (BKartA, Fallbericht zur Freigabeentscheidung Edeka/Budnikowsky B2‑25/17) hat das Bundeskartellamt demgegenüber einen sachlichen Markt für den Einzelhandel mit Drogeriewaren angenommen, dessen Kern die Produkte des Non‑Food I‑Sortiments bilden. Da dieses Sortiment in vergleichbarem Umfang auch von Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels angeboten werde, seien diese ebenfalls als Wettbewerber zu sehen. Im Ergebnis gelangt das Bundeskartellamt allerdings zu einem abgestuften Wettbewerbsverhältnis, bei dem die Drogeriefachmärkte untereinander in einem engen Wettbewerbsverhältnis stehen, während die Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen Drogeriemärkten gegenüber entfernte Wettbewerber darstellen (BKartA aaO). Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an.
8.3. Zum Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses auf der Beschaffungs- bzw Nachfrageseite haben die Revisionswerberinnen im Verfahren erster Instanz kein konkretes Vorbringen erstattet, sodass schon aus diesem Grund darauf nicht weiter einzugehen ist.
9. Konzernprivileg
9.1. Art 101 AEUV enthält eine Verhaltenskontrolle, die eine wettbewerbsbeschränkende Koordinierung des Marktverhaltens zwischen Unternehmen verhindern soll. Das Kartellverbot erfasst Tatbestandshandlungen zwischen Unternehmen, nicht aber innerhalb eines Unternehmens. Maßgebendes Kriterium ist die Fähigkeit, sein Wettbewerbsverhalten autonom zu bestimmen (Lager/Petsche in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 1 Rz 47). Für die Abgrenzung ist der Unternehmensbegriff des Art 101 AEUV bzw § 1 KartG ausschlaggebend (Lager/Petsche aaO Rz 47).
9.2. Nach ständiger Rechtsprechung werden Maßnahmen zwischen herrschender und beherrschter Gesellschaft nicht von Art 101 AEUV erfasst, soweit die beherrschten Gesellschaften ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmen können, sondern Weisungen der beherrschenden Gesellschaft unterliegen. Die beherrschende Gesellschaft und die beherrschte Gesellschaft bilden unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Organisation eine wirtschaftliche Einheit und damit ein einheitliches Unternehmen im Sinne des Art 101 AEUV (EuGH Rs 170/83, Hydrotherm Gerätebau GmbH Rz 11, EU:C:1984:271).
9.3. Eine wirtschaftliche Einheit liegt nach gefestigter Entscheidungspraxis der Unionsorgane vor, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen zwischen diesen beiden Rechtssubjekten (EuGH C‑50/12, Kendrion Rz 29, EU:C:2013:771; EuGH C‑440/11 P, Stichting Administratiekantoor Portielje, EU:C:2013:514, uva; Hengst in Langen/Bunte, Kartellrecht II13 Art 101 AEUV Rz 43 mwN). Die betreffenden Gesellschaften müssen untereinander wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich so eng miteinander verflochten sein, dass dadurch die Möglichkeit einer einheitlichen Leitung (bestimmender Einflussnahme) eröffnet wird (EuGH 14. 7. 1972, Rs 48/69 , ICI, Rz 136 f, EU:C:1972:70).
9.4. Entscheidend ist, ob eine Gesamtbetrachtung aller wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen ergibt, dass die Muttergesellschaft bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft ausübt (EuGH C‑97/08 P, Akzo Nobel Rz 54, EU:C:2009:536; Hengst aaO Art 101 AEUV Rz 43 mwN).
9.5. Dabei reicht aus, wenn die Gesamtbetrachtung ergibt, dass die Mutter bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik (im weiteren Sinn) der Tochter ausübt (EuGH C‑97/08 P, Akzo Nobel). Im Verfahren Akzo Nobel hat die Generalanwältin in den Schlussanträgen (C‑97/08, EU:C:2009:262, Rz 92) beispielhaft den Einfluss der Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaften in Bezug auf Unternehmensstrategie, Betriebspolitik, Betriebspläne, Investitionen, Kapazitäten, Finanzausstattung, Humanressourcen und Rechtsangelegenheiten angeführt.
9.6. Strukturelle Verflechtungen zwischen einzelnen Gesellschaften bilden einen wichtigen Anhaltspunkt für das Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit. Je höher die Kapitalbeteiligung an einer Tochtergesellschaft ist, umso eher sprechen die Umstände dafür, dass auf das Verhalten der Tochtergesellschaft Einfluss genommen wird (Hengst aaO Rz 45).
9.7. In dem Fall, dass eine Muttergesellschaft das (nahezu) gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft hält, besteht eine widerlegbare Vermutung für die tatsächliche Ausübung des Einflusses (EuGH C‑286/98 P, Stora, Rz 29, EU:C:2000:630; Hengst aaO Rz 46 mwN).
9.8. Das Konzept der wirtschaftlichen Einheit findet aber auch auf gemeinsam beherrschte Gesellschaften Anwendung (EuGH C‑294/98 P, Metsä‑Serla, Rz 27, EU:C:2000:632; Hengst aaO Rz 53 mwN).Nach der Rechtsprechung reicht es für die Annahme einer gemeinsamen Leitung durch die Muttergesellschaften aus, dass sich diese in Bezug auf das Gemeinschaftsunternehmen abstimmen müssen und keine allein handeln kann (Hengst aaO Rz 53). Eine nur „negative“ Natur der von den Muttergesellschaften ausgeübten Kontrolle steht der Annahme eines bestimmenden Einflusses deshalb nicht entgegen, weil jede der Muttergesellschaften das Gemeinschaftsunternehmen davon abhalten kann, bestimmte Entscheidungen zu treffen und damit dessen wirtschaftliches Verhalten entscheidend beeinflussen kann (EuG T‑77/08, Dow Chemical, Rz 92, EU:T:2012:47; Hengst aaO Rz 53). Auch die Eigenschaft als Vollfunktionsunternehmen im Sinne der Regelungen über die Fusionskontrolle spricht nicht gegen die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit (EuGH C‑179/12 P, Dow Chemical, Rz 50 ff, EU:C:2013:605; Hengst aaO Rz 53).
9.9. Nach der Rechtsprechung des EuGH schließt die rechtliche Selbständigkeit des Gemeinschaftsunternehmens, die Vollfunktionseigenschaft oder die Möglichkeit einer deadlock‑Situation die Ausübung der Kontrolle nicht per se aus (EuGH C‑179/12 P, Dow Chemical, Rz 49 ff). Die neuere Rechtsprechung sieht gerade in der Tatsache, dass die Muttergesellschaften sich durch zusätzliche Regelungen gemeinsam einem Einigungszwang unterwerfen, ein Indiz für eine gemeinsame Einflussnahme (Hengst aaO Rz 55).
9.10. In der Entscheidung Dow Chemical (T‑77/08, Rz 81, 87) hebt das EuG den Zwang zum gemeinsamen Handeln, um Blockadesituationen zu vermeiden, hervor (vgl auch Hengst aaO Rz 56). Gleiches gilt für die Vereinbarung eines Quorums, aufgrund dessen die Entscheidung der Geschäftsführung einheitlich getroffen werden müssen (EuG T‑141/07, General Technic‑Otis Sàrl, Rz 112 f, EU:T:2011:363) oder das Vorliegen eines Gesellschaftsvertrags, nach dem alle Entscheidungen über Budget, Investitionen und Personal einstimmig getroffen werden müssen (EuG T‑587/08, Fresh Del Monte Produce, Rz 99, EU:T:2013:129).
9.11. Gleiches wird etwa bei Einrichtung eines von den beiden Muttergesellschaften paritätisch besetzten Ausschusses angenommen, der die Geschäftstätigkeit des Gemeinschaftsunternehmens überwacht und dessen Zustimmung zu bestimmten Entscheidungen von strategischer Bedeutung erforderlich ist (EuG T‑77/08, Dow Chemical, Rz 81) oder wenn Finanzpläne und Investitionen von den Muttergesellschaften gebilligt werden müssen, insbesondere wenn auch kleinere Investitionen der Zustimmung bedürfen (EuG T‑24/05, Alliance One, Rz 185 f, 187, EU:T:2010:453), ebenso wenn Berichtspflichten gegenüber der Muttergesellschaft (EuG T‑314/01, Avebe, Rz 137, EU:T:2006:266) oder ein regelmäßiger Informationsaustausch (EuG T‑314/01, Avebe, Rz 90; EuG T‑587/08, Fresh Del Monte Produce, Rz 107, 152 ff) bestehen.
9.12. Auch eine Minderheitsbeteiligung kann einer Muttergesellschaft ermöglichen, tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Marktverhalten ihrer Tochtergesellschaft auszuüben. Dies ist dann der Fall, wenn die Muttergesellschaft über Rechte verfügt, die über die Rechte hinausgehen, die üblicherweise Minderheitsaktionären zum Schutz ihrer finanziellen Interessen gewährt werden, und die bei einer Prüfung nach der Methode des Bündels übereinstimmender Indizien rechtlicher oder wirtschaftlicher Natur geeignet sind, den Nachweis zu erbringen, dass ein bestimmender Einfluss auf das Marktverhalten der Tochtergesellschaft ausgeübt wird (Hengst aaO Art 101 AEUV Rz 58).
9.13. Auch Thomas (Konzernprivileg und Gemeinschaftsunternehmen – Die kartellrechtliche Beurteilung konzerninterner Wettbewerbsbeschränkungen mit Gemeinschaftsunternehmen, ZWeR 2005, 236 [254 FN 129]) verweist auf Sperrrechte bei Entscheidungen über Budget, Geschäftsplan, größere Investitionen und die Besetzung der Unternehmensleitung. Der „Zwang zur Einigung“ in Fragen der laufenden Geschäftsführung ist ein Indiz für eine Interessenkoordinierung im Sinne der gemeinsamen Beherrschung (Thomas aaO 255).
9.14. In der Rechtssache Fuji Electric (EuG T‑132/07, Rz 184, EU:T:2011:344) ergab sich die Ausübung eines bestimmenden Einflusses durch die mit 30 % beteiligte Mutter aus einer Vereinbarung über die Leitung des Gemeinschaftsunternehmens, aus der Doppelfunktion zahlreicher leitender Angestellter auf der Führungsebene von Mutter‑ und Gemeinschaftsunternehmen sowie aus besonderen Geschäftsbeziehungen zwischen Mutter‑ und Tochtergesellschaft. Im Fall Fresh Del Monte Produce (EuG T‑587/08, Rz 50) wurde die Kommanditistin einer GmbH & Co KG in die wirtschaftliche Einheit einbezogen; dieser waren neben weitreichenden Informationsrechten auch ein Vetorecht im Hinblick auf Grundstücksgeschäfte eingeräumt worden.
