OGH 14Os3/19a

OGH14Os3/19a5.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. März 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Schriftführers Bodinger in der Strafsache gegen Dr. Giancarlo M***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 31. Oktober 2018, GZ 37 Hv 95/18t‑14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00003.19A.0305.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch enthält, wurde Dr. Giancarlo M***** des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 30. Mai 2018 in L***** den Polizeibeamten Reinhard S***** mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und der gesellschaftlichen Stellung gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihm gegenüber sinngemäß äußerte, er werde ihn mit seinem Anwalt vor Gericht bringen und dafür sorgen, dass er in L***** keinen Dienst mehr machen würde, wobei er anmerkte, er habe dies in L***** bereits mit einem anderen Polizisten gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Mit auf Z 5 und 5a gestützten Einwänden gegen die Bejahung der Eignung der inkriminierten Drohung, dem Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflößen (US 9), übersieht die Beschwerde, dass diese Frage Gegenstand der rechtlichen Beurteilung und damit einer Anfechtung mit Mängel- und Tatsachenrüge entzogen ist (Jerabek/Ropper in WK² StGB § 74 Rz 34; RIS‑Justiz RS0092448, RS0092538 [va T2]).

Soweit mit dem Vorbringen die Urteilsannahmen zum – bei gebotener vernetzter Betrachtung der erstgerichtlichen Ausführungen trotz der beanstandeten Verwendung des Begriffs „etwa“ übrigens unmissverständlich konstatierten – Bedeutungsinhalt der Äußerung des Angeklagten (US 4, 7 f iVm US 9 f) und zur subjektiven Tatseite, vor allem in Bezug auf die Ernstlichkeit der Drohung, als offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) und erheblich bedenklich im Sinn der Z 5a kritisiert werden, rekurriert die Rüge bloß auf einzelne Urteilspassagen. Solcherart nimmt sie prozessordnungswidrig nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370,

RS0118780).

Weshalb die Ableitung der bekämpften Feststellungen aus dem Wortlaut der Äußerung (insbesondere der Ankündigung, das Opfer „vor Gericht“ zu bringen, dafür zu sorgen, dass dieses „in L***** keinen Dienst mehr machen“ werde und dem Hinweis auf einen anderen Polizeibeamten, mit dem der Angeklagte „dies bereits gemacht“ habe) sowie den Begleitumständen der Tat (so auch einer aus Presseberichten allgemein bekannten Suspendierung zweier L***** Polizeibeamter in jüngster Vergangenheit), in subjektiver Hinsicht ebenso aus dem äußeren Tatgeschehen, der Stellung und den intellektuellen Fähigkeiten des Beschwerdeführers, seinem Ärger über die Amtshandlung und insgesamt aus allgemeiner Lebenserfahrung (US 7 f) den Kriterien logischen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechen sollte (RIS‑Justiz RS0116882, RS0118317), erklärt die – die Anführung von bloß „abstrakt gehaltenen Vermutungen und Scheingründen“ behauptende – Beschwerde nicht.

Indem sie den angeführten Erwägungen der Tatrichter eigene Ansichten gegenüberstellt, erschöpft sie sich vielmehr in einem unzulässigen Angriff auf die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung und bringt damit weder einen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 zur Darstellung, noch leitet sie ihre Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen– wie bei Geltendmachung von Nichtigkeit aus Z 5a indes erforderlich (RIS‑Justiz RS0117961) – „aus den Akten“ ab.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst ausreichende Feststellungen zur subjektiven Tatseite, bezieht sich dabei aber gleichfalls nur auf eine einzelne Urteilspassage und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810). Inwiefern die Urteilsannahmen, nach denen es dem Angeklagten geradezu darauf ankam, den Bedrohten in Furcht und Unruhe vor einer Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz und gesellschaftlichen Stellung durch die Erhebung wahrheitswidriger Anschuldigungen, die zu einem Strafverfahren, einer Suspendierung und der Veröffentlichung in der Presse führen würden, zu versetzen, sein (zumindest bedingter) Vorsatz

(auch) darauf gerichtet war, beim Tatopfer den Eindruck einer ernst gemeinten Ankündigung der bevorstehenden Rechtsgutbeeinträchtigung zu erwecken und zudem eine diesbezügliche Eignung der Äußerung umfasste (US 4), für die vorgenommene Subsumtion nicht ausreichen sollten, erklärt sie nicht (RIS‑Justiz RS0099620).

