OGH 5Ob121/15b

OGH5Ob121/15b14.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Dr. Painsi als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der J***** G*****, geboren am *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers R***** G*****, vertreten durch Dr. Anton Tschann, Rechtsanwalt in Bludenz, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 12. Mai 2015, GZ 1 R 128/15d‑40, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirch vom 24. Februar 2015, GZ 10 P 280/13a‑33, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00121.15B.0714.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Antragsteller ist der Sohn der Betroffenen. Er begehrte, ihm eine vollständige Ausfertigung des Pflegschaftsakts gegen Kostenbekanntgabe zu übermitteln. Es lägen Hinweise vor, dass es im Zusammenhang mit dem Verkauf des Hälfteanteils der Betroffenen an einer Liegenschaft zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Das Schätzgutachten, mit dem angebliche Pflege‑ und Betreuungsleistungen bewertet worden seien, basiere auf falschen Grundlagen. Auch habe ihm die Betroffene wiederholt zugesichert, dass er ihren Anteil an der Liegenschaft erben werde. Er sei daher der festen Überzeugung, dass der Verkauf nicht im Interesse der Betroffenen gelegen gewesen sei.

Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des Antrags durch das Erstgericht und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers, der keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigt.

1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass Dritten im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 141 AußStrG grundsätzlich kein Recht auf Akteneinsicht zukommt, ohne dass es auf ein (sonst) als „rechtlich“ zu qualifizierendes Interesse des Antragstellers ankäme (3 Ob 17/10m; 1 Ob 98/12m; 4 Ob 38/13m; vgl auch C. Graf , Akteneinsicht im Außerstreitverfahren und § 141 AußStrG, Zak 2007, 427 [429]). Gemeinsam ist diesen Entscheidungen, auf die auch der Revisionsrekurswerber Bezug nimmt, dass § 141 AußStrG dem Begehren eines Dritten auf Akteneinsicht in einem Sachwalterschaftsverfahren auch dann entgegensteht, wenn er ein berechtigtes (rechtliches) Interesse daran geltend machen kann.

2. § 141 AußStrG stellt eine Schutzvorschrift zu Gunsten des Pflegebefohlenen dar. In den Entscheidungen 3 Ob 17/10m und 1 Ob 98/12m wurde daher die Möglichkeit offen gelassen, dass Dritten im Sachwalterschaftsverfahren allenfalls Akteneinsicht gewährt werden könnte, wenn diese zur Wahrnehmung der Interessen des Pflegebefohlenen Einsicht nehmen wollen. In der Entscheidung 4 Ob 38/13m wurde unter Bezugnahme auf die personenbezogenen Bestandteile des Sachwalterschaftsakts hingegen darauf abgestellt, dass dies nur dann zu bejahen wäre, wenn die Akteneinsicht ausschließlich im Interesse des Pflegebefohlenen erfolgt. Eine nähere Auseinandersetzung mit der vom Revisionsrekurswerber daraus abgeleitete Judikaturdivergenz und damit mit der von ihm als erheblich erachteten Rechtsfrage, ob es für die Akteneinsicht des Dritten genügt, wenn dadurch auch Interessen des Pflegebefohlenen wahrgenommen werden, oder ob sie ausschließlich in dessen Interesse gelegen sein muss, erübrigt sich hier schon aus nachstehenden Überlegungen:

3.1 Bereits das Rekursgericht hat darauf hingewiesen, dass der Revisionsrekurswerber in seinem Antrag geltend machte, er verfüge über den Kaufvertrag, dessen Rückabwicklung ‑ so seine Ankündigung im Revisionsrekurs ‑ er nach Einsicht in den Pflegschaftsakt wegen des seines Erachtens nach zu niedrigen Kaufpreises und der darauf in Anrechnung gebrachten Pflegeleistungen initiieren wolle. Sein Vorbringen macht darüber hinaus deutlich, dass er auch über die der Bewertung der Pflegeleistungen zugrunde gelegten Umstände Bescheid weiß. Er hat diese Bedenken zum Gegenstand seiner Eingabe gemacht. Welche weiteren Informationen der Antragsteller darüber hinaus durch die von ihm begehrte Übersendung einer Kopie des Sachwalterschaftsakts im Zusammenhang mit dem Verkauf des Liegenschaftsanteils der Pflegebefohlenen gewinnen will, um dadurch deren Interessen zu fördern, ist nicht zu erkennen.

3.2 Das Pflegschaftsverfahren dient ausschließlich dem Schutz der Interessen des Pflegebefohlenen. Ist für die im Sinne des § 21 Abs 1 ABGB unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehenden Betroffenen ein Sachwalter bestellt, so hat das Gericht dessen Tätigkeit in geeigneter Form zu überwachen, die Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der von ihm vorgenommenen oder beabsichtigten Rechtshandlungen zu prüfen und ihm erforderlichenfalls bindende Weisungen zu erteilen ( Beck in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 141 Rz 21; 7 Ob 48/03i). Der Antragsteller hat in Kenntnis der wesentlichen Grundlagen seine Bedenken im Zusammenhang mit dem Verkauf der Liegenschaftshälfte aktenkundig gemacht. Sollten sich daraus allenfalls Anhaltspunkte für ein Vorgehen im Interesse der Pflegebefohlenen ergeben, hat ihnen das Gericht im Sinne einer Anregung pflichtgemäß nachzugehen (vgl Kodek in Gitschthaler/Höllwerth aaO § 2 AußStrG Rz 38). Auf eine andere Weise als im Wege einer solchen Anregung ließe sich eine Anfechtung des Kaufvertrags, die ganz offensichtlich das primäre Interesse des Antragstellers darstellt, wenn er davon spricht, dessen Rückabwicklung initiieren zu wollen, auch nicht bewirken, solange die Sachwalterschaft aufrecht besteht. Dass die Vorinstanzen bei dieser Sachlage den Antrag auf Übermittlung einer vollständigen Ausfertigung des Pflegschaftsakts abwiesen, begründet daher keine im Einzelfall (vgl 10 Ob 89/07x) aufzugreifende Fehlbeurteilung.

4. Auf Fragen im Zusammenhang mit der Auswahl der Person der Sachwalterin ist aus Anlass des vorliegenden Rechtsmittels nicht einzugehen. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedarf (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Stichworte