OGH 9ObA67/19x

OGH9ObA67/19x25.6.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller und Helmut Frick als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. M***** B*****, vertreten durch Mag. Georg Derntl, Rechtsanwalt in Perg, gegen die beklagte Partei Mag. C***** S*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der W***** GmbH (AZ: ***** des Landesgerichts Linz), vertreten durch Hengstschläger Lindner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Feststellung einer Konkursforderung (16.159,70 EUR sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 15.461,01 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. April 2019, GZ 11 Ra 18/19z‑13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00067.19X.0625.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.  In den Rechtsfolgen unterscheidet sich der begünstigte Austritt des Arbeitnehmers nach § 25 IO nicht von einem begründeten Austritt nach allgemeinem Arbeitsrecht. Der Arbeitnehmer hat daher gemäß § 25 Abs 2 IO auch Anspruch auf Schadenersatz (RS0028174) in der Art der Kündigungsentschädigung (RS0120259 [T3]; RS0028174). Dem Arbeitnehmer gebührt die Kündigungsentschädigung bis zum fiktiven Ende des Arbeitsverhältnisses durch ordnungsgemäße Arbeitgeberkündigung. Er ist so zu stellen, als ob das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber ordnungsgemäß beendet worden wäre (RS0120259 [T4]). Ob und in welchem Umfang der gemäß § 25 Abs 2 IO ausgetretene Arbeitnehmer Anspruch auf Kündigungsentschädigung hat, hängt daher davon ab, inwieweit ihm bei ordnungsgemäßer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung des Masseverwalters überhaupt vertragsmäßige Ansprüche auf das Entgelt zugestanden wären (RS0119684).

2.  Hat der gemäß § 25 IO ausgetretene Arbeitnehmer in dem Zeitraum, der vom Austritt bis zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die mögliche ordnungsgemäße Kündigung durch den Masseverwalter verstrichen wäre, aus besonderen Gründen keine vertragsmäßigen Entgeltansprüche, steht ihm keine Kündigungsentschädigung zu (8 ObS 4/12i Pkt 3.3. mwN; RS0106046).

3.  Dies ist auch dann der Fall, wenn – wie hier – der Arbeitnehmerin infolge ihrer Karenz nach § 15 Abs 1 MSchG für die Zeit der fiktiven Weiterdauer der Karenz innerhalb der fiktiven Kündigungsfrist kein Entgeltanspruch zusteht (8 Ob 2092/96x; 8 ObS 4/12i = ZAS 2012/63 [ Gerhartl Pkt 2.]; 8 ObS 15/04w; vgl Reissner in Neumayr/Reissner , ZellKomm³ Rz 41 zu § 25 IO). Der Arbeitnehmer soll dadurch, dass er vorzeitig ausgetreten ist, nicht bessergestellt werden, als wenn das Arbeitsverhältnis noch bis zum Verstreichen der gesetzlichen Kündigungsfrist gedauert hätte (8 Ob 2092/96x). Dabei wird nach der Rechtsprechung in bestimmten Fällen auch berücksichtigt, dass eine nach Austritt erfolgte Betriebsstilllegung den Kündigungsschutz mit diesem Zeitpunkt beseitigt hätte, weshalb der fiktive Kündigungstermin von diesem Zeitpunkt an ermittelt wird (8 Ob 2092/96x; 9 ObA 207/93; Reissner in Neumayr/Reissner , ZellKomm³ Rz 41 zu § 25 IO mwN).

4.  Übereinstimmend haben die Vorinstanzen das Begehren der Klägerin auf Feststellung einer Konkursforderung von 15.461,01 EUR an Kündigungsentschädigung für die Zeit von 27. 2. 2018 bis 30. 6. 2018 abgewiesen. Die Entscheidungen entsprechen den vorab dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung.

5.  Die Klägerin war bei der Gemeinschuldnerin seit 4. 4. 2011 als Angestellte im Einkauf beschäftigt. Vom 21. 12. 2016 bis 12. 4. 2017 befand sie sich im Mutterschutz und im Anschluss daran im vereinbarten zweijährigen Karenzurlaub. Mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 31. 8. 2017 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Am 26. 2. 2018 erklärte die Klägerin ihren vorzeitigen Austritt gemäß § 25 IO.

6.  Die in der außerordentlichen Revision der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, wie lange bei konkursbedingtem Austritt und Betriebsstilllegung während des Karenzurlaubs die Kündigungsentschädigung gebührt, ist hier nicht entscheidungswesentlich. Für die Zeit der fiktiven Weiterdauer der Karenz, für die die Klägerin Kündigungsentschädigung begehrt, hatte sie keinen Entgeltanspruch (§ 15 Abs 1 MSchG); dies unabhängig vom (nicht festgestellten) Zeitpunkt der Betriebsstilllegung und einer allfälligen (fiktiven) Kündigungsmöglichkeit des Beklagten. Die in diesem Zusammenhang in der Revision geltend gemachten „Verfahrensmängel infolge Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung“ liegen daher nicht vor.

7.  Soweit die Klägerin meint, es sei sachlich nicht gerechtfertigt, sie gegenüber nicht karenzierten Arbeitnehmern ungleich zu behandeln, verkennt sie, dass der Anspruch auf Kündigungsentschädigung – wie bereits eingangs dargelegt – grundsätzlich davon abhängt, inwieweit dem Arbeitnehmer bei ordnungsgemäßer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber bzw Masseverwalter überhaupt vertragsmäßige Ansprüche auf das Entgelt zugestanden wären. Wäre dem Arbeitnehmer – wie hier der Klägerin – für die Zeit der fiktiven Weiterdauer der Karenz kein Entgelt zugestanden, befindet er sich in einer anderen Lage als der Arbeitnehmer, der einen Entgeltanspruch gehabt hätte, weshalb eine unterschiedliche Beurteilung dieser unterschiedlichen Sachverhalte sachlich gerechtfertigt ist.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

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