Dass hiefür eine nähere Konkretisierung der zu befürchtenden wahrheitswidrigen Anschuldigungen gegen den Bedrohten und weitere Feststellungen zu einer „Absicht“ des Angeklagten, solche in weiterer Folge zu erheben oder die wirtschaftliche Existenz und gesellschaftliche Stellung des Opfers durch die Einleitung eines Strafverfahrens tatsächlich zu bewirken, mit anderen Worten Urteilsannahmen zu seiner Intention, das angedrohte Übel zu verwirklichen, erforderlich gewesen wären (vgl aber RIS‑Justiz RS0092132, RS0092519; Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 74 Rz 26; Schwaighofer ebd § 105 Rz 45 f), wird bloß unsubstantiiert behauptet. Im Übrigen genügt auch hinsichtlich des Inhalts der Drohung mit qualifizierenden Umständen im Sinn des § 107 Abs 2 StGB (bedingter) Vorsatz (RIS‑Justiz RS0093163).

Soweit die Rüge die Ernstlichkeit der Drohung bestreitet und die Ansicht vertritt, die Ankündigung, den Polizeibeamten „mit einem Anwalt … vor Gericht zu bringen“, stelle nur eine Warnung dar, weil das angedrohte Übel nicht „unmittelbar realisierbar“ sei, wobei es dem Betroffenen einer Amtshandlung frei stehen müsse, „sich in Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte auf einen Anwalt zu berufen“, orientiert sie sich erneut prozessordnungswidrig nicht am oben zitierten Urteilssachverhalt (vgl auch RIS‑Justiz RS0092687).

Dies gilt auch für die Behauptung, die festgestellte Drohung des Angeklagten stelle keine Ankündigung der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder der gesellschaftlichen Stellung, sondern „höchstens eine Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens“ dar (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10), die nicht auf den – alleine relevanten (vgl 17 Os 25/17f) – konstatierten Bedeutungsinhalt der Äußerung, sondern bloß auf deren Wortlaut abstellt.

Bleibt mit Blick auf § 290 StPO anzumerken, dass eine Drohung mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung im Sinn des § 107 Abs 2 vorletzter Fall StGB dann anzunehmen ist, wenn die Realisierung der Drohung dazu führen würde, dass der Bedrohte in einem größeren Kreis der ihn umgebenden Gesellschaft seine bisherige Wertschätzung verlieren würde (RIS‑Justiz RS0092959 [T1]; Seiler, SbgK § 106 Rz 20, vgl auch Rz 34). Auf Basis des festgestellten Bedeutungsgehalts der Drohung, insbesondere des Umstands, dass das – der Stadt L***** sowohl beruflich (US 3) als auch privat (US 6) verbundene – Opfer nach der Täterintention die Einleitung eines Strafverfahrens (vor allem wegen Missbrauchs der Amtsgewalt [US 7 f]) und eine Suspendierung (US 4, 7 f) fürchten sollte, sowie vor dem Hintergrund, dass – wie in L***** allgemein bekannt (US 4; vgl zum Kenntnisstand des Angeklagten auch US 8) – in jüngerer Vergangenheit zwei Polizeibeamte einer örtlichen Polizeiinspektion suspendiert worden waren, ist bei der gebotenen (hier im Urteil auch vorgenommenen; US 7 ff) verhältnisorientierten individuellen Prüfung (vgl 14 Os 63/11p mwN) – insbesondere unter Berücksichtigung der notorischen Öffentlichkeitswirksamkeit eines Verfahrens gegen einen Polizeibeamten (vgl US 8; zum Ganzen auch US 9 f), für den (als Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes [s § 5 Abs 2 SPG]) der Vorwurf missbräuchlicher Befugnisausübung besonders schwer wiegt – die Annahme einer solcherart qualifizierten Drohung nicht zu kritisieren.

Die in § 107 Abs 2 StGB angeführte Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz stellt eine der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung rechtlich gleichwertige Begehungsform dar (RIS‑Justiz RS0092959 [T2]), sodass sich ein Eingehen darauf erübrigt, ob durch das angedrohte Übel fallbezogen auch diese Qualifikation verwirklicht wurde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte