OGH 11Os22/19y

OGH11Os22/19y2.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. April 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rögner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Roman U***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1), 130 Abs 3 (iVm Abs 1 erster Fall) und 15 StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des genannten Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 19. November 2018, GZ 37 Hv 122/18b‑17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00022.19Y.0402.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, im (beide Angeklagten betreffenden) Verfallsausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Roman U***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem – auch einen Schuld- und einen Strafausspruch des Mitangeklagten enthaltenden – angefochtenen Urteil wurde Roman U***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1), 130 Abs 3 (iVm Abs 1 erster Fall) und 15 StGB (A) sowie des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er in I***** und H*****

(A) im Ersturteil angeführten Gewahrsamsträgern dort näher bezeichnete fremde bewegliche Sachen von 5.000 Euro übersteigendem Wert mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung durch Einbruch in Wohnstätten begangener Diebstähle ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, teils weggenommen, teils dies versucht, indem er durch Aufbrechen des Schließzylinders der Eingangstür in die jeweilige Wohnung gelangte, und zwar

(I) in sieben vom 11. bis zum 25. Juni 2018 begangenen Angriffen;

(II) in zwei vom 28. November bis zum 1. Dezember 2017 begangenen Angriffen;

(B) durch eine der vom Schuldspruch A I erfassten Taten die Kreditkarte des Lukas A*****, somit ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, dessen Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern.

 

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen den ihn betreffenden Strafausspruch (des im Übrigen unbekämpft gebliebenen Ersturteils) wendet sich die aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des genannten Angeklagten.

 

Nach den Urteilsannahmen weise „die internationale Strafregisterauskunft“ des Beschwerdeführers „mehrere“ – (wovon das Schöffengericht mit hinreichender Deutlichkeit [Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19] ausging:) ausnahmslos ausländische – Verurteilungen aus. Im Jahr 1987 sei er „wegen Sittlichkeitsdelikten zu vier Jahren Haft“, im Jahr 1988 „zu fünf Jahren Haft wegen Diebstahls“, im Jahr 1992 „wegen Diebstahls und anderer Delikte zu sieben Jahren Haft“, im Jahr 2000 „zu einer neunjährigen Haftstrafe wegen Raubes“ und im Jahr 2010 „zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe wegen versuchten Mordes“ verurteilt worden (US 5). Auf dieser Feststellungsgrundlage wertete es bei der Strafbemessung eine „massiv einschlägige Vorstrafenbelastung“ des Nichtigkeitswerbers als erschwerend im Sinn des § 33 Abs 1 Z 2 StGB (US 14).

Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) behauptet insoweit einen „Rechtsfehler mangels Feststellungen“ zur Frage, ob diese Verurteilungen – wie von § 73 StGB verlangt – in einem den Grundsätzen des Art 6 MRK entsprechenden Verfahren ergangen sind.

Ihrer Erledigung sei vorangestellt, dass der besondere Erschwerungsgrund des § 33 Abs 1 Z 2 StGB schon dann vorliegt, wenn der nunmehr abzuurteilenden Tat auch nur eine (rechtskräftige und zum Zeitpunkt der Urteilsfällung nicht getilgte – Ebner in WK2 StGB § 33 Rz 6 mwN; RIS‑Justiz RS0106650; zu ausländischen Verurteilungen überdies § 7 TilgG) Verurteilung des Rechtsbrechers wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruhenden Tat voranging. Ob oder wieviele weitere solche Verurteilungen vorliegen, betrifft – aus Z 11 zweiter Fall bedeutungslos – nur das Gewicht des in Rede stehenden Strafzumessungsgrundes (vgl RIS-Justiz RS0116878).

Gemäß § 73 StGB stehen, sofern das Gesetz (wie hier § 33 Abs 1 Z 2 StGB) nicht ausdrücklich auf die Verurteilung durch ein inländisches Gericht abstellt, ausländische Verurteilungen inländischen gleich, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist, und in einem den Grundsätzen des Art 6 MRK entsprechenden Verfahren ergangen sind.

Zwar wird im Ersturteil – worauf die Nichtigkeitsbeschwerde und die hierzu erstattete Stellungnahme der Generalprokuratur übereinstimmend hinweisen – in tatsächlicher Hinsicht keine Aussage dazu getroffen, ob letztere Voraussetzung in Bezug auf (irgend-)eine der festgestellten Verurteilungen des Beschwerdeführers erfüllt ist.

Allerdings wird diese Voraussetzung als Ausnahmesatz begriffen: Nur bei in der Hauptverhandlung vorgekommenen Hinweisen darauf, dass das zum ausländischen Schuldspruch führende Verfahren (insgesamt) unfair war (Art 6 MRK), sind klärende tatsächliche Feststellungen zur rechtlichen Beurteilung dieser Frage durch das österreichische Gericht zu treffen (vgl 15 Os 130/08v und Ratz in WK2 StGB § 23 Rz 25, weshalb das Fehlen diesbezüglicher Urteilskonstatierungen nicht als Rechtsfehler mangels Feststellungen, sondern als Feststellungsmangel geltend zu machen ist – vgl RIS-Justiz RS0122332 [insbesondere T4]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 696).

