OGH 26Os15/14x

OGH26Os15/14x15.6.2015

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 15. Juni 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Hahnkamper und Dr. Schimik sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Danzl in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zonsics als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen Mag. *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 23. Oktober 2013, AZ D 157/09, D 222/11, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Koenig, der Kammeranwalt-Stellvertreterin Dr. Hoffelner und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0260OS00015.14X.0615.000

 

Spruch:

Der Berufung wird Folge gegeben und über den Beschuldigten eine Geldbuße von 700 Euro verhängt.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Mag. ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt und zur Disziplinarstrafe eines schriftlichen Verweises verurteilt.

Danach hat er

1. zu D 157/09

a) im Zusammenhang mit einer für ein Bauprojekt in Wien übernommenen Treuhandschaft am 10. April 2008, und zwar im Fall F***** entgegen Punkt IV. des Kaufvertrags vom 18. Oktober 2007 einen Betrag von 8.640 Euro und im Fall S***** entgegen Punkt IV. des Kaufvertrags vom 24. Jänner 2008 einen Betrag von 11.580 Euro aus den Treuhanderlägen ausbezahlt, obwohl an diesen Tagen die Auszahlungsbedingungen jeweils noch nicht erfüllt waren, weil Wohnungseigentum noch nicht begründet war und im Fall S***** überdies das Eigentumsrecht der Käufer noch nicht im Grundbuch einverleibt war, sowie

b) im Zusammenhang mit dem unter Punkt a) genannten Bauprojekt die Treuhandschaft für den Fall B***** und S***** im Zeitraum vom 18. Oktober 2007 bis spätestens 17. August 2009 dem Treuhandbuch der Rechtsanwaltskammer Wien nicht gemeldet, obwohl er nach Punkt IV. Absatz 6 des von ihm verfassten Kaufvertrags vom 18. Oktober 2007 zum Treuhänder bestellt worden war, sowie

2. zu D 222/11

als Treuhänder in mehreren im Disziplinarerkenntnis genannten Fällen betreffend den Ankauf von Eigentumswohnungen vom 25. März 2006 bis Ende November 2008 und vom 30. November 2007 bis Ende 2010 die in den Kaufverträgen enthaltenen Auszahlungsbestimmungen nicht eingehalten „und sohin die übernommenen Treuhandschaften nicht ordnungsgemäß bzw. nicht über das eATHB abgewickelt“.

Er wurde hiefür nach § 16 Abs 1 Z 1 DSt zur Disziplinarstrafe eines schriftlichen Verweises verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Ausspruch über die Strafe richtet sich die Berufung des Kammeranwalts, mit der eine Geldbuße angestrebt wird. Ihr kommt Berechtigung zu.

Der Beschuldigte gibt ein monatliches Nettoeinkommen von 3.500 Euro und drei Sorgepflichten an. Er ist Eigentümer einer Eigentumswohnung, die er selbst benützt, und führt seine Kanzlei alleine mit zwei Teilzeitkräften.

Gemäß § 16 Abs 6 DSt ist bei Verhängung der Strafe insbesondere auf die Größe des Verschuldens und der daraus entstandenen Nachteile, vor allem für die rechtsuchende Bevölkerung, bei Bemessung der Geldbuße auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse Bedacht zu nehmen.

Der schriftliche Verweis ist nach dem Strafenkatalog des § 16 DSt die mildeste zu verhängende Strafe. Sie soll lediglich bei ganz geringen disziplinären Vergehen verhängt werden (RIS-Justiz RS0075487 [T1], RS0115711 [T1]).

Verstöße des Vertragserrichters und Treuhänders beider Vertragsteile gegen in Ansehung der Gebarung mit dem Kaufpreis getroffenen einseitig unwiderruflichen Vereinbarungen in einem Kaufvertrag sind eklatante Verstöße gegen die Treuverpflichtung gegenüber der (dadurch in ihren Rechten und Interessen verletzten) Vertragspartei. Die Übernahme von Treuhandpflichten für den Vertragserrichter geht über die bloße Vertretung einer Vertragspartei weit hinaus. Ein Verstoß gegen diese Treuepflichten kann nicht mit einem bloßen Verweis, sondern nur mit einer angemessenen Geldbuße als Disziplinarstrafe geahndet werden (2 Bkd 6/97, AnwBl 1998, 7535, 632 [Strigl]).

Im vorliegenden Fall hat der Beschuldigte nicht bloß in einer Treuhandschaft, sondern in zwei Treuhandschaften eine verfrühte Auszahlung vorgenommen. Er muss sich dieses Verstoßes im Hinblick darauf, dass er zuvor beim Grundbuchführer die erst folgende grundbücherliche Durchführung des Kaufvertrags bestätigen ließ, bewusst gewesen sein.

Darüber hinaus hat der Beschuldigte in mehreren Fällen weder eine Abwicklung über das elektronische anwaltliche Treuhandbuch vorgenommen noch Untersagungserklärungen zur Durchführung einer anonymen Treuhandschaft unterfertigen lassen.

Die Vertragsparteien wurden ersichtlich auch nicht darüber aufgeklärt, dass Treuhandschaften zwingend über das elektronische anwaltliche Treuhandbuch abzuwickeln seien, außer wenn alle Vertragsparteien entsprechende Untersagungserklärungen unterfertigen und die Meldung einer anonymen Treuhandschaft an die Rechtsanwaltskammer erfolgt.

Ein Rechtsanwalt hat bei der Abwicklung von Treuhandschaften besondere Sorgfalt an den Tag zu legen. Eine Missachtung der Standesvorschriften in Treuhandangelegenheiten ist besonders geeignet, das Vertrauen der rechtsuchenden Bevölkerung in den Berufsstand der Rechtsanwälte zu beeinträchtigen.

Auch wenn es bei der Abwicklung der nicht dem elektronischen anwaltlichen Treuhandbuch gemeldeten Treuhandschaften zu keinen (weiteren) Unregelmäßigkeiten gekommen ist, kann im vorliegenden Fall vor allem angesichts der beiden dem elektronischen anwaltlichen Treuhandbuch gemeldeten Treuhandschaften, bei denen es zu vertragswidrigen verfrühten Auszahlungen gekommen ist, nicht mit der mildesten Strafe das Auslangen gefunden werden.

Der Umstand, dass der Beschuldigte in einer Reihe von Treuhandschaften gegen die vereinbarten Treuhandbedingungen oder das Treuhandstatut, sohin gegen die Standesregeln verstoßen hat, wurde vom Disziplinarrat nicht ausreichend erschwerend berücksichtigt.

Unter Berücksichtigung der festgestellten Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten war daher von einer angemessenen Geldbuße von 1.000 Euro auszugehen. Zum Ausgleich für die nicht vom Beschuldigten zu vertretende lange Verfahrensdauer war davon ein Betrag von 300 Euro in Abschlag zu bringen, womit sich eine zu verhängende Geldbuße von 700 Euro ergab.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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