9.15. Auch mehrere Muttergesellschaften können derart zusammenwirken, dass sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können. Dies ist im deutschen Recht in der „Mehr- Mütter‑Klausel“ des § 36 Abs 2 Satz 2 GWB ausdrücklich ausgesprochen. Dies beruht auf dem Gedanken, dass es kartellrechtlich gleichbedeutend ist, ob ein Unternehmen von einer Muttergesellschaft oder von mehreren Muttergesellschaften beherrscht wird (Thomas aaO 255). Demgemäß kann ein Gemeinschaftsunternehmen mit jeder seiner Mütter ein einheitliches Unternehmen im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit bilden, wenn die Mütter derart zusammenwirken, dass sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluss auf das Gemeinschaftsunternehmen ausüben können (Thomas aaO 255).
9.16. Entscheidend ist jeweils, wie weit die Leitung des Gemeinschaftsunternehmens durch gesellschafts- oder konsortialvertragliche Regelungen oder sonstige rechtliche oder tatsächliche Umstände vergemeinschaftet ist (Thomas aaO 256). Auch der Minderheitsgesellschafter muss über Einflussmöglichkeiten verfügen, aus denen sich eine über die typische Interessenlage eines Gesellschafters hinausgehende Mitbeherrschung ergibt (Thomas aaO 256).
9.17. Im vorliegenden Fall besteht durch das Erfordernis einer Dreiviertelmehrheit für Investitionen, deren gemeinsame Summe 2 % des Bruttoumsatzes des Vorjahres übersteigt, erheblicher Einfluss der klagenden Partei auf die strategische Ausrichtung der Beklagten. Der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass das Erfordernis einer Dreiviertelmehrheit der klagenden Partei eine Sperrminorität vermittelt, entgegen der Diktion der Beklagten aber kein „Vetorecht“ im technischen Sinn. Die Klägerin kann vielmehr schon das Zustandekommen eines Beschlusses verhindern. Für die kartellrechtliche Beurteilung ist dieser Unterschied jedoch nicht ausschlaggebend. Aufgrund der relativ geringen Umsatzschwelle ist es weitgehend ausgeschlossen, strategische Entscheidungen im Unternehmen gegen den Willen der klagenden Partei zu treffen. Zusätzlich sieht der Gesellschaftsvertrag für beide Gesellschafter Entsendungsrechte in den Aufsichtsrat vor, wobei Entscheidungen über zustimmungspflichtige Geschäfte die Zustimmung der von beiden Gesellschaftern entsandten Mitglieder erfordert.
9.18. Wenngleich daher der klagenden Partei kein unmittelbarer Einfluss auf die Geschäftsführung und das Tagesgeschäft der Beklagten zukommt, kommt ihr doch schon durch das Mehrheitserfordernis für 2 % des Bruttoumsatzes des Vorjahres übersteigende Investitionen in einem entscheidenden Punkt negative Kontrolle zu, was für die Annahme gemeinsamer Kontrolle im Sinne der vorstehenden Ausführungen ausreicht.
9.19. Der beklagten Partei verbleibt allerdings ein eigenständiger Handlungsbereich der Geschäftsführung, die im laufenden Geschäftsbetrieb frei von Weisungen der klagenden Partei agieren kann. In diesem Fall ist das Konzernprivileg nicht anzuwenden (vgl zur Zusammenarbeit von vier selbständigen Unternehmen in einem Gemeinschaftsunternehmen die Entscheidung der Kommission im Fall IJC, ABl EG 1991, L 28, 32, 40 Rz 24). Damit greift das Konzernprivileg im vorliegenden Fall nicht, sodass der vorliegende Fall auch unter dem Aspekt des Art 101 AEUV zu prüfen ist.
10. Zur Abgrenzung von Kartellrecht und Zusammenschlusskontrolle
10.1. Art 3 VO 1/2003 regelt das Verhältnis zwischen nationalem und EU‑Kartellrecht. Nach Art 3 Abs 3 leg cit gilt die Verpflichtung zur parallelen Anwendung (Art 3 Abs 1 leg cit) sowie die Konvergenzregeln (Art 3 Abs 2 leg cit) nicht für den Bereich der einzelstaatlichen Fusionskontrolle (dazu näher Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 Vor § 7 KartG Rz 51).
10.2. Kartell‑ und Missbrauchsregeln kontrollieren das Marktverhalten; bei der Fusionskontrolle handelt es sich demgegenüber um eine Marktstrukturkontrolle (16 Ok 6/10). Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits wiederholt ausgesprochen, dass das Wesen der Unternehmenskonzentration (Zusammenschluss) und gleichzeitig der entscheidende Unterschied zu Kartellen gerade darin besteht, dass zwei oder mehrere Unternehmen unter Aufgabe ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit in auf Dauer bezeichneter Weise unter einheitlicher wirtschaftlicher Leitung zusammengefasst werden. Während das Kartell eine Verhaltensbindung bewirkt, wird durch den Zusammenschluss die interne Unternehmensstruktur geändert (RS0063572; 16 Ok 6/10).
10.3. Die Zielrichtung der Zusammenschlusskontrolle liegt darin, präventiv das Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung einer „österreichischen“ Marktstruktur, mag sich diese auch etwa als Teil eines Weltmarkts präsentieren – zu gewährleisten, die einen funktionierenden Wettbewerb verspricht (16 Ok 10/16f). Aufgabe der Zusammenschlusskontrolle ist die Erhaltung einer möglichst großen Anzahl selbständiger Marktteilnehmer und das resultierende Potential zum Wettbewerb, nicht hingegen das konkrete Verhalten der Marktteilnehmer (16 Ok 20/02; 16 Ok 10/16f). Inwieweit selbständige Unternehmen demgegenüber tatsächlich miteinander konkurrieren oder sich durch Absprachen verbinden, ist eine Frage der Kartellaufsicht (16 Ok 20/02; 16 Ok 10/16f).
