OGH 7Ob128/19b

OGH7Ob128/19b18.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* P*, vertreten durch Dr. Wolfgang Schöberl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G* P*, vertreten durch Dr. Wolfgang Riha, Rechtsanwalt in Wien, wegen 24.894,88 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 6. Mai 2019, GZ 58 R 10/19x‑34, womit das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 22. November 2018, GZ 15 C 683/17w‑26, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126467

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 860,58 EUR (darin 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab. Die Entscheidung kann sich auf die Anführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Da der Schenkungsvertrag nicht in Form eines Notariatsakts errichtet wurde, könnte der Sohn der Beklagten nur Eigentum an den Liegenschaftsanteilen (Wohnungseigentum) erworben haben, wenn entweder bei oder unmittelbar vor Vertragsabschluss eine wirkliche Übergabe der Liegenschaft iSd § 943 ABGB stattgefunden hat oder wenn eine Heilung durch nachträgliche Erfüllung des ursprünglich formungültigen Rechtsgeschäfts (§ 1432 ABGB) erfolgt ist (9 Ob 149/04h).

2. „Wirkliche Übergabe“ im Sinne des Gesetzes (§ 943 ABGB, § 1 lit d NotAktsG) sind die körperliche Übergabe, die Übergabe durch Zeichen, die Besitzauflassung, die Besitzanweisung, grundsätzlich nicht aber die Besitzauftragung (Besitzkonstitut). Sie bedeutet nichts anderes als das Gegenteil der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsversprechens und verlangt, dass neben dem Schenkungsvertrag ein anderer, von diesem verschiedener und als Übergabe erkennbarer Akt gesetzt wird, der nach außen in Erscheinung tritt und geeignet ist, dem Willen des Geschenkgebers Ausdruck zu verleihen, das Schenkungsobjekt aus seiner Gewahrsame in die des Beschenkten zu übertragen (vgl RS0011143; RS0011214; RS0011295 [T16], RS0011383 [insb T6]).

Wie die wirkliche Übergabe iSd § 943 ABGB zu erfolgen hat, ist nach den Umständen des Einzelfalls und dem Zweck, den Zuwender vor übereilten Entschließungen zu schützen, zu beurteilen (RS0018975 [T2], RS0011383 [T13]). Ob eine besondere Konstellation, wonach die Notwendigkeit eines Übereilungsschutzes des Schenkers ausgeschlossen werden kann, gegeben ist oder nicht, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Diese Frage lässt sich daher nicht allgemeingültig beantworten und ist demnach nur dann erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterläuft, die aus Gründen der Rechtssicherheit bzw Einzelfallgerechtigkeit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden muss (vgl 7 Ob 188/05f).

3. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass vor der (notariell beglaubigten) Unterfertigung des Schenkungsvertrags eine Liegenschaftsbegehung aller Vertragsparteien zum Zweck der Übergabe stattfand, dem Geschenknehmer ein Schlüssel ausgefolgt wurde, die Beklagte und ihr Mann mehrere Monate danach, nach dem vorläufigen Scheitern der grundbücherlichen Durchführung, eine Ergänzung des Schenkungsvertrags (Korrektur des Geburtsdatums des Geschenknehmers) notariell unterfertigten und sodann die tatsächliche Verbücherung erfolgte. Auf eine Formungültigkeit des Schenkungsvertrags haben sich die Geschenkgeber in der Folge auch nie berufen. Damit hält sich die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass unter den Gesamtumständen des vorliegenden Einzelfalls eine dem Schutzzweck entsprechende wirkliche Übergabe iSd § 943 ABGB vorliegt, im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO; die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sie diente daher der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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