European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124640
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag auf Neufestsetzung der Nutzwerte der Wohnungseigentumsobjekte der Parteien, den der Antragsteller damit begründet, dass das Objekt Abstellraum III der 5.‑Antragsgegnerin nicht wohnungseigentumstauglich sei.
Das Erstgericht setzte die Nutzwerte antragsgemäß neu fest, wobei es das Objekt Abstellraum III nicht mehr berücksichtigte, dieses sei allgemeiner Teil des Hauses.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der 5.‑Antragsgegnerin nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der 5.‑Antragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Grundlage der Nutzwertfestsetzung war schon nach der Rechtslage bei Wohnungseigentumsbegründung der Parteien (§§ 3 ff, 26 Abs 1 Z 1 WEG 1975) und ist unverändert (§§ 9, 52 Abs 1 Z 1 WEG 2002) die der jeweiligen materiellen Rechtslage entsprechende konkrete Widmung, die der Außerstreitrichter von Amts wegen als Vorfrage zu prüfen hat (RIS‑Justiz RS0083252). Dies gilt auch für die Neufestsetzung des Nutzwerts. Eine Neufestsetzung der Nutzwerte war daher schon nach dem WEG 1975 dann möglich, wenn die Nutzwertfestsetzung von der wahren materiellen Rechtslage abwich (5 Ob 181/99z). Gerade in Bezug auf die Frage der Wohnungseigentumstauglichkeit von Objekten gilt die Bindung der Nutzwert‑(Neu‑)festsetzung an zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung. Ausgangspunkt der Nutzwertberechnung müssen die zwingenden einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und die – der Rechtslage entsprechende – Widmung sein, sodass allgemeine Teile von der Nutzwertfestsetzung nicht erfasst werden (5 Ob 29/08p = immolex 2008/148 [Stibi]). Von diesen Grundsätzen wich auch die Entscheidung 5 Ob 157/11s (wobl 2013/5) nicht ab, die davon sprach, dass es für die Nutzwertfestsetzung nicht nur auf die abstrakte Tauglichkeit von Objekten, sondern auch auf die konkrete Widmung als Wohnungseigentumsobjekt, Zubehörwohnungseigentum oder allgemeiner Teil ankommt. Unter Hinweis auf 5 Ob 311/03a (wobl 2004/74) erörterte der Senat, dass § 3 Abs 2 WEG 2002 die Erfassung aller wohnungseigentumstauglichen und nicht als allgemeine Teile gewidmeten Objekte im Rahmen der Nutzwertfestsetzung und die tatsächliche Wohnungseigentumsbegründung daran verlangt. In der von der Revisionsrekurswerberin zitierten Entscheidung 5 Ob 137/17h (immolex 2017/100 [Punt]) referierte der erkennende Senat die ständige Rechtsprechung, wonach die Begründung von Wohnungseigentum an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, also Teilen, die der allgemeinen Benützung dienen und deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Nutzung entgegensteht, unwirksam ist, darauf beruhende Grundbuchseintragungen sind nichtig. Bis zu einer Rückabwicklung sind die Wohnungseigentümer mangels eines dem Gesetz entsprechenden Mindestanteils entgegen dem Grundbuchsstand rechtlich nicht Wohnungseigentümer, sondern nur schlichte Miteigentümer (RIS‑Justiz RS0114510). Der erkennende Senat wies aber ausdrücklich darauf hin, dass die Bereinigung durch eine der wahren Rechtslage entsprechende Neufestsetzung der Nutzwerte zu erfolgen hat.
2.1. Die Entscheidung der Vorinstanzen folgt dieser Rechtsprechung und ist daher nicht korrekturbedürftig. Wollte man mit der 5.‑Antragsgegnerin von einer Nichtigkeit der Wohnungseigentumsbegründung wegen der unzulässigen Festsetzung eines Nutzwerts für ein nicht wohnungseigentumstaugliches Objekt ausgehen, würde dies nichts am Recht des Antragstellers ändern, im Weg der Neufestsetzung der Nutzwerte zu einer Bereinigung zu gelangen (vgl auch T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 9 WEG Rz 32).