10.4. Dabei greifen Kartellaufsicht und Zusammenschlusskontrolle grundsätzlich nahtlos ineinander (vgl 16 Ok 15/98; 16 Ok 20/02). Zur Kartellaufsicht gehört nicht die Ausübung interner gesellschaftsrechtlicher Machtbefugnisse, etwa Satzungsänderungen oder Vorstandsbestellungen (16 Ok 20/02). Alle Marktwirkungen, die sich wesensnotwendig aus dem Zusammenschluss ergeben, sind von der „Freistellungswirkung“ der Fusionskontrollentscheidung erfasst (16 Ok 11/13 ErwGr 4.5). Die Prüfung eines Sachverhalts als Zusammenschluss schließt daher grundsätzlich die parallele Prüfung der für den Zusammenschluss tatbestandsmäßigen Sachverhaltselemente als Kartell aus (16 Ok 11/13).
10.5. Die von der Beklagten bzw der Nebenintervenientin zitierten Entscheidungen sind demgegenüber nicht einschlägig. Darin ging es nämlich nicht um das Innenverhältnis zwischen Gesellschaftern, sondern die Kartellrechtswidrigkeit wurde jeweils daraus abgeleitet, dass der Wettbewerb im Außenverhältnis beeinträchtigt wurde. So stellte der EuGH in der Entscheidung BAT & Reynolds/Philip Morris (Rs 142, 156/84, EU:C:1987:490) vor Inkrafttreten der FKVO darauf ab, dass ein Beteiligungserwerb als Mittel dazu dienen könne, das geschäftliche Verhalten der betreffenden Unternehmen so zu beeinflussen, dass der Wettbewerb auf dem Markt, auf dem sie ihre Geschäftstätigkeit entfalten, eingeschränkt oder verfälscht wird; insofern wandte der EuGH Art 85 EG (heute Art 101 AEUV) an.
10.6. Auch die Entscheidung der Kommission im Fall BT/MCI (Kommission 27. 7. 1994, IV/34.857, BT‑MCI) betraf nicht nur das Innenverhältnis zwischen den beteiligten Unternehmen. Vielmehr wurde dort der relevante Markt als Markt der Mehrwertdienste und der erweiterten Dienste an große multinationale Unternehmen, andere Großunternehmen und sonstige intensive Benutzer von Fernmeldediensten, die über internationale intelligente Netze laufen, definiert.
10.7. Die Bekanntmachung der Kommission über die Beurteilung kooperativer Gemeinschaftsunternehmen nach Art 85 des EWG‑Vertrags (ABl 16. 2. 1993, C 43, Rz 21 ff) ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Zudem umfasst diese den Wettbewerb zwischen Gesellschaftern und Gemeinschaftsunternehmen nur nach den Umständen des Einzelfalls, nämlich bei wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen auf dritte Unternehmen, wobei exemplarisch auf die Aufteilung der räumlichen Märkte, der Produktmärkte oder der Kundschaft verwiesen wird.
10.8. Die Nebenabredenbekanntmachung der Kommission (ABl 5. 3. 2005, C 56) normiert, dass Art 81 und 82 EG auf Nebenabreden, die mit einem Zusammenschluss unmittelbar verbunden und für diese notwendig sind, nicht dem Kartellrecht unterliegen.
10.9. Bei der nunmehr geltenden FKVO handelt es sich um ein Instrument, das eine wirksame Kontrolle von Zusammenschlüssen entsprechend ihren Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur in der Union ermöglicht und dabei zugleich das einzig anwendbare Instrument (also unter Ausschluss von Art 101 und Art 102 AEUV) sein soll (zB Wollmann in Mayer/Stöger [Hrsg], EUV/AEUV Art 103 AEUV Rz 8).
10.10. Art 21 FKVO schließt demgemäß die Anwendung der Durchführungsverordnung VO 1/2003 und damit die unmittelbare Anwendung des Kartellverbots auf den Zusammenschlussvorgang selbst aus (Schuhmacher in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union Art 101 Rz 43). Dieser unterliegt vielmehr allein der Strukturkontrolle. Gleiches gilt nach Art 21 Abs 3 FKVO für das nationale Kartellrecht.
10.11. Zweck dieser Bestimmung war es, die parallele Anwendung von Art 101 AEUV auf Zusammenschlussvorgänge auszuschließen. Damit sollten die mit der früheren Judikatur, die die Anwendung von Art 101 AEUV auf den Zusammenschlussvorgang für möglich hielt, wenn die beteiligten Unternehmen selbständig bleiben (EuGH Rs 142, 156/84, BAT & R. J. Reynolds/Kommission), verbundenen Unsicherheiten beseitigt werden (vgl auch Erklärung der Kommission für das Ratsprotokoll vom 19. 12. 1989 zu Art 22 FKVO aF, Art 101 und 102 AEUV normalerweise auf Zusammenschlüsse der FKVO nicht anzuwenden, sowie die gemeinsame Erklärung des Rates und der Kommission zu Art 22 FKVO aF, wonach aus Gründen der Rechtssicherheit ausschließlich die FKVO für Zusammenschlüsse im Sinne des Art 3 FKVO gelte). Demgemäß betonen die Erwägungsgründe (Erwägungsgrund 7 der FKVO 1989 und Erwägungsgrund 6 der FKVO 2004), dass die FKVO grundsätzlich das einzige auf derartige Zusammenschlüsse anwendbare Instrument ist.
