European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0200DS00003.19Z.1210.000
Spruch:
Der Berufung wegen Schuld wird nicht, jener wegen Strafe jedoch Folge gegeben und eine Geldbuße von 1.000 Euro verhängt.
Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis, das auch einen unangefochten gebliebenen Schuldspruch eines Mitbeschuldigten und einen rechtskräftigen Freispruch eines weiteren Mitbeschuldigten enthält, wurde Rechtsanwalt ***** des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt schuldig erkannt und hierfür zu einer Geldbuße von 2.000 Euro verurteilt.
Danach hat er
(a) als der für die G***** OG aufgrund der internen Kanzleiorganisation für sämtliche Abschlusshandlungen der in der Kanzlei von verschiedenen Rechtsanwälten zu bearbeitenden Treuhandschaften zuständige Rechtsanwalt in der Zeit vom 23. November 2010 bis zum 7. Juni 2016 Abschlussmeldungen (und zwar am 24. November 2010, 7. Jänner 2014, 17. September 2014 und 14. Jänner 2016) bei der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer nicht ohne Verzug unmittelbar nach Abschluss der jeweiligen Treuhandschaften abgegeben, sondern sie für mehrere Treuhandschaften in größeren Zeitabständen gesammelt und dann die Meldung für diese Treuhandschaften in einem und ohne Verwendung des dafür nach dem Statut der Treuhand-Einrichtung der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vorgeschriebenen Formulars vorgenommen;
(b) als der für die Bearbeitung des Vorgangs zuständige Rechtsanwalt zu der unter der Nummer ***** im Anwaltlichen Treuhandbuch der Treuhand-Einrichtung der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer registrierten Treuhandschaft im Kontoverfügungsauftrag kein Konto der Treugeber angegeben;
(c) als der für die Bearbeitung des Vorgangs zuständige Rechtsanwalt zu der unter der Nummer ***** im Anwaltlichen Treuhandbuch der Treuhand-Einrichtung der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer registrierten Treuhandschaft die Erstmeldung an die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer nicht unverzüglich, sondern verspätet am 10. Mai 2016 abgegeben, wobei der Kontoverfügungsauftrag von den Parteien bereits am 18. April 2016 unterfertigt worden war.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen (der Sache nach) Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0128656 [T1]; Ratz, WK‑StPO, § 281 Rz 562), des Ausspruchs über die Schuld und über die Strafe (§ 49 letzter Satz DSt). Der Kammeranwalt beantragt in seiner Gegenausführung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Vorauszuschicken ist:
Gemäß § 10a Abs 4 erster Satz RAO hat der Rechtsanwalt eine Treuhandschaft vor der ersten Verfügung über den Treuhanderlag der Treuhand-Einrichtung zu melden, wenn – wie gegenständlich – eine über die Treuhand-Einrichtung der Rechtsanwaltskammer (§§ 10a Abs 2, 23 Abs 4 RAO) zu sichernde Treuhandschaft vorliegt. In diesem Sinn verpflichtet Punkt 9.2 des nach § 27 Abs 1 lit g RAO erlassenen Statuts der Treuhand-Einrichtung der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer (in der Folge: Statut) in der – hier relevanten – Fassung ab 1. Jänner 2015 (Beilage ./6) den Rechtsanwalt, jede unter das Statut fallende Treuhandschaft zur Eintragung in das anwaltliche Treuhandbuch zu melden (Erstmeldung), und zwar gemäß Punkt 7.6 des Statuts ausschließlich unter Verwendung des hierfür vorgesehenen Formblatts (Beilage ./1 des Statuts). Gemäß Punkt 8.2 des Statuts (in der Fassung ab 1. Jänner 2015) ist dem Rechtsanwalt Entgegennahme, Verwahrung und Verfügung über den Treuhanderlag erst nach Abfertigung der Mitteilung über die Übernahme der Treuhandschaft gestattet. Auch für den nach Punkt 8.3 des Statuts in Kopie zu übermittelnden Kontoverfügungsauftrag hat der Rechtsanwalt entsprechend Punkt 7.6 des Statuts ausschließlich das hierfür vorgesehene Formblatt (Beilage ./3 des Statuts) zu verwenden.
