European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124231
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Beklagte ist Gesamtrechtsnachfolgerin der Wohnungseigentumsorganisatorin. Mit den Miteigentumsanteilen der Klägerin ist Wohnungseigentum am Objekt W5 verbunden. Sie hat ihre Miteigentumsanteile nicht unmittelbar von der Wohnungseigentumsorganisatorin, sondern mit Kaufvertrag vom 18. 10. 2013 von einer nicht am Verfahren beteiligten Gesellschaft erworben. Ein Gutachten eines für den Hochbau zuständigen Ziviltechnikers oder eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Hochbauwesen im Sinne des § 37 Abs 4 WEG wurde dieser Gesellschaft weder übergeben noch in den zwischen ihr und der Wohnungseigentumsorganisatorin am 15. 10. 2012 abgeschlossenen Kaufvertrag einbezogen. Bereits vor Abschluss dieses Vertrags war der Keller im Haus schadhaft.
Die Klägerin begehrt den Ersatz der auf sie anteilig entfallenden Kosten für die Sanierung des Kellers sowie die Feststellung, dass die Beklagte ihr gegenüber anteilig für zukünftige Kosten im Zusammenhang mit der Sanierung des Kellers hafte. Ihre Rechtsvorgängerin habe ihr die aus dem Kaufvertrag mit der Wohnungseigentumsorganisatorin zustehenden Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche abgetreten.
Das Berufungsgericht bestätigte das der Klage stattgebende Urteil des Erstgerichts. Die dem Wohnungseigentumsbewerber gegenüber dem Wohnungseigentumsorganisator gemäß § 37 Abs 4 WEG zustehenden Ansprüche seien der Klägerin wirksam übertragen worden. Für diese Ansprüche gelte die Frist des § 933 ABGB; sie seien nicht verfristet, weil weder die Klägerin noch ihre Rechtsvorgängerin vor dem 12. 11. 2014 Kenntnis von der Schadhaftigkeit des Kellers erlangt hätten. Die Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Übertragung von Rechten gemäß § 37 Abs 4 WEG bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Das ist gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO zu begründen:
1.1 Nach § 37 Abs 4 WEG haben die Wohnungseigentumsorganisatoren dem Wohnungseigentumsbewerber vor oder mit der Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums an Teilen eines Hauses, dessen Baubewilligung zum Zeitpunkt der Zusage älter als 20 Jahre ist, ein Gutachten eines für den Hochbau zuständigen Ziviltechnikers oder eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Hochbauwesen über den Bauzustand der allgemeinen Teile des Hauses, insbesondere über in absehbarer Zeit notwendig werdende Erhaltungsarbeiten, zu übergeben. Das Gutachten darf zum Zeitpunkt der Zusage nicht älter als ein Jahr sein und ist in den Kaufvertrag über den Liegenschaftsanteil, an dem Wohnungseigentum erworben werden soll, einzubeziehen; mit seiner Einbeziehung gilt der darin beschriebene Bauzustand als bedungene Eigenschaft (§ 922 Abs 1 ABGB). Wird in den Kaufvertrag kein solches Gutachten einbezogen, so gilt ein Erhaltungszustand des Hauses als vereinbart, der in den nächsten zehn Jahren keine größeren Erhaltungsarbeiten erfordert. Diese Regelung kann zufolge § 37 Abs 6 WEG 2002 nicht vertraglich abbedungen werden.
1.2 § 37 Abs 4 Satz 3 WEG 2002 ist als gesetzlich typisierte Gewährleistungspflicht zu betrachten (RIS-Justiz RS0130865; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 37 WEG Rz 41; Kulka, Rechtsfragen bei der Anwendung des § 37 Abs 4 WEG, wobl 2012, 374; Gartner in Illedits/Reich-Rohrwig Wohnrecht3 § 37 WEG 2002 Rz 20). § 37 Abs 4 WEG übernimmt damit den mit der Novelle BGBl 1997/7 in § 23 Abs 3 Z 4 WEG 1975 eingeführten speziellen Schutzmechanismus, der bei Wohnungseigentumsbegründung im „Althaus“ den Wohnungseigentumsbewerber vor der nicht ausreichenden Berücksichtigung der anstehenden Kosten für Erhaltungsmaßnahmen bewahren soll (Vonkilch aaO § 37 WEG Rz 5).