10.12. Lediglich ausnahmsweise kann der Erwerb einer Minderheitsbeteiligung auch Art 101 AEUV unterliegen bzw bei manchen Zusammenschlüssen („Gruppeneffekt“) zusätzlich eine Prüfung nach den Kriterien des Art 101 AEUV erforderlich sein (Wollmann in Mayer/Stöger, EUV/AEUV Art 101 AEUV Rz 41 f). In diesen Fällen findet die diesbezügliche Prüfung aber beim Erwerb der Beteiligung statt, nicht hingegen später bei Ausübung der betreffenden Rechte.
11. Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen
11.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Ausübung interner gesellschaftsrechtlicher Machtbefugnisse, etwa Satzungsänderungen, Vorstandsbestellungen etc, keine Frage der Kartellaufsicht ist (16 Ok 20/02). Eine Anwendung des Art 101 AEUV wäre nur bei Wettbewerbsbeschränkungen, die über die mit der Durchführung der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens notwendigen Nebenabreden hinausgehen, denkbar (16 Ok 9/08).
11.2. In der Entscheidung „Gratiszeitung Hallo“ sprach der deutsche BGH aus, dass wettbewerbsbeschränkende Satzungsbestandteile nicht gegen das Kartellverbot verstoßen, wenn sie erforderlich sind, um den Bestand und die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft zu erhalten (BGH 23. 6. 2009, KZR 58/07).
12. Intertemporales Recht
12.1. Im vorliegenden Fall erfolgte der Zusammenschluss zwischen der Klägerin und der Nebenintervenientin durch Gründung der Beklagten bereits im Jahr 1981, somit zu einem Zeitpunkt, als weder auf europäischer Ebene noch auf nationaler Ebene eine Fusionskontrolle existierte. Zum damaligen Zeitpunkt bestand in Österreich nach §§ 49 ff KartG 1972 lediglich eine Anmeldepflicht zum Kartellregister (dazu Koppensteiner, Wettbewerbsrecht [1981] 265 ff). Der Erwerb der Beteiligung und der flankierenden Rechte fiel unter § 49 KartG 1972. Dieses Gesetz sah keine weitere Prüfung des Zusammenschlusses vor; die Eintragungspflicht war lediglich mit einer Verwaltungsstrafe sanktioniert (Koppensteiner aaO 281).
12.2. Dies führt zur Frage, ob dieser Umstand Auswirkungen auf die nunmehr vorzunehmende Prüfung nach Art 101 AEUV hat. Hierbei kommt dem Umstand wesentliche Bedeutung zu, dass zwischen Marktverhalten einerseits und Marktstruktur bzw diesbezüglichen Maßnahmen tiefgreifende Unterschiede bestehen. Gerade die Ungeeignetheit der seinerzeitigen Art 84, 85 EG aF war ja Grund für die Einführung gemeinschaftsrechtlicher Regelungen über die Fusionskontrolle.
12.3. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat jedoch bewusst keine rückwirkende Kontrollmöglichkeit von Zusammenschlüssen vorgesehen; auch der Beitrittsvertrag Österreichs (Amtsblatt C 241 vom 29. 8. 1994) sieht ausdrücklich vor, dass die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen für Österreich erst zum Zeitpunkt des Beitritts Anwendung finden sollen. Diesem Umstand kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil es den Vertragsstaaten bewusst gewesen sein muss, dass es in Österreich vor dem Beitritt keine dem Gemeinschaftsrecht (vgl die damals geltende FKVO 1984, VO 1464/89 ) vergleichbare Regelung gab. Dennoch wurde keine rückwirkende Möglichkeit einer diesbezüglichen Prüfung angeordnet.
12.4. Die gegenteilige Auffassung führte dazu, dass Zusammenschlüsse, die vor Inkrafttreten der FKVO verwirklicht wurden, anders zu behandeln wären als solche nach ihrem Inkrafttreten. Lediglich auf erstere wäre Art 101 AEUV anwendbar. Dies würde auch für den Zeitraum nach Inkrafttreten der FKVO zu zwei diametral entgegengesetzten Regelungsregimen führen. Vor dem EU-Beitritt Österreichs erfolgte Zusammenschlüsse unterlägen dann ohne zeitliche Beschränkung Art 101 AEUV, während diese Bestimmung auf spätere Zusammenschlüsse nicht anwendbar wäre. Dabei könnten mangels Bestehens einer rückwirkenden Zusammenschlusskontrolle die an einem vor dem Beitritt Österreichs stattgefundenen Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auch in Hinkunft keine Prüfung und damit Freigabe des Zusammenschlusses erlangen; sie wären fortwährend mit massiver Rechtsunsicherheit belastet. Das Fehlen der Möglichkeit einer nachträglichen Prüfung des Zusammenschlusses würde nicht zuletzt auch zu einer unter dem Aspekt des Gleichheitsgebots des Art 20 GRC (dazu allgemein
Schramm in Holoubek/Lienbacher, GRC-Kommentar [2014] Art 20) bedenklichen Diskriminierung im Vergleich zu später erfolgten Zusammenschlüssen führen.
12.5. Mangels jeglicher Ansatzpunkte für eine Differenzierung müssten schließlich auch nicht nur die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen, sondern auch die (Voll-)Fusion von Unternehmen rückwirkend nach Art 101 AEUV geprüft und daher dann gegebenenfalls rückabgewickelt werden. Über allen vor dem EU-Beitritt Österreichs stattgefundenen Zusammenschlüssen schwebte damit gleichsam das „Damoklesschwert“ der Kartellrechtswidrigkeit nach Art 101 AEUV. Ein derartiges Ergebnis kann weder vom Gemeinschaftsrecht noch den Vertragsstaaten des Beitrittsvertrags gewollt sein.
12.6. Vielmehr sind die unionsrechtlichen Regelungen über die Fusionskontrolle und das Fehlen einer rückwirkenden Prüfung Ausdruck einer diesbezüglichen Intention des Unionsgesetzgebers, Strukturmaßnahmen anders als bloßes Marktverhalten zu behandeln. Damit ist die Beklagte als vor dem EU-Beitritt Österreichs gegründetes Gemeinschaftsunternehmen Teil der zum Beitrittszeitpunkt vorgefundenen und damit nach dem Willen des Unionsgesetzgebers hinzunehmenden Marktstruktur.
12.7. Die vor Einführung einer gemeinschaftsrechtlichen Fusionskontrolle ergangene Judikatur des EuGH im Fall Philip Morris (Rs 142 und 156/84, Slg 1987) ist damit im vorliegenden Zusammenhang nicht anzuwenden. Vielmehr hat der Unionsgesetzgeber zwischenzeitig der Besonderheit der Marktstruktur und darauf gerichteter Maßnahmen im Vergleich zu bloßem Marktverhalten durch Erlassung der FKVO Rechnung getragen. Insofern entfaltet das (grundsätzlich umfassende) unionsrechtliche Fusionskontrollregime einschließlich des charakteristischen Fehlens einer rückwirkenden Prüfung von Zusammenschlüssen als Ausdruck einer im Grundsatz abschließenden (Spezial-)Regelung der kartellrechtlichen Prüfung von Strukturmaßnahmen Sperrwirkung gegenüber einer Anwendung des Art 101 AEUV. Anderes gilt nur, soweit auch im Rahmen des bestehenden Fusionskontrollregimes (ausnahmsweise) Raum für die Anwendung von Regelungen zur Verhaltens- oder Missbrauchskontrolle nach Art 101, 102 AEUV besteht, kann doch keinem Fusionskontrollregime unterliegenden „Alt-Zusammenschlüssen“ nicht höhere Bestandsfestigkeit zukommen als jenen, bei denen bereits eine Prüfung nach der FKVO erfolgte.
12.8. Damit ist die rückwirkende Anwendung von EU‑Recht auf vor dem EU-Beitritt Österreichs erfolgte Zusammenschlüsse ausgeschlossen. Eine solche vom Unionsrecht gerade nicht gewollte nachträgliche Strukturkontrolle im Sinne eines Zusammenschlusskontrollersatzes darf auch nicht über den Umweg der Prüfung einzelner Kontrollausübungsmaßnahmen nach Art 101 AEUV erfolgen. Dies kann entgegen der Rechtsansicht der beklagten Partei auch nicht dadurch umgangen werden, dass zwar nicht die Begründung von Rechten, sondern nur deren „Wahrnehmung“ an Art 101 AEUV zu messen sei. Damit würde der Unterschied zwischen Verhaltens‑ und Strukturkontrolle verwischt. Diese Auffassung führte nämlich dazu, dass die Rechte aus dem Gesellschaftsvertrag zwar wirksam entstanden sind, aber nie ausgeübt werden dürften. Dies vermag nicht zu überzeugen.
12.9. Zusammenfassend unterliegt somit der nach damaliger Rechtslage wirksame Kontrollerwerb – von den angeführten Ausnahmen abgesehen – nicht der Verhaltenskontrolle nach Art 101 AEUV. Damit ist die Ausübung der Einflussrechte der klagenden Partei in der beklagten Partei Ergebnis der Erlangung gemeinsamer Kontrolle und unterliegt sohin grundsätzlich nicht Art 101 AEUV. Die gesellschaftlichen Mitwirkungsrechte stellen vielmehr einen Teil der strukturellen Verbindung zwischen den beteiligten Gesellschaften dar.
12.10. Diese Kontrollrechte stehen freilich nicht unbeschränkt zu, sondern nur im Rahmen dessen, was zur Ausübung der effektiven Wahrnehmung dieser Rechte notwendig ist. Im Bereich der laufenden Geschäftsführung im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb besteht nach dem Gesagten ein eigenständiger Verhaltensspielraum der Beklagten. Dazu gehören – worauf der Vollständigkeit halber hinzuweisen ist – auch Preis- und Angebotsentscheidungen im laufenden Geschäftsbetrieb. Diesbezügliche Informationen sind nicht zwingend erforderlich, um strategische Investitionsentscheidungen zu treffen und den von der Satzung geforderten jährlichen Investitionsplan, sofern darin Investitionen von über 2 % des Bruttoumsatzes des Vorjahres vorgesehen sind, gemeinsam zu beschließen.
13. Zur Anregung eines Vorabentscheidungsverfahrens
13.1. Für die von der Nebenintervenientin angeregte Befassung des EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens bestand kein Raum. Die Nebenintervenientin vermag keine Rechtsfrage des Unionsrechts aufzuzeigen, die der Klärung durch den EuGH bedürfte.
13.2. Der EuGH verlangt die Angabe der Gründe für die Wahl der Unionsrechtsnorm sowie für die Zweifel an ihrer Auslegung bzw die Angabe des Zusammenhangs zwischen der Unionsrechtsnorm und dem Ausgangsverfahren, sodass sich die Vorlagefragen in den Kontext der tatsächlichen und rechtlichen Rahmen einfügen (vgl Empfehlungen des Gerichtshofs der Europäischen Union an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen, Nr 15, ABl C 2018/257, 1; dazu zB EuGH C‑167/94, Juan Carlos Grau Gomis, Rz 9, 11, EU:C:1995:113; EuGH C‑492/17, Rittinger, Rz 49, 50, EU:C:2018:1019). Denn erst die Angabe bestimmter Gründe für Zweifel an der Vereinbarkeit eines Sachverhalts mit dem Unionsrecht ermöglicht es dem EuGH, sachdienliche Hinweise zur Auslegung zu geben (EuGH C‑497/12, Davide Gullotta, Rz 19, 25, EU:C:2015:436). Diesen Anforderungen werden die Ausführungen der Nebenintervenientin nicht gerecht.