Dass – in Bezug auf sämtliche (vom Erstgericht angenommenen) ausländischen Aburteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruhender Taten – solche Hinweise in der Hauptverhandlung vorgekommen (§ 258 Abs 1 StPO) wären, zeigt die Beschwerde aber nicht auf.

Sie releviert vielmehr bloß (in der Hauptverhandlung vorgekommene – ON 16 S 16 und 17) Aktenbestandteile, wonach all diese Verurteilungen durch georgische Gerichte erfolgt seien (ON 28 S 1 und 6; ON 65 S 3 ff). Schon weil aber – wie die Beschwerde selbst zutreffend darlegt – in Georgien (ohnehin) seit 1999 die MRK in Geltung steht (vgl BGBl III 2000/60), begründet dies gerade keinen Hinweis darauf, dass (insbesondere) das zur Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Raubes (somit wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat) vom Jahr 2000 führende Verfahren Art 6 MRK nicht entsprochen haben sollte. Ist doch das angesprochene Kriterium grundsätzlich als erfüllt anzusehen, wenn im betreffenden Ausland (bereits zum Zeitpunkt der Verurteilung) die MRK gilt (vgl RIS-Justiz RS0122198; Ratz in WK2 StGB § 23 Rz 25; Flora in WK2 StGB § 39 Rz 15; Salimi in WK2 StGB § 73 Rz 16).

Von einer die (rechtliche) Annahme, dass die als aggravierend gewerteten ausländischen Schuldsprüche des Angeklagten (somit auch jener vom Jahr 2000 wegen Raubes) „in Rechtskraft erwachsen sind“, tragenden Tatsachengrundlage ging das Schöffengericht mit hinreichender Deutlichkeit (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19) aus (US 5).

Mit dem Argument, den Akten sei „kein Hinweis auf die Rechtskraft“ dieser Verurteilungen zu entnehmen, stellt der Beschwerdeführer die Korrektheit der diesbezüglichen Sachverhaltsermittlung infrage. Aus Z 11 zweiter Fall nichtigkeitsrelevant ist aber nicht die Korrektheit der Feststellung von Strafzumessungstatsachen, sondern nur deren (rechts-)fehlerhafte Beurteilung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 680 und 693).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass das angefochtene Urteil mit – nicht geltend gemachter – materieller Nichtigkeit behaftet ist, die zum Nachteil der Angeklagten wirkt und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Das Erstgericht erklärte „gemäß § 20 Abs 1 und 3 StGB“ „die bei den beiden Angeklagten sichergestellten Bargeldbeträge von EUR 79,--, USD 37,-- und EUR 49,90“ für verfallen (US 5).

Dass (just) dieses (beschlagnahmte – US 15 iVm ON 43) Bargeld einen Vermögenswert darstellt, der für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurde (§ 20 Abs 1 StGB), ergibt sich aus dem Urteilssachverhalt keineswegs. Danach betrifft der – auf Verfall von Geldbeträgen lautende – Ausspruch vielmehr ausschließlich Wertersatz für dem Verfall nach § 20 Abs 1 oder Abs 2 StGB unterliegende Vermögenswerte, die (ihrerseits) nicht sichergestellt oder beschlagnahmt sind (§ 20 Abs 3 StGB; vgl US 15). Daher ist der Ausspruch (der Sache nach nur) als Verfallsausspruch nach § 20 Abs 3 StGB aufzufassen (vgl 14 Os 147/14w; 15 Os 55/15z; 11 Os 76/17m ua).

Auch der Wertersatz (§ 20 Abs 3 StGB) indes darf – wie die dem Verfall unterliegenden Vermögens- (§ 20 Abs 1 StGB) und Ersatzwerte (§ 20 Abs 2 StGB) selbst – nur dem tatsächlichen Empfänger mittels Verfall abgenommen werden. Sind Vermögenswerte mehreren Personen zugekommen, ist bei jedem Empfänger nur der dem tatsächlich rechtswidrig erlangten Vermögenswert entsprechende Betrag für verfallen zu erklären. Kumulativ- oder Solidarhaftung – wie sie das Erstgericht in Ansehung der beiden Angeklagten aussprach – ist daher verfehlt (RIS-Justiz RS0129964).

Die darin gelegene materiell‑rechtliche Nichtigkeit (Z 11 erster Fall) führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§ 285e erster Satz iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

In diesem Umfang war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck zurückzuverweisen, wobei im Sinn des letzten Satzes des § 445 Abs 2 StPO der Vorsitzende des Schöffengerichts als Einzelrichter zuständig ist (RIS-Justiz RS0100271 [insbesondere T13], RS0117920 [T1]).

 

Die Zuständigkeit zur Entscheidung über die (gegen den Ausspruch der über ihn verhängten Freiheitsstrafe gerichtete) Berufung des Angeklagten U***** kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl in WK-StPO § 390 Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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