OGH 5Ob246/18i

OGH5Ob246/18i20.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Grohmann und Mag. Malesich sowie die Hofräte Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. L*, vertreten durch Dr. Wolfgang Zankl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei C*, vertreten durch Dr. Peter Weidisch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Entfernung (Streitwert 3.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 31. Oktober 2018, GZ 22 R 321/18m‑34, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124461

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Streitteile sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Entfernung des von ihr auf einer als Garten genützten Allgemeinfläche der Liegenschaft errichteten „Gebäudes“. Die Beklagte hält dem eine Nutzungsvereinbarung sämtlicher Wohnungseigentümer entgegen, die sie zur Errichtung von Gartenhütten und Terrassen in dem ihr zugewiesenen Gartenstreifen berechtige.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren nur für einen – näher umschriebenen – Teil des „Gebäudes“ als nicht von der Nutzungsvereinbarung gedeckt statt, wies das Mehrbegehren hingegen ab.

Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den abweisenden Teil erhobene außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1.1. Zur Frage der Wirksamkeit einer vor Inkrafttreten des WEG 2002 am 1. 7. 2002 mündlich oder auch nur konkludent abgeschlossenen Nutzungsvereinbarung und deren Übergang auf Rechtsnachfolger liegt bereits gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Vor Inkrafttreten des WEG 2002 konnten Benützungsvereinbarungen aller Wohnungseigentümer sowohl mündlich, als auch konkludent durch jahrelange Beibehaltung einer bestimmten Nutzungsart geschlossen werden (5 Ob 106/03d; RIS‑Justiz RS0013638). Nunmehr sieht § 17 Abs 1 WEG 2002 für die Benützungsvereinbarung über verfügbare allgemeine Teile der Liegenschaft die Schriftlichkeit als Formvoraussetzung vor. Dies bedeutet aber nicht, dass vor dem 1. 7. 2002 zulässigerweise mündlich oder konkludent abgeschlossene Benützungsvereinbarungen ihre Wirksamkeit verloren hätten (5 Ob 106/03d mwN). Auch die Übergangsregelung des § 56 Abs 3 WEG 2002 hat die nach der alten Rechtslage wirksam zustande gekommenen Benützungsvereinbarungen nicht beseitigt (5 Ob 51/08y; 9 Ob 47/11v; vgl auch Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 56 WEG Rz 55 mwN). Das mit dem WEG 2002 eingeführte Schriftlichkeitsgebot des § 17 Abs 1 WEG berührt allerdings den nach 30. 6. 2002 im Weg der Einzelrechtsnachfolge neu hinzutretenden Mit‑ und Wohnungseigentümer. Die Vereinbarung bleibt wirksam, wenn der Rechtsnachfolger, der seine Anteile nach diesem Zeitpunkt erwarb, mit schriftlichem Vertrag in die Rechtsstellung seines Vorgängers eintrat oder der von seinem Vorgänger (konkludent) übernommenen Verpflichtung schriftlich beitrat. Solang der Neueintritt der Mit‑ und Wohnungseigentümer – sollte er nicht ohnedies bereits in die Rechtsstellung seines Vorgängers eingetreten sein – seinen Beitritt nicht ablehnt, besteht ein Schwebezustand, währenddessen die übrigen Teilhaber an die Vereinbarung gebunden bleiben. Erst wenn feststeht, dass der Erwerber einen formgerechten Beitritt zu einer solchen Vereinbarung ablehnt, fällt die Wirksamkeit der Vereinbarung für alle Beteiligten weg (5 Ob 205/14d; 5 Ob 93/17p; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 56 WEG Rz 55 f). Die schriftliche Vereinbarung, einen Miteigentumsanteil mit allen Rechten und Pflichten, mit welchen ihn sein Vorgänger besessen und benützt hat, zu übernehmen, ist in der Regel als Eintritt in die bestehende Benützungsvereinbarung anzusehen (RIS‑Justiz RS0013619).

1.2. Die Entscheidungen der Vorinstanzen orientierten sich an diesen Rechtsprechungsgrundsätzen. Das Erstgericht hat für den Zeitraum nach Inkrafttreten des WEG 2002 hinsichtlich des Miteigentumsanteils der Klägerin mehrere Eigentümerwechsel festgestellt. Sowohl die Mutter der Klägerin als auch diese selbst haben die Wohnung aber mit allen Rechten und Befugnissen wie ihre Rechtsvorgänger diese besessen oder benützt haben oder doch zu besitzen oder zu benützen berechtigt waren sowie in Kenntnis der bestehenden Benützungsvereinbarung erworben. Dass die Vorinstanzen von einer Bindung auch der Klägerin an die bereits vor Inkrafttreten des WEG 2002 für die Gartenstreifen zunächst mündlich abgeschlossene und über die Jahre hinweg konkludent für die ausschließliche Nutzung durch die jeweiligen Mit‑ und Wohnungseigentümer zu Erholungszwecken weiterentwickelte Benützungsvereinbarung ausgingen, bedarf daher keiner Korrektur im Einzelfall.

2.1. Auch zum Änderungsbegriff in § 16 WEG 2002 liegt gesicherte Rechtsprechung vor. Demnach ist dieser Begriff weit auszulegen und schon die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Mit‑ und Wohnungseigentümer verpflichtet den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung der anderen Miteigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen. Tut er das nicht, handelt er in unerlaubter Eigenmacht, daher rechtswidrig und kann im streitigen Rechtsweg zur Beseitigung der Änderung, gegebenenfalls auch zur Unterlassung künftiger Änderungen verhalten werden (RIS‑Justiz RS0083156). Nicht genehmigungsbedürftig sind nur bagatellhafte Umgestaltungen (RIS‑Justiz RS0109247). Der Streitrichter hat im Konfliktfall ausschließlich über die Genehmigungsbedürftigkeit, nicht hingegen über die Genehmigungsfähigkeit infolge des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 16 Abs 2 WEG und damit über die Verpflichtung zur Duldung einer Änderung zu entscheiden (RIS‑Justiz RS0083148; 5 Ob 38/15x).

2.2. Von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen sind die Vorinstanzen nicht abgewichen. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung haben sie nicht die Genehmigungsfähigkeit der Änderungen geprüft, sondern nur deren Genehmigungsbedürftigkeit im Hinblick auf die der Klägerin überbundene Benützungsvereinbarung. Diese legten sie dahin aus, dass die Mit‑ und Wohnungseigentümer einander nicht nur die Nutzung der ihnen jeweils zugewiesenen Gartenstreifen zu Erholungszwecken, sondern in diesem Rahmen auch die Errichtung von Terrassen und Gartenhütten gestatten wollten. Der Beurteilung, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, kommt im Regelfall keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu (RIS‑Justiz RS0042776). Ein unvertretbares Auslegungsergebnis behauptet die Klägerin in ihrer Revision gar nicht. Sekundäre Feststellungsmängel liegen nicht vor, zumal das Erstgericht ausdrücklich festhielt, vom Inhalt und Umfang der Benützungsvereinbarung sei jedenfalls auch die Errichtung einer kleinen, lediglich anzeige‑, jedoch nicht bewilligungspflichtigen Gartenhütte je Gartenstreifen mitumfasst gewesen. Dass sämtliche Mit‑ und Wohnungseigentümer davon ausgingen, dass die Benutzungsregelung betreffend der Gartenstreifen auch nach Wohnungseigentumsbegründung unverändert beibehalten werden sollte, stellte das Erstgericht ebenso ausdrücklich fest wie den Umstand, dass sich das Nutzungsverhalten im Lauf der Jahre unbeanstandet durch sämtliche Mit‑ und Wohnungseigentümer dahin änderte, dass sich das Hauptaugenmerk vom Gemüseanbau auf den Erholungszweck verlagerte und dementsprechend ab 1984 Terrassenflächen samt Sitzgelegenheiten und kleine Gartenhütten angelegt sowie Geräteschuppen und Gewächshäuser aufgestellt wurden.

2.3. Nach der Rechtsprechung umfasst ein auf eine Benützungsvereinbarung zwischen Miteigentümern gegründetes alleiniges Nutzungs‑ und Verfügungsrecht auch das Recht zur physischen Veränderung, das nur insofern eingeschränkt ist, als in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber eingegriffen oder deren wichtige Interessen beeinträchtigt werden könnten. Im Fall einer Teilung eines zur Liegenschaft gehörenden Gartens durch Benützungsregelung, der einzelnen Wohnungseigentümer zur alleinigen Nutzung überlassen wird, ist das bei Maßnahmen der Gartengestaltung grundsätzlich nicht der Fall (RIS‑Justiz RS0109843 [T5]). Nach der zu billigenden Auffassung der Vorinstanzen ist die Errichtung der Terrasse und der Gartenhütte in dem vom Erstgericht konkret festgestellten Ausmaß von der Vorwegzustimmung sämtlicher Mit‑ und Wohnungseigentümer im Rahmen der Benützungsvereinbarung gedeckt und schon deshalb nicht rechtswidrig. Die Genehmigungsbedürftigkeit dieser Maßnahme zu verneinen, bedarf daher keiner Korrektur im Einzelfall.

3. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

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