13.3. Im Übrigen kann diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).
14. Zum Stimmverbot
14.1. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch erkannt, dass im vorliegenden Fall kein Stimmverbot greift. Weder liegt einer der in § 39 GmbHG aufgezählten Tatbestände vor, noch erfordert der vorliegende Sachverhalt die analoge Anwendung dieser Bestimmung.
14.2. § 39 Abs 4 GmbHG enthält einerseits eine Variation der Regeln über das In‑Sich‑Geschäft, andererseits den Grundgedanken, dass niemand Richter in eigener Sache sein soll (RS0086644 [T2]).
14.3. Aus dem Gesetz lässt sich demgegenüber kein generelles Stimmverbot für alle Fälle einer Interessenkollision ableiten (RS0086644; 6 Ob 90/19g). Es gibt auch kein per se wirkendes Stimmverbot aufgrund von Konzernverhältnissen (Enzinger in Straube/Ratka/Rauter, Wiener Kommentar GmbHG § 39 Rz 82).
14.4. Bei der analogen Anwendung ist die ratio der Vorschrift entscheidend. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit kommt eine analoge Anwendung des § 39 Abs 4 GmbHG nur in engen Grenzen in Betracht. Das Stimmverbot darf nur auf Fälle erstreckt werden, die von einer den gesetzlich normierten Tatbeständen vergleichbaren institutionell bedingten Interessenkollision gekennzeichnet sind (6 Ob 191/18h; 6 Ob 90/19g). Auch in der Literatur wird diesbezüglich gefordert, dass der Interessenkonflikt bereits in abstracto gegeben sein muss und von der Intensität, also vom Gefährdungspotential für die Gesellschaft, dem positiv‑rechtlich geregelten Fall gleichkommt ( Enzinger aaO § 39 Rz 106).
14.5. In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof § 39 Abs 4 GmbHG auf den Fall erstreckt, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer über den Widerruf einer ihm von der Gesellschaft erteilten Zustimmung zu konkurrenzierenden Tätigkeiten oder Beteiligungen nicht stimmberechtigt ist (6 Ob 139/06v).
14.6. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt. Das Unterbleiben der von der Nebenintervenientin beabsichtigenden Investitionen hat nur einen mittelbaren wirtschaftlichen Effekt.
14.7. Im vorliegenden Fall handelt es sich weder um ein In-sich-Geschäft noch um einen Fall des Richtens in eigener Sache. Die zweite Fallgruppe ist durch die rechtliche Betroffenheit des Gesellschafters von der zu beschließenden Maßnahme charakterisiert. Da Stimmverbote dem Gebot der Rechtssicherheit entsprechen müssen und die nachgelagerte Kontrolle des Beschlusses unter dem Gesichtspunkt der missbräuchlichen Stimmrechtsausübung daneben Platz greift, ist die Anerkennung gesetzlich nicht geregelter Stimmverbote nur zulässig, wenn der Interessenskonflikt bereits in abstracto gegeben ist und von der Intensität, also vom Gefährdungspotential für die Gesellschaft, dem positiv‑rechtlich Geregelten gleichkommt ( Enzinger aaO § 39 Rz 106).
14.8. Zusammenfassend vermag die Beklagte somit keinen Interessenskonflikt von zumindest annähernd gleichem Gewicht wie die in § 39 Abs 4 GmbHG vertypten Fälle aufzuzeigen.
15. Zur behaupteten Treuwidrigkeit
15.1. Auch die Berufung auf die angebliche Treuwidrigkeit der Stimmabgabe ist nicht stichhaltig. Die Annahme einer Zustimmungsverpflichtung, die sich aus den Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft ergibt, ist regelmäßig nur ultima ratio. Der Beschluss muss also im Interesse der Gesellschaft unbedingt notwendig und dem widerstrebenden Gesellschafter auch zumutbar sein (Enzinger in Straube/Ratka/Rauter, Wiener Kommentar GmbHG § 39 Rz 52).
15.2. Als praktisch bedeutsamster Fall der gesellschaftlichen Treuepflicht im vorliegenden Zusammenhang wird die Konstellation diskutiert, dass der Gesellschafter dringend gebotene Sanierungsmaßnahmen nicht verhindern darf bzw ihnen unter Umständen sogar zustimmen muss (vgl 6 Ob 169/16w mwN). In diesem Sinne wird bei der GmbH eine Pflicht der Gesellschafter angenommen, für die Thesaurierung von Gewinnen zu stimmen, wenn dies für die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft erforderlich ist (6 Ob 100/12t; 6 Ob 169/16w mwN). Demgegenüber wurde in der Entscheidung 6 Ob 169/16w das bloße Argument, die Vollausschüttung sei wirtschaftlich nicht sinnvoll, als den in der Literatur diskutierten Fällen der Treuepflicht, in denen gewissermaßen „die Existenz des Unternehmens auf dem Spiel steht“, nicht gleichzuhaltend eingestuft.
