European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E125493
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Die Antragsteller beantragten die Bewilligung der Akteneinsicht in den Sachwalterschaftsakt der im Jahr 2012 verstorbenen Betroffenen. Um die Höhe des in einem gegen sie angestrengten Zivilprozess behaupteten Schadens verifizieren zu können, sei die Akteneinsicht im beantragten Umfang erforderlich. Es sei auch notwendig, den Erben nach der Betroffenen den Streit zu verkünden.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu, ohne einen Bewertungsausspruch zu treffen.
Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs zeigen die Antragsteller keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:
Rechtliche Beurteilung
1. Ist der Rekurs ohnehin als unzulässig zurückzuweisen, wäre es ein überflüssiger Formalismus, wollte man die Akten dem Rekursgericht mit dem Auftrag zurückstellen, seinen Beschluss durch einen Ausspruch nach § 59 Abs 2 AußStrG zu ergänzen (vgl 8 Ob 42/15g mwN; RS0007063). Erwägungen, ob der Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts rein vermögensrechtlicher Natur ist (vgl RS0010054 [T1]; vgl aber 1 Ob 173/07h), können daher dahinstehen.
2. Die Antragsteller sind weder Rechtsnachfolger der Betroffenen noch Beteiligte des Sachwalterschaftsverfahrens oder des Verlassenschaftsverfahrens nach der Betroffenen.
Gemäß § 141 AußStrG (in der gemäß § 207m Abs 1 AußStrG hier anzuwendenden Fassung vor dem 2. ErwSchG [BGBl I 59/2017]) dürfen vom Gericht Auskünfte über die Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse nur dem betroffenen Pflegebefohlenen und seinen gesetzlichen Vertretern, nicht aber sonstigen Personen oder Stellen erteilt werden. Daraus folgert die Rechtsprechung, dass Dritte kein Recht auf Akteneinsicht in den Sachwalterschaftsakt haben, selbst wenn sie ein berechtigtes (rechtliches) Interesse daran geltend machen können (9 Ob 66/17x; 5 Ob 121/15b; 3 Ob 257/15p; RS0125886 [T3]).
Ob der Einsichtswerber allenfalls berechtigte (vermögensrechtliche) Ansprüche gegen den Pflegebefohlenen hat, ist nicht entscheidend. Denn das Pflegschaftsverfahren dient ausschließlich dem Schutz der Interessen des Pflegebefohlenen (5 Ob 121/15b). Es wird geführt, um diesen Schutz zu gewährleisten, nicht aber um Dritten Möglichkeiten einzuräumen, die ihnen sonst nicht zukommen. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 141 AußStrG ist daher selbst einem (künftigen) Prozessgegner eines Pflegebefohlenen – auch nach dessen Ableben – keine Akteneinsicht in den Pflegschaftsakt zu gewähren (3 Ob 298/05b; 8 Ob 71/03d; RS0005812). Aus diesen Gründen teilt der Senat die verfassungsrechtlichen Bedenken der Antragsteller nicht, die in dieser Rechtslage eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art 7 BV-G; Art 2 StGG) erblicken, weil Pflegebefohlene bei Vorliegen einer unrechtmäßigen Bereicherung nicht schutzwürdiger seien als Personen, für die kein Sachwalter bestellt sei.
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