Im Fall der Beendigung der Treuhandschaft hat der Rechtsanwalt gemäß § 10a Abs 4 zweiter Satz RAO eine entsprechende Meldung an die Treuhandeinrichtung zu erstatten. Punkt 9.4 des Statuts in den – hier relevanten – Fassungen ab 1. November 2010 und 1. Jänner 2015 (Beilagen ./5 und ./6 des Statuts) verlangt vom Rechtsanwalt, das Ende der Durchführung der Treuhandschaft der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer ohne Verzug mitzuteilen (Abschlusserklärung), und zwar gemäß Punkt 7.6 des Statuts ebenfalls unter Verwendung des hierfür vorgesehenen Formblatts (Beilage ./5 des Statuts).
Ein Rechtsanwalt hat bei der Abwicklung von Treuhandschaften besondere Sorgfalt an den Tag zu legen. Dabei ist es von speziellem Standesinteresse, das Vertrauen in die Eignung von Rechtsanwälten als Treuhänder sicherzustellen. Das gilt insbesondere beim Umgang mit Geldern und Zahlungsmitteln, die dem Rechtsanwalt zur Durchführung der Treuhandschaft übergeben werden. Die Missachtung von Standesvorschriften, die im Zusammenhang mit der Übernahme von Treuhandschaften geschaffen wurden, eignet sich im besonderen Maße, das Vertrauen der rechtssuchenden Bevölkerung in den Berufsstand der Rechtsanwälte zu beeinträchtigen. Die Verletzung von Treuhandpflichten gehört damit zum Kernbereich anwaltlicher Vertrauensanforderungen, deren stringente Beachtung eine wesentliche Voraussetzung für die Erhaltung und Festigung jener allgemeinen Wertschätzung darstellt, auf die die Rechtsanwaltschaft unabdingbar angewiesen ist (RIS‑Justiz RS0123722; ua 26 Os 15/14x, 20 Os 3/14p, 20 Os 5/15h).
Die nach § 27 Abs 1 lit g RAO geschaffenen Treuhand-Einrichtungen dienen der Umsetzung der genannten Vorgaben und Ziele. Daher liegt ein Verstoß gegen den Kernbereich der Treuhandanforderungen nicht erst dann vor, wenn der Rechtsanwalt den Treuhandauftrag materiell verletzt, sondern schon dann, wenn er bloß den (formalen) Vorgaben der Treuhand-Einrichtungen, insbesondere den Vorschriften des Treuhandstatuts zuwiderhandelt (Gartner, Die Abwicklung von Geldtreuhandschaften nach § 10a RAO unter Berücksichtigung des neuen Statuts 2010 des Elektronischen Treuhandbuchs der Rechtsanwaltskammer Wien, Jahrbuch Anwaltsrecht 2011, 73). In diesem Sinn sah der Oberste Gerichtshof bereits in der Verletzung reiner Formalvorschriften des Statuts einen Verstoß gegen das anwaltliche Berufsrecht (20 Os 5/15h: Nichtangabe aller Konten; 20 Os 3/14p: Nichtverwendung der vorgeschriebenen Formulare).
Soweit der Rechtsmittelwerber hinsichtlich der von Schuldspruch (a) erfassten Abschlussmeldungen vorbringt, er habe diese Vorgangsweise aufgrund der Ergebnisse der Treuhand-Revision vom 23. November 2010 gleichsam im guten Glauben gewählt, weil seine bis dahin in der gleichen Form erstatteten Meldungen stets „anstandslos akzeptiert worden seien“ und er daher davon ausgegangen sei, ordnungsgemäß zu handeln, zeigt er weder formelle Begründungsmängel im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO auf noch erweckt er Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Disziplinarrats in Bezug auf die solcherart kritisierten Sachverhaltsannahmen zur subjektiven Tatseite, wonach der Disziplinarbeschuldigte es ernstlich für möglich hielt, dass er durch sein Verhalten Sachverhalte verwirklichte, die dem disziplinarrechtlichen Tatbestand entsprachen, und sich damit abfand.