1.3 Bereits in der das selbe Haus betreffenden Entscheidung zu 5 Ob 218/16v bejahte der Oberste Gerichtshof die Anwendbarkeit der Schutzbestimmung des § 37 Abs 4 WEG für den Fall eines sukzessiven Abverkaufs von Wohnungen durch den Wohnungseigentumsorganisator auch dann, wenn die erstmalige Begründung des Wohnungseigentums ohne Einsatz eines Gründungshelfers im Sinn des § 49 Abs 2 WEG 2002 erfolgte oder kein vorläufiges Wohnungseigentum des Alleineigentümers begründet wurde (vgl zu diesen Voraussetzungen: Vonkilch aaO § 37 WEG 2002 Rz 38). Die Beklagte räumt in ihrem Rechtsmittel auch ausdrücklich ein, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin vom Schutzzweck dieser Bestimmung erfasst war.
2. Die Klägerin beruft sich auf eine Abtretung von Gewährleistungs- sowie Schadenersatzansprüchen durch ihre Rechtsvorgängerin und macht damit keinen eigenständigen, sondern von dieser abgeleiteten Anspruch geltend. Die Frage, ob die Klägerin vom Schutzzweck dieser Bestimmung unmittelbar erfasst ist, stellt sich damit nicht. Eine Erstreckung des Schutzzwecks dieser Bestimmung auf die Klägerin haben die Vorinstanzen ihren Entscheidungen auch nicht zugrunde gelegt.
3. Die Abtretung (Zession) ist ein formloser Konsensualvertrag, dessen Zustandekommen die Erklärung der Forderungsübertragung durch den Altgläubiger und deren Annahme durch den Neugläubiger erfordert (vgl RIS-Justiz RS0032570; Lukas in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1392 Rz 2). Allgemein anerkannt ist, dass auch Gestaltungsrechte, wie etwa das Gewährleistungsrecht, übertragen werden können, und zwar auch für sich allein, wenn am Erhalt des Rechtes bzw dessen Übertragung und Ausübung durch den Erwerber ein gerechtfertigtes Interesse besteht (RIS-Justiz RS0032642; Neumayr in KBB5 § 1393 ABGB Rz 8; Ertl in Rummel, ABGB³ § 1393 Rz 5; Heidinger in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1393 Rz 19). Eine Begründung, warum eine Abtretung eines solchen Rechts in der spezifischen Ausprägung des § 37 Abs 4 WEG nicht möglich sein soll, enthält die Revision nicht und greift damit die vom Berufungsgericht für die Zulassung der Revision als erheblich erachtete Rechtsfrage nicht auf (vgl RIS‑Justiz RS0102059 [T6]). Erörterungen, dass zwar dem Wohnungseigentumsbewerber ein Gutachten gemäß § 37 Abs 4 WEG übergeben wird, das dieser einem späteren Erwerber aber nicht ausfolgt, stehen mit dem zu beurteilenden Fall in keinem Zusammenhang.
4. Der Oberste Gerichtshof hat unter Verweis auf Lehrmeinungen bereits festgehalten, dass nach dem Zweck des § 37 Abs 4 WEG die dreijährige Gewährleistungsfrist erst zu dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem sich – innerhalb von zehn Jahren – für den Erwerber die Fehlerhaftigkeit des Gutachtens bzw die Erforderlichkeit von „größeren“ Erhaltungsarbeiten zweifelsfrei manifestiert (6 Ob 56/16b = RIS‑Justiz RS0130867; Kulka aaO 378; Vonkilch aaO § 37 Rz 46a; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht²³ § 37 WEG Rz 16). Mit dem bloßen Hinweis, Gewährleistungsansprüche seien verjährt, spricht die Beklagte daher ebenfalls keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO an (vgl RIS-Justiz RS0103384).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, die damit der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente (RIS‑Justiz RS0112296).
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