European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00051.15X.0819.000
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck führte gegen Mag. (FH) Thomas B***** zu AZ 4 St 192/13s ein ‑ inzwischen mit Verfügung vom 25. Februar 2014 gemäß § 190 Z 2 StPO eingestelltes (ON 1 S 3 mmmmm verso) ‑ Ermittlungs-verfahren wegen des Verdachts des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB. In diesem Verfahren wurde er ‑ nach seiner Festnahme aufgrund gerichtlich bewilligter Anordnung der Staatsanwaltschaft (ON 234) am 22. Dezember 2013 ‑ am selben Tag (ON 240) und am 23. Dezember 2013 (ON 242 S 27 bis 33) von der Kriminalpolizei als Beschuldigter vernommen.
Mit Schriftsatz vom 16. Jänner 2014 erhob er Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 Abs 1 Z 1, Z 2 StPO (ON 267). Darin beantragte er ‑ gestützt auf ein entsprechendes Vorbringen ‑ die Feststellung, dass er durch die dabei gewählte „Vorgehensweise“ der Kriminalpolizei in seinen subjektiven Rechten
(1) „auf Beiziehung eines Verteidigers vor Beginn der Vernehmung nach Maßgabe der §§ 58, 59 Abs 1 und § 164 Abs 1 und 2 StPO;“
(2) „von seinem Schweigerecht gem. §§ 7, 164 Abs 1 StPO Gebrauch zu machen;“
(3) „Akteneinsicht nach den §§ 51 bis 53 StPO zu nehmen oder nehmen zu lassen“ verletzt worden sei.
Mit Beschluss vom 7. April 2014, AZ 30 HR 45/12y (ON 307a der Ermittlungsakten), wies das Landesgericht Innsbruck diesen Einspruch ab. Der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschuldigten gab das Oberlandesgericht Innsbruck als Beschwerdegericht mit Beschluss vom 14. November 2014, AZ 7 Bs 145/14b (ON 312 der Ermittlungsakten) nicht Folge.
Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht wendet sich der Antrag des Beschuldigten auf Erneuerung des Verfahrens nach § 363a StPO per analogiam. Er behauptet darin, im Grundrecht auf ein faires Verfahren nach Art 6 MRK dadurch verletzt zu sein, dass er (am 22. Dezember 2013) ohne vorangegangenen (wirksamen) Verzicht auf die Beiziehung seines Verteidigers in dessen Abwesenheit vernommen, diesem nicht zuvor Akteneinsicht gewährt und er (am 23. Dezember 2013), obwohl er sich auf sein „Schweigerecht“ berufen habe, (weiter) befragt worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Antrag ist unzulässig:
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bedarf es zur Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO keines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (RIS‑Justiz RS0122228). Zu einem darauf gerichteten Antrag sind Personen berechtigt, welche vertretbar behaupten, durch die letztinstanzliche Entscheidung eines Strafgerichts in einem Grundrecht nach der MRK oder einem ihrer Zusatzprotokolle verletzt oder trotz Ausschöpfung des Instanzenzugs gegen eine durch Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht begangene Konventionsverletzung weiterhin deren Opfer zu sein (vgl 13 Os 130/10g, 13 Os 136/10i; zum Schutz vor Grundrechtseingriffen durch Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft vgl 14 Os 60/09v, 14 Os 63/09k, 14 Os 64/09g, EvBl 2009/130, 866).
Vorliegend fehlt es dem Beschuldigten an dieser ‑ auch für die Zulässigkeit einer Antragstellung nach § 363a StPO per analogiam unabdingbaren ‑ Opfereigenschaft im Sinn des Art 34 MRK (vgl Reindl-Krauskopf, WK-StPO § 363a Rz 12, 31).
Denn er glaubt sich im Ermittlungsverfahren nicht etwa durch eine grundrechtswidrige Zwangsmaßnahme (vgl RIS‑Justiz RS0124738), sondern ausschließlich durch die Verweigerung solcher Beschuldigtenrechte verletzt, die in einem späteren Hauptverfahren (hier durch Antragstellung in der Hauptverhandlung verbunden mit Urteilsanfechtung nach den Regeln des § 302 Abs 1 StPO iVm § 238 StPO und des § 345 Abs 1 Z 3, 5 StPO; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 187 und 335; Kirchbacher, WK‑StPO § 245 Rz 60 f) im Sinn des Art 13 MRK wirksam hätten durchgesetzt werden können (vgl RIS‑Justiz RS0126370). Er trägt nicht substantiiert und schlüssig vor (siehe aber RIS‑Justiz RS0122737 [T17]), weshalb er schon dadurch beschwert sei, obwohl mit der angefochtenen (letztinstanzlichen) Rechtsmittelentscheidung gar nicht über den Gegenstand der strafrechtlichen Anklage selbst ‑ nämlich über die Schuld oder Nichtschuld des Angeklagten ‑ abgesprochen wurde (vgl Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 24 Rz 26).
Schon deshalb war der Erneuerungsantrag bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 1, Abs 2 StPO).
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