2.2. Im Übrigen kommt es – wie die Revisionsrekurswerberin selbst erkennt – bei der Nutzwert‑(Neu‑)festsetzung zwar auch auf die konkrete Widmung als Wohnungseigentumsobjekt, Zubehörwohnungseigentum oder allgemeinen Teil an, weil die Nutzwertfestsetzung die vertragliche Einigung und den Widmungsakt nachzuvollziehen hat, daneben spielt aber die abstrakte Tauglichkeit von Objekten ebenso eine relevante Rolle, sodass eine der Rechtslage nicht entsprechende Widmung keine Grundlage der Nutzwertberechnung bilden kann (5 Ob 29/08p = immolex 2008/148 [Stibi]). Abgesehen davon, dass der Abstellraum III der 5.‑Antragsgegnerin – in der Natur ein im Kellergeschoss gelegenes Gang‑WC mit einer Fläche von 2,03 m² – seit jeher unversperrt war und von Mitarbeitern des Hausreinigungsunternehmens und von im Haus arbeitenden Handwerkern genutzt wurde (nicht hingegen von der 5.‑Antragsgegnerin, die den Raum erst anlässlich der Streitigkeiten Ende 2016/Anfang 2017 umgestaltete und versperrte), würde selbst eine aufrechte Widmung als Wohnungseigentumsobjekt hier dem Antrag auf Neufestsetzung des Nutzwerts nicht entgegenstehen, weil die materielle Rechtslage eine derartige Widmung verbietet. Die Nutzwerte sind in einem jeder Dispositionsbefugnis der Parteien entzogenen Verfahren für alle als Wohnungseinheiten in Betracht kommenden Objekte einer Liegenschaft ausgehend von der jeweiligen materiellen Rechtslage entsprechend der konkreten Widmung festzusetzen (RIS‑Justiz RS0082872). Gerade die falsche Einordnung in einer der drei wohnungseigentumsrechtlichen Kategorien (Wohnungseigentumsobjekt, Zubehör, allgemeiner Teil der Liegenschaft) ist § 9 Abs 2 Z 1 WEG 2002 zu unterstellen (5 Ob 29/08p). Die Bestimmung ist somit auch anzuwenden, wenn sich der als Wohnungseigentumsobjekt gewidmete Abstellraum als wohnungseigentumsuntauglich herausstellt (vgl auch Prader/Punt Der Vorplatz – das wohnungseigentumsrechtliche Chamäleon immolex 2018, 278 [282]). Die Entscheidung 5 Ob 157/11s betraf einen anderen Sachverhalt (bauliche Änderungen eines Wohnungseigentümers, der seine Objekte mit einer Nachbarliegenschaft verbunden hatte). Ein Abweichen des Rekursgerichts von höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist daher nicht zu erkennen.
2.3. Auch die Wohnungseigentumstauglichkeit des Abstellraums III zu verneinen ist keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung. Schon im WEG 1975 war anerkannt, dass als selbständiges Wohnungseigentum Räume in Betracht kommen, denen die Verkehrsauffassung selbständige wirtschaftliche Bedeutung zuerkennt (RIS‑Justiz RS0082876). Der Gesetzgeber des WEG 2002 hat diese Definition der Judikatur in das Gesetz (§ 2 Abs 2 WEG 2002) übernommen. Die Frage der Eignung selbständiger Räumlichkeiten als wohnungseigentumstaugliches Objekt kann nur nach den Umständen des konkreten Einzelfalls beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0082876 [T5]). Zur Wohnungseigentumstauglichkeit kleiner Lagerräume hat der Fachsenat bereits mehrfach Stellung genommen. Lagerräume im Ausmaß von 1,30 bis 6,53 m² – bei denen nach den Planunterlagen nicht gesichert war, dass sie baulich nach allen Seiten abgeschlossen waren – wurden als nicht wohnungseigentumstauglich beurteilt (RIS‑Justiz RS0105677), ebenso ein ca 12 m² großes Kellerabteil (5 Ob 287/98m), baulich abgeschlossene Kellerabteile von 3,53 bis 7,43 m² (5 Ob 326/99y), Magazinräumlichkeiten im Ausmaß von 1,11 bis 6,32 m2 (5 Ob 47/00y), ein 3,36 m² großer Abstellraum (5 Ob 129/07t) oder als Lager bezeichnete Objekte mit Größen von 4 m², 4,46 m² und 3,24 m² (5 Ob 175/07g). Auch die selbständige wirtschaftliche Bedeutung eines Keller‑ bzw Lagerraums im Ausmaß von 8,74 m² wurde vom erkennenden Senat als nicht wohnungseigentumstauglich beurteilt (5 Ob 205/17h = immolex 2018/49 [Räth]). Die Beurteilung der Vorinstanzen hält sich in diesem Rahmen. Die Entscheidung 5 Ob 196/01m betraf einen Bankomatraum im Ausmaß von 3,06 m², der als Geschäftsraum zur Abwicklung von Bankgeschäften mittels eines elektronischen Geräts dienen sollte und ist schon deshalb nicht einschlägig.
3. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)