European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E125781
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 2 ASGG, § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Als Inhaber eines Betriebs iSd § 34 ArbVG ist anzusehen, wer über die Arbeitsstätte verfügen kann und daher auch in der Lage ist, durch zweckentsprechenden Einsatz der vorhandenen technischen und immateriellen Mittel Arbeitsergebnisse zu verfolgen. Die rechtliche Beschaffenheit des über die Arbeitsstätte Verfügungsberechtigten ist ebenso irrelevant wie die Beschaffenheit der unternehmerischen Zielsetzung. Der Betriebsinhaber muss mit dem arbeitsvertragsrechtlichen Arbeitgeber nicht ident sein (RIS‑Justiz RS0051097). Auch mehrere rechtlich selbständige Unternehmen oder zwei Konzerngesellschaften können einen einheitlichen Betrieb bilden (8 Ob 22/13p mwN).
Ob ausreichende Kriterien vorliegen, um von der gemeinsamen Betriebsinhaberschaft zweier rechtlich selbstständiger Unternehmen ausgehen zu können, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab.
Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof aber nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste. Bewegt sich das Berufungsgericht im Rahmen der Grundsätze einer ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und trifft es seine Entscheidung ohne grobe Fehlbeurteilung, so liegt eine erhebliche Rechtsfrage nicht vor (RS0044088 [T8, T9]).
Hier obliegt der Beklagten aufgrund eines unbefristeten Generalbetreibervertrags samt Zusätzen die Führung des gesamten operativen Geschäfts des Beschäftigerbetriebs der Klägerin, sie stellt das Schlüsselpersonal für dessen Betriebsführung zur Verfügung, wogegen der Einfluss der Eigentümergesellschaft auf die Betriebsführung vertraglich weitgehend ausgeschlossen ist. Die Beklagte verfügt außerdem als Minderheitsgesellschafterin der Eigentümerin über ein Sonderrecht bei der Geschäftsführung. Sie kann zwei Geschäftsführer mit kollektiver Vertretungsbefugnis bestellen. Sie kann mit diesen Rechten im Wesentlichen über den Betrieb verfügen und ist in der Lage, durch zweckentsprechenden Einsatz der Betriebsmittel Arbeitsergebnisse zu verfolgen. Sie ist auch über die Gestaltung ihrer „Management Fee“ am wirtschaftlichen Ergebnis beteiligt. Wenn das Berufungsgericht die Beklagte unter diesen Umständen als Mitinhaberin des Betriebs beurteilt hat, hält es sich damit im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung.
2. Ist bereits die Mitinhaberschaft zu bejahen, kann die Frage auf sich beruhen, ob das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Stellung der Klägerin im Beschäftigerbetrieb auch deswegen der Beklagten gegenüber maßgeblich ist, weil eine gemeinsame Konzernvertretung besteht. Auf die dagegen in der Revision erhobenen Einwendungen kommt es im Ergebnis nicht an.
3. Für die Qualifikation als leitende Angestellte iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG kommt es vor allem auf die Entscheidungsbefugnis im personellen Bereich an, weil sie den Interessengegensatz zu den übrigen Belegschaftsmitgliedern bewirkt, der der Ausnahmebestimmung zugrundeliegt (RS0053034). Allein die Aufgabe der Vorbereitung von Personalentscheidungen genügt dafür nicht (RS0053034 [T7]).
Es ist aber andererseits nicht erforderlich, dass dem leitenden Angestellten alleinige Entscheidungskompetenz in allen Personalangelegenheiten zukommt. Der Oberste Gerichtshof hat beispielsweise ausgesprochen, dass die Stellung unter einem handelsrechtlichen Geschäftsführer oder die Unterwerfung eines Geschäftsleiters an Weisungen des Vorstands in Personalfragen einer Qualifikation als leitenden Angestellten nicht entgegensteht (9 ObA 413/97v). Es ist nicht erforderlich, dass der leitende Angestellte über eine Prokura, Handlungsvollmacht oder Zeichnungs- bzw Vertretungsbefugnis nach außen verfügt, da dies über den maßgebenden Einfluß auf die Betriebsführung allein noch nichts aussagt, ihn aber auch nicht ausschließt (9 ObA 66/18y).
Im vorliegenden Fall war der Klägerin als General Manager die Gesamtverantwortung für die Führung des Beschäftigerbetriebs mit zunächst rund 180, später rund 100 Vollzeitäquivalenten an Mitarbeitern überantwortet. Sie konnte Einstellungen und Auflösungen von Dienstverhältnissen bis unterhalb der Position von Bereichsleitern eigenverantwortlich entscheiden. Allerdings hatte sie bei der Gewährung von Gehaltserhöhungen budgetäre Vorgaben einzuhalten und Urkunden mussten im Sinne eines Vier-Augen-Prinzips auch vom Geschäftsführer oder dem Prokuristen – dessen Vorgesetzte die Klägerin aber im operativen Geschäft war – mit unterzeichnet werden. Sie war Ansprechpartnerin des Betriebsrats auf Arbeitgeberseite.
Die Beurteilung, dass der Klägerin in ihrer dargestellten Position so wesentliche Entscheidungsmacht in Personalangelegenheiten zukam, dass ein Interessengegensatz zur Belegschaft bestand und sie als leitende Angestellte iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG zu qualifizieren war, bewegt sich jedenfalls noch im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.
Insgesamt zeigt die Revision damit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
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