Die Ausführungen des Beschuldigten vermögen auch unter dem Gesichtspunkt des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO, seiner Berufung zu keinem Erfolg zu verhelfen. Vorerst ist (soweit der Rechtsmittelwerber einen Tatbildirrtum andeutet) daran zu erinnern, dass die gesetzmäßige Ausführung einer Rechtsrüge ein striktes Festhalten an den tatsächlich getroffenen Urteilsfeststellungen in ihrer Gesamtheit und eine auf dieser Grundlage zu führenden Darlegung, dass dem Gericht ein Rechtsirrtum unterlaufen sei, erfordert (RIS‑Justiz RS0099810; RS0099658). Überdies kann sich der Disziplinarbeschuldigte schon vor dem Hintergrund des § 9 Abs 2 StGB angesichts des klaren Wortlauts der berufsrechtlichen Vorschriften (die dahingehende Verpflichtung ergibt sich aus § 10a Abs 4 zweiter Satz RAO sowie den Punkten 9.4 und 7.6 des Statuts) nicht darauf berufen (dSn Z 9 lit b), sein behaupteter Rechtsirrtum sei ihm nicht vorzuwerfen. Ein Verstoß gegen eine gefestigte Standesauffassung wurde dem Beschuldigten – entgegen seinem Berufungsvorbringen – ohnehin nicht vorgeworfen. Weiters lässt er außer Acht, dass ihm bereits anlässlich der Treuhandrevision vom 23. Oktober 2010 ein gleichartiger Vorwurf gemacht worden war und er „Besserung“ versprochen hatte.
Gleiches gilt für das gegen den Schuldspruch (b) gerichtete Vorbringen, wonach dem Beschuldigten die Notwendigkeit der Anführung (auch) der Kontonummer des Käufers im Kontoverfügungsauftrag deshalb „nicht bekannt/nicht bewusst“ gewesen wäre, weil eine solche Notwendigkeit anlässlich der Treuhand-Revision vom 23. Oktober 2010 nicht erörtert worden sei, die Kontonummern der Einzahler ohnehin auf den Überweisungsbelegen bzw Zahlungseingangsbelegen ersichtlich seien und im Übrigen – wie im Gegenstand – bei Fremdfinanzierung des Kaufpreises häufig das Konto, von dem der Kaufpreis überwiesen wird, zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Kontoverfügungsauftrags noch nicht feststehe.
Weshalb die Nichtaufnahme der Kontonummern der Treugeber im Kontoverfügungsauftrag keinen Verstoß gegen die sich aus den Punkten 7.6 und 8.3 des Statuts ergebende Pflicht zur Ausfertigung des Kontoführungsauftrags entsprechend dem eine Anführung der Kontonummern ausdrücklich vorsehenden Formblatt (Beilage ./3 zum Statut) darstellen soll, erklärt die Rüge (dSn Z 9 lit a) nicht (vgl überdies 20 Os 5/15h). Die vom Beschuldigten vorgebrachten Gründe für das Unterbleiben überzeugen vor dem Hintergrund des Zwecks des Treuhand-Statuts nicht. Bei der Abwicklung von Treuhandschaften, die diesem unterliegen, wurde neben der Überwachung durch die Rechtsanwaltskammern eine weitere Kontrolle in Form der sogenannten „Dispositionskontrolle“ durch das das Treuhandkonto führende Kreditinstitut eingerichtet (Punkt 8.2 des Statuts). Geldbewegungen können demnach nur mehr an jene Personen und auf jene Zahlstellen erfolgen, die bereits im Kontoverfügungsauftrag als solche ausdrücklich genannt sind. Daraus folgt, dass bereits mit Einsetzen der Dispositionskontrolle feststehen muss, wer mögliche Zahlungen erhält und welche Zahlstelle es dafür gibt. Da es bei einem synallagmatischen Vertragsverhältnis wie dem Kaufvertrag naturgemäß auch zu einer Rückabwicklung des Vertrags und damit zur Rückzahlung des Kaufpreises kommen kann, stellen beide Treugeber (also auch der Käufer) mögliche Zahlungsempfänger dar. Zu Recht weist der Kammeranwalt in seiner Gegenausführung darauf hin, dass der Treuhänder im Fall der Rückabwicklung ohne Zustimmung des anderen Treugebers nicht mehr in der Lage wäre, den Kaufpreis an den Käufer zurückzuzahlen, auch wenn das zivilrechtlich geboten wäre. Allein die Tatsache, dass das Kreditinstitut aus der Überweisung eine mögliche Zahlstelle erkennen kann, reicht – abgesehen davon, dass die Dispositionskontrolle nur anhand des Kontoverfügungsauftrags erfolgen darf – naturgemäß nicht aus, könnte doch die Rückzahlung auch an einen Dritten, nämlich an ein finanzierendes Kreditinstitut erfolgen. Dem Umstand, dass der Kauf drittfinanziert ist, wird ohnehin dadurch Rechnung getragen, dass nach dem Muster des Kontoverfügungsauftrags auch andere mögliche Zahlungsempfänger als die beiden Treugeber möglich sind (sofern sie nur bereits im Kontoverfügungsauftrag genannt werden).
