OGH 13Os70/18w

OGH13Os70/18w21.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. November 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der OKontr. Ponath als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen DI Dr. Werner F*****, andere Beschuldigte und einen belangten Verband wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG und anderer strafbarer Handlungen, AZ 611 St 3/13v der Staatsanwaltschaft Wien, über die Anträge der Beschuldigten DI Dr. Werner F***** und Eveline F***** auf Erneuerung des Strafverfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00070.18W.1121.000

 

Spruch:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

 

Gründe:

Von der Staatsanwaltschaft Wien wird – soweit hier von Bedeutung – zur Zahl AZ 611 St 3/13v ein Ermittlungsverfahren gegen DI Dr. Werner F***** und Eveline F***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG und anderer strafbarer Handlungen geführt.

Am 25. April 2017 fand in den Räumlichkeiten der Beschuldigten eine Hausdurchsuchung statt.

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2017, AZ 316 HR 186/16x (ON 153), lehnte der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien die Durchführung eines Sichtungsverfahrens (§ 112 Abs 2 StPO) mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen ab und ordnete an, dass „sämtliche physischen Unterlagen und elektronischen Dateien“, die im Zuge der Hausdurchsuchungen am 25. April 2017 sichergestellt, versiegelt und dem Gericht übergeben wurden, zum Akt genommen werden dürfen.

Den dagegen von DI Dr. Werner F***** und Eveline F***** erhobenen Beschwerden gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 2. März 2018, AZ 20 Bs 17/18y, nicht Folge.

Die mit Bezug auf diese Entscheidung erhobenen Anträge auf Erneuerung des Strafverfahrens des DI Dr. Werner F***** und der Eveline F***** behaupten einen Verstoß gegen das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung nach § 7 Abs 2 StPO und machen Verletzungen der Garantien des Art 6 Abs 3 lit b und c MRK geltend. Unter Berufung auf gesetzliche Verschwiegenheitsrechte ihrer Parteienvertreter und § 157 Abs 2 zweiter Satz StPO wenden sie sich gegen die vom Beschwerdegericht als rechtskonform angesehene Nichtdurchführung eines Sichtungsverfahrens. Sie bringen vor, dass sich unter den sichergestellten Dokumenten und Dateien dem „Aussageverweigerungsrecht von mandatierten Berufsgeheimnisträgern gem § 157 Abs 1 Z 2 StPO“ unterliegende Materialien befinden würden, deren Sicherstellung konventionswidrig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Anträge sind unzulässig.

Soweit sie überhaupt eine Verletzung der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle (vgl § 363a Abs 1 StPO) behaupten, beziehen sie sich ausschließlich auf Konventionsgarantien, welche die Entscheidung über eine strafrechtliche Anklage selbst zum Gegenstand haben (G rabenwarter/Pabel , EMRK 6 § 24 Rz 28) und die demgemäß in der Hauptverhandlung (§ 238 StPO) oder im Rahmen der Urteilsanfechtung (§ 281 Abs 1 StPO), also im Sinn des Art 13 MRK wirksam, durchgesetzt werden können (13 Os 67/16a, 13 Os 64/16k; 13 Os 40/16f; 13 Os 51/15x; vgl auch 11 Os 119/10z und RIS‑Justiz RS0126370). Da die Anträge nicht erkennen lassen, weshalb die Erneuerungswerber hier dennoch bereits im Ermittlungsverfahren in ihren durch Art 6 MRK garantierten Rechten verletzt sein sollen, legen sie die Opfereigenschaft (Art 34 MRK) nicht deutlich und bestimmt dar (13 Os 51/15x, 13 Os 90/15g, 13 Os 64/16k, 13 Os 67/16a).

Als verletzt relevierte Bestimmungen der Strafprozessordnung sind kein Gegenstand des § 363a StPO.

Zur Anregung einer Antragstellung im Sinn des Art 89 Abs 2 B‑VG genügt der Hinweis, dass der Gesetzgeber mit der seit 1. Jänner 2015 geltenden Rechtslage (BGBl I 2013/114 iVm BGBl I 2014/92) ein subjektives Recht auf Normanfechtung durch die Strafgerichte ausdrücklich verneint hat (13 Os 88/15p, SSt 2015/61; RIS‑Justiz RS0130514, jüngst 11 Os 75/17i).

Die Anträge auf Erneuerung des Strafverfahrens waren daher gemäß § 363b Abs 1 und 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung als unzulässig zurückzuweisen.

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