European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00208.18S.1121.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antrag des Minderjährigen auf Ersatz der Kosten des Revisionsrekursverfahrens wird abgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Allein das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu einer bestimmten Fallgestaltung begründet für sich noch nicht eine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS‑Justiz RS0102181). Lassen sich – wie im vorliegenden Fall – die vom Revisionsrekurswerber für erheblich erachteten Rechtsfragen durch Anwendung der bestehenden Rechtsprechung in Verbindung mit den Gesetzen der Logik klären, dann liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (RIS‑Justiz RS0118640) und der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig und zurückzuweisen. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).
1.1 Nach ständiger Rechtsprechung kann der Unterhaltsanspruch des Kindes nicht verwirkt werden. Es könnte nur eine Beschränkung des gesetzlichen Unterhalts des Kindes auf das Maß des notwendigen Unterhalts eintreten, wenn das Kind eine Handlung begeht, die die Entziehung des Pflichtteils rechtfertigt (RIS‑Justiz RS0047504 [zuletzt etwa 9 Ob 33/16f]; vgl auch RS0047583; RS0047642). Einen derartigen – nunmehr in §§ 539 bis 541 ABGB idF BGBl I Nr 87/2015 geregelten – Grund für die Entziehung des Pflichtteils macht der Vater nicht geltend.
1.2 Die einen Elternteil treffende Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt ist nicht davon abhängig, ob ihm ein Besuchsrecht zum unterhaltsberechtigten Kind zuerkannt wird, ob er dieses Recht tatsächlich ausübt bzw ob ihm die Ausübung dieses Rechts – allenfalls sogar in rechtswidriger Weise – unmöglich gemacht wird (RIS‑Justiz RS0047308). Die vom Vater herangezogene Ablehnung der Ausübung des Kontaktrechts durch den Minderjährigen hat demnach bei der Unterhaltsbemessung außer Betracht zu bleiben (vgl 1 Ob 180/98x).
2.1 Nach der herrschenden Rechtsprechung setzt ein Analogieschluss das Vorhandensein einer Gesetzeslücke, das heißt einer planwidrigen nicht gewollten Unvollständigkeit voraus (vgl RIS‑Justiz RS0106092). Eine solche Lücke ist dort anzunehmen, wo das Gesetz gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig und ergänzungsbedürftig ist, ohne dass eine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Eine echte Lücke liegt vor, wenn man von einem bestimmten Standpunkt aus die konkrete Regelung eines Sachverhalts erwartet, eine solche aber fehlt. Eine Analogie ist ausgeschlossen, wenn ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber die Rechtsfolge nur eintreten lassen will, wenn gerade die Voraussetzungen des geregelten Tatbestands erfüllt sind, also die Nichtregelung dem Plan des Gesetzes entspricht (7 Ob 133/14f mwN).
2.2 § 776 Abs 1 ABGB idF BGBl I Nr 87/2015 sieht vor, dass der Verfügende den Pflichtteil letztwillig auf die Hälfte mindern kann, wenn er und der Pflichtteilsberechtigte zu keiner Zeit oder zumindest über einen längeren Zeitraum vor dem Tod des Verfügenden nicht in einem Naheverhältnis standen, wie es zwischen solchen Familienangehörigen gewöhnlich besteht. Nach Abs 2 leg cit steht das Recht auf Pflichtteilsminderung nicht zu, wenn der Verstorbene den Kontakt grundlos gemieden oder berechtigten Anlass für den schädigenden Kontakt gegeben hat.
2.3 Entgegen der Ansicht des Vaters besteht für eine analoge Anwendung des § 776 ABGB im Unterhaltsrecht zwischen Eltern und Kindern ganz offensichtlich keine Grundlage. Abgesehen davon, dass schon nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Pflichtteilsminderung eine Kontaktunterbrechung von zumindest 20 Jahren (ErläutRV 688 BlgNr 25. GP 2 ff) voraussetzt, verfügt das Unterhaltsrecht gegenüber dem Erbrecht zweifelsohne nicht nur über einen völlig eigenständigen Charakter, sondern der Gesetzgeber novellierte trotz der Judikatur nur das Erbrecht durch BGBl I 87/2015, ohne dass eine dem § 776 ABGB entsprechende Regelung für das Unterhaltsrecht eingeführt wurde. Eine Analogie ist aber jedenfalls dann unzulässig, wenn – wie hier – Gesetzeswortlaut und klare gesetzgeberische Absicht in die Gegenrichtung weisen (6 Ob 187/14i mwN = RIS‑Justiz RS0106092 [T2]).
3. Vor diesem eindeutigen Hintergrund erweist sich die vom Vater relevierte Prüfung, wen das Verschulden am Unterbleiben der Kontakte trifft, als nicht erforderlich. Die Entscheidungen der Vorinstanzen halten sich im Rahmen der Judikatur.
4. Gemäß § 101 Abs 2 AußStrG findet in Verfahren über Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes ein Kostenersatz nicht statt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)