Soweit der Beschuldigte zum Schuldspruch (c) argumentiert, die Erstmeldung sei vor der ersten Verfügung über den Treuhanderlag vorzunehmen und könne den Feststellungen des Disziplinarrats nicht entnommen werden, dass „die Erstmeldung erst nach der ersten Verfügung über den Treuhanderlag erstattet“ worden sei, übersieht er, dass Punkt 8.2 des Statuts den Rechtsanwalt zur Erstattung der Erstmeldung (bereits) vor der – nach den Feststellungen des Disziplinarrats (ES 32) am 26. April 2016 erfolgten – Entgegennahme und Verwahrung des Treuhanderlags verpflichtet. Der Rekurs auf einen Urlaub während des vorgeworfenen Tatzeitraums versagt: Wie der Kammeranwalt zutreffend einwendet, hätte es anwaltlicher Diligenzpflicht entsprochen, für entsprechende Vertretung zu sorgen.
Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 DSt wird von der Rüge (der Sache nach Z 9 lit b) nicht auf Basis des festgestellten Sachverhalts aus dem Gesetz abgeleitet. Die Beschwerdeargumentation, der Disziplinarbeschuldigte habe sich „im Irrtum/in Unkenntnis darüber [befunden], dass für Abschlussmeldungen ordnungsgemäß abgewickelter Treuhandschaften nur die Formblätter der Rechtsanwaltskammer zu verwenden sind […] und dass das Ende der auftragsgemäßen Abwicklung der Treuhandschaft ohne Verzug mitzuteilen ist“, ignoriert die gegenteiligen Sachverhaltsannahmen des Disziplinarrats. Das Beschwerdevorbringen ist aber auch inhaltlich nicht berechtigt. Zwar schließt – entgegen den Ausführungen des Kammeranwalts – ein Verstoß gegen Treuhandverpflichtungen die Anwendung des § 3 DSt nicht in jedem Fall aus (22 Ds 3/17m), allerdings liegt im konkreten Fall kein geringfügiges Verschulden vor. In Ansehung der Bedeutung der umfassenden Kontrolle von Treuhandschaften, der Vielzahl von Fällen über einen längeren Zeitraum und der Tatwiederholung liegt der konkrete Unrechtsgehalt der Handlungen des Disziplinarbeschuldigten keineswegs unter den Durchschnittsfällen der Deliktsverwirklichung bei anderen Treuhandverletzungen (vgl 26 Os 15/15y).
Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld war somit – wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte – der Erfolg zu versagen.
Die – nicht weiter begründete – Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe, mit der der Beschuldigte „allenfalls auch eine Ermahnung durch den Disziplinarrat ...“ oder eine Reduzierung der Geldbuße begehrt, ist nur teilweise berechtigt.
Ein [gemeint] schriftlicher Verweis scheidet als die nach dem Strafenkatalog des § 16 geringste zu verhängende Sanktion schon deshalb aus, weil dem Berufungswerber eine Vielzahl von Deliktsfällen über einen längeren Zeitraum zur Last fällt.
Die mit 2.000 Euro bemessene Geldstrafe liegt zwar erheblich unter der Durchschnittsstrafe, wenn ein Beschuldigter zu seinen Einkommensverhältnissen keine konkreten Angaben macht. Allerdings sah sich der Oberste Gerichtshof fallbezogen veranlasst, sowohl die lange Verfahrensdauer als auch die Umstände, dass es zu keinem Schaden für die Treugeber kam und dass das Fehlverhalten geraume Zeit unbeanstandet blieb, als Grundlage einer geringeren Sanktion für den knapp vor der Pension stehenden, über Jahrzehnte eine untadelige Berufstätigkeit aufweisenden Berufungswerber zu nehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt.
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