15.3. Im vorliegenden Fall wurde in erster Instanz auch gar nicht vorgebracht, dass es hier um die Existenz des Unternehmens gehe. Die Beklagte hat vielmehr lediglich vorgebracht, die Klägerin habe ihre Zustimmung treuwidrig von einem Gesamtpaket inklusive Gewinnausschüttung abhängig gemacht. Erst in dritter Instanz beruft sich die beklagte Partei darauf, dass die Investitionen überlebensnotwendig seien. Abgesehen davon, dass diese Ausführungen gegen das Neuerungsverbot (§ 482 ZPO) verstoßen und schon aus diesem Grunde unbeachtlich sind, ist dem auch entgegenzuhalten, dass in erster Instanz lediglich von einem „refreshing“ durch die Investitionen gesprochen wurde. Der allgemeine Hinweis auf die Notwendigkeit regelmäßiger Investitionen ist in diesem Zusammenhang nicht stichhaltig, ließe sich doch damit eine Zustimmungspflicht zu allen Investitionen ableiten, sodass für die einschlägige Satzungsregelung kein sinnvoller Anwendungsbereich bliebe.
15.4. Das Argument, die Klägerin sei „pauschal“ gegen jedwede Investition gewesen, übersieht, dass im vorliegenden Fall lediglich über einen konkreten Investitionsplan und nicht über Einzelinvestitionen abgestimmt wurde. Dass die Klägerin eine „Blockade‑Politik“ verfolge, lässt sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen nicht ableiten.
15.5. Die diesbezüglichen Regelungen im Gesellschaftsvertrag der beklagten Partei finden in § 20 Abs 1 GmbHG, wonach die Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet sind, alle Beschränkungen einzuhalten, die in dem Gesellschaftsvertrag, durch Beschluss der Gesellschafter oder in einer für die Geschäftsführer verbindlichen Anordnung des Aufsichtsrats für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, festgesetzt sind, ihre Deckung. Für höhere Investitionen ist zudem auf § 35 Abs 1 Z 7 GmbHG zu verweisen. Soweit die Revisionswerberinnen aus dem vorgelegten Gutachten von Harrer ableiten wollten, dass die Geschäftsführung solche Investitionen auch gegen den Willen der Gesellschafter vornehmen dürfe, ist dem nicht zu folgen. Vielmehr ist auf § 20 GmbHG zu verweisen.
15.6. Das Verfolgen eines Interesses an Gewinnausschüttungen ist keineswegs illegitim, zumal das GmbHG sogar von einem – wenn auch dispositivem – Vollausschüttungsgebot ausgeht. Die Verfolgung diesbezüglicher Interessen durch einen Gesellschafter ist vom Gesetz nicht verpönt (vgl 6 Ob 169/16w).
15.7. Die Behauptung, die Klägerin habe ein Interesse daran, den Werterhalt der Beklagten zu verhindern, findet in den Feststellungen der Vorinstanzen keine Deckung. Dies erschiene in Anbetracht des Umstands, dass die Klägerin selbst einen Anteil von 32 % an der Beklagten hält, auch nicht nachvollziehbar. Das Verhältnis von Investitionen und Gewinnausschüttungen ist ein Spannungsfeld, das bei jeder Gesellschaft besteht und keinen spezifischen Interessenskonflikt gerade bei der Klägerin begründet.
15.8. Sofern die beklagte Partei behauptet, die Beschlussfassung über einen Investitionsplan schreibe Investitionen im vorgesehenen Umfang fest, wodurch ein Schutz des S*****‑Konzerns dahin eintrete, dass die beklagte Partei keine höheren Investitionen als im Investitionsplan vorgesehen vornehmen dürfe, was einen Vorteil im Sinne des § 39 Abs 4 GmbHG darstelle, übersieht diese Argumentation, dass die klagende Partei gerade gegen den betreffenden Beschluss gestimmt hat.
16. Keine teilweise Beschlussfeststellung bzw Nichtigerklärung
16.1. Im vorliegenden Fall sind das Budget und der Investitionsplan untrennbar miteinander verbunden. Eine isolierte Beschlussfassung über das Budget ohne den Investitionsplan war nicht möglich. Anders als in dem der Entscheidung 6 Ob 213/16s zugrunde liegenden Sachverhalt, der die Beschlussfassung über eine Sonderprüfung sowie die Tragung deren Kosten betraf, liegt im vorliegenden Fall ein einheitlicher Beschluss und nicht eine Abstimmung über zwei voneinander unabhängige Themen vor.
16.2. Die teilweise Nichtigerklärung eines Gesellschafterbeschlusses ist nicht möglich, wenn durch die Zusammenfassung mehrerer Beschlussgegenstände in einem einheitlichen Abstimmungsvorgang erkennbar ist, dass der Beschluss eine rechtliche und/oder wirtschaftliche Einheit bilden soll (6 Ob 104/17p). Dies gilt in gleicher Weise für die teilweise Annahme bzw Ablehnung eines Beschlusses. Im vorliegenden Fall konnte wegen des untrennbaren Sachzusammenhangs zwischen Investitionsplan und Budget der zugrunde liegende Antrag nur zur Gänze angenommen oder abgelehnt werden. Dies wird noch durch die Formulierung im gegenständlichen Beschlussantrag, der eine Beschlussfassung über das Budget inklusive Investitionsplan vorsah, unterstrichen.
17. Ergebnis und Kostenentscheidung
17.1. Zusammenfassend erweisen sich die Entscheidungen der Vorinstanzen daher im Ergebnis als frei von Rechtsirrtum, sodass den unbegründeten Revisionen ein Erfolg zu versagen war.
17.2. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Mangels gesetzlicher Grundlage für eine Kostenersatzverpflichtung auch der Nebenintervenientin war lediglich die beklagte Partei zum Kostenersatz zu verhalten.
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