OGH 2Ob26/19s

OGH2Ob26/19s24.6.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Versicherungs‑Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Andreas Kolar, Rechtsanwalt in Innsbruck, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei H***** B*****, vertreten durch Dr. Eckhard Tasler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Z***** Versicherungs-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Josef-Michael Danler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 214.487,87 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 29. November 2018, GZ 1 R 102/18m‑48, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00026.19S.0624.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Rechtliche Qualifikationen können nicht Gegenstand eines prozessualen Geständnisses sein (RS0111277). Gegenstand einer Außerstreitstellung können daher nur Tatsachenbehauptungen sein, aber nicht Rechtsausführungen oder das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechtsverhältnissen (RS0111277 [T4]). Wird durch eine Erklärung des Beklagten kein dieser Erklärung zugrunde liegender Tatsachenkomplex zugestanden, sondern bloß ein rechtliches Element, auf dem der Klagsanspruch beruht, für zutreffend erkannt, so liegt darin weder ein (eingeschränktes) Anerkenntnis noch kann diese Erklärung den Richter in seiner Rechtsanwendung binden (RS0039938). Für die Beurteilung der Rechtsfrage, ob der klagenden Partei als Haftpflichtversicherer eines ausgleichsberechtigten Mitschädigers ein Direktanspruch iSd § 26 KHVG gegen die beklagte Partei als Haftpflichtversicherer des Ausgleichspflichtigen zukommt (dazu 2 Ob 35/15h; RS0130396), ist daher die „Außerstreitstellung“ der Passivlegitimation unerheblich (vgl 4 Ob 18/13w [„Aktivlegitimation“]).

2. Ob die beklagte Partei durch die Zurückziehung ihrer „Außerstreitstellung“ der Passivlegitimation rechtsmissbräuchlich oder wider Treu und Glauben gehandelt hat, ist im vorliegenden Fall nicht entscheidend. Ein Direktklagerecht kann in Form eines Schuldbeitritts durch den Versicherer auch rechtsgeschäftlich eingeräumt werden (vgl 7 Ob 182/17s [Versicherungsbedingungen]). Bei einem Schuldbeitritt wurde das Erfordernis einer ausdrücklichen schriftlichen Verpflichtungserklärung in analoger Anwendung des § 1346 Abs 2 ABGB in der Rechtsprechung nur im Fall einer Interzession iSd § 25c KSchG angenommen (9 Ob 50/17v; 4 Ob 205/09i; RS0126112). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil die beklagte Partei wirtschaftlich den Schaden für ihren Versicherungsnehmer ohnehin zu tragen hat. Ob aus dem Verhalten der beklagten Partei ein konkludenter Schuldbeitritt (vgl etwa 3 Ob 124/03m; RS0108117) abzuleiten ist, ist durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln. Dabei gilt die Vertrauenstheorie; es kommt darauf an, welchen Eindruck der Erklärungsempfänger aus dem Verhalten des Erklärenden redlicherweise haben musste (vgl RS0014205; RS0014160). Die Handlung – oder Unterlassung – muss nach der Verkehrssitte und nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig den Schluss zulassen, dass ein bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt, wobei stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung heranzuziehen sind (RS0109021). Ob eine konkludente Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie gegebenenfalls hat, begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RS0109021 [T5, T6]).

Nach den vom Berufungsgericht gebilligten Feststellungen ließ die beklagte Partei den Schadensreferenten der klagenden Partei im Zuge der vorprozessualen Korrespondenz stets im Glauben, dass sie auch im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung für die erhobenen Ansprüche der klagenden Partei gegen ihren Versicherungsnehmer im Falle deren Berechtigung direkt einstehen werde. In der Klagebeantwortung erklärte die beklagte Partei, ihre Passivlegitimation außer Streit zu stellen und bestritt lediglich das Alleinverschulden ihres Versicherungsnehmers am Zustandekommen des Verkehrsunfalls und die Höhe des Klagebegehrens. Vor diesem Hintergrund durften die Vertreter der klagenden Partei als redliche Erklärungsempfänger die Außerstreitstellung der Passivlegitimation durch die beklagte Partei, der als Kfz‑Haftpflichtversicherung die Bestimmung des § 26 KHVG bekannt sein musste, auch als materiell‑rechtliche Erklärung verstehen und ihr den objektiven Erklärungswert beilegen, dass die beklagte Partei für die erhobenen Ansprüche der klagenden Partei gegen ihren Versicherungsnehmer im Falle deren Berechtigung direkt einstehen werde. Die bereits vom Erstgericht sinngemäß angenommene schlüssige Vereinbarung eines Direktklagerechts ist daher zutreffend.

3. Mangels Vorliegens einer erheblichen, für die Entscheidung auch präjudiziellen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen (2 Ob 40/19z; RS0088931).

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