European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00117.18S.1024.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Erlegerinnen beantragten am 13. 12. 2017 beim Erstgericht die Bewilligung der gerichtlichen Hinterlegung von 4.689,87 EUR.
Sie seien im Testament ihrer am 30. 11. 2015 verstorbenen Mutter zu gleichen Teilen zu Erbinnen eingesetzt worden, wohingegen die Mutter ihre weiteren Kinder – die Erlagsgegnerin und deren Bruder – auf den gesetzlichen Pflichtteil gesetzt habe. Die Mutter habe zur Abgeltung des Pflichtteils sowohl dem Sohn als auch der Erlagsgegnerin einerseits Kunst- und Wertgegenstände, andererseits Geld vermacht. Der Pflichtteil der Erlagsgegnerin sei durch diese Vermächtnisse jedenfalls gedeckt.
Die Verstorbene habe der Erlagsgegnerin und deren Bruder „ein Viertel des zum Todeszeitpunkt allenfalls noch [auf einem bestimmten Sparbuch] vorhandenen Sparguthabens“ in Anrechnung auf den Pflichtteil vermacht. Zum Todeszeitpunkt sei auf diesem Sparbuch nach Abzug der von der Mutter zu Lebzeiten getätigten Aufwendungen und der bereits im Jahr 2012 mit Notariatsakt an die Erlegerinnen geschenkten Beträge ein Guthaben von 18.759,51 EUR verblieben. Ein Viertel davon betrage 4.689 EUR. Demgegenüber vertrete die Erlagsgegnerin die Auffassung, dass ihr ein Viertel vom Sparbuch bemessen vom Guthaben zum Zeitpunkt der Errichtung des Notariatsakts zustünde, das wären 9.379,75 EUR. Dies hätten die Antragstellerinnen bestritten und den Betrag von (rund) 4.689,87 EUR an die Erlagsgegnerin überwiesen, die aber diesen Betrag zurücküberwiesen habe. Demnach verweigere die Erlagsgegnerin die Annahme des Erlagsbetrags in Kenntnis ihrer Stellung als Vermächtnisnehmerin und Pflichtteilsberechtigte ohne ersichtlichen Grund. Es bestehe daher ein gesetzlicher Erlagsgrund im Sinn des § 1425 ABGB.
Unter einem erklärten die Erlegerinnen in ihrem Antrag, dass der Erlag unter Widerrufsvorbehalt steht, und führten aus:
„ Die Antragstellerinnen behalten sich vor, sollte die Erlagsgegnerin den Ausfolgungsantrag nicht bis 30. 11. 2018 gestellt haben, den Erlag zu widerrufen und die Rückgabe des Erlagsgegenstands durch das Hinterlegungsgericht zu verlangen. Es wird daher ergänzend beantragt, die Erlegerinnen hinsichtlich des Unterbleibens eines Ausfolgungsantrags binnen eines Jahres zu verständigen und ihnen eine 14 Tage angemessene Frist aufzuerlegen, um vom Widerrufsvorbehalt Gebrauch zu machen .“
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Bei dem Widerrufsvorbehalt, den sich die Erlegerinnen ausbedingen würden, handle es sich um einen unzulässigen Sicherungserlag, weil die abzutragende (bestehende) Schuld nur innerhalb einer bestimmten Frist hinterlegt werden solle, um sie dann, nach vermeintlicher Verjährung, wieder zurückverlangen zu können.
Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Erlegerinnen keine Folge. Als Hinterlegungsgrund nach § 1425 ABGB werde nach dem Antragsvorbringen allein geltend gemacht, dass die Erlagsgegnerin die Annahme der– von den Erlegerinnen angebotenen – Zahlung ohne ersichtlichen Grund verweigere. Nach dem Antragsvorbringen könne aber kein Zweifel daran bestehen, dass die Erlegerinnen ihren Erlag mit schuldbefreiender Wirkung anstrebten, ansonsten ihr Vorgehen ohne erkennbare Zielsetzung wäre und letztlich nur das Erstgericht mit Verwahraufgaben belasten würde. Da der in den angestrebten Erlagsbedingungen enthaltene Widerrufsvorbehalt eine schuldbefreiende Wirkung des Erlags nach § 1425 ABGB ausschließe, seien die Voraussetzungen des in Anspruch genommenen Erlagsgrundes nicht erfüllt.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs gemäß § 62 Abs 1 AußStrG unter Bedachtnahme auf jene Rechtsprechung zu, die den Erlag nach § 1425 ABGB unter Widerrufsvorbehalt gestatte, diesem Erlag aber für sich noch keine schuldbefreiende Wirkung zubillige. Demgegenüber sei das Rekursgericht jener Judikaturlinie gefolgt, wonach die Hinterlegung dann unzulässig sei, wenn sie – wie im gegenständlichen Fall – nicht geeignet sei, eine Tilgung der Schuld herbeizuführen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der Erlegerinnen ist im Ergebnis nicht zulässig.
1. Wie die Überschrift vor § 1425 ABGB zeigt, liegt der Zweck der gerichtlichen Hinterlegung des Leistungsgegenstands in der Tilgung einer Schuld (RIS-Justiz RS0033640 [T3]; 5 Ob 135/03v ua; Mair in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1425 Rz 3 mwN). Die Hinterlegung soll dem leistungsbereiten Schuldner, der sich aus wichtigen Gründen nicht von seiner Schuld befreien kann, als Erfüllungssurrogat dienen (3 Ob 88/14h; 4 Ob 246/07s; 5 Ob 116/03z). Sie ist daher unzulässig, wenn sie von vornherein nicht geeignet ist, die Tilgung einer Schuld herbeizuführen (3 Ob 88/14h mwN; Koziol/Spitzer in KBB5 § 1425 ABGB Rz 1 mwN; vgl auch Heidinger in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1425 Rz 2; vgl auch RIS‑Justiz RS0033640; 5 Ob 135/03v; 4 Ob 246/07s).
2. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Erlag zu Gericht anzunehmen ist, hat das Gericht – anhand der Behauptungen des Erlegers – „mit einer gewissen Formstrenge“ (nur) eine Schlüssigkeitsprüfung zu den Hinterlegungsvoraussetzungen vorzunehmen (RIS‑Justiz RS0033495 [T1 und T2]; 8 Ob 71/09p mwN), insbesondere zum Erlagsgrund und Erlagszweck (8 Ob 31/11h ua). Sie verhindert, dass die Gerichte aus beliebigen Gründen mit Verwahreraufgaben belastet werden (4 Ob 218/98g; 7 Ob 266/98p). In diesem Stadium ist noch nicht zu klären, ob der Hinterlegung tatsächlich schuldbefreiende Wirkung im Verhältnis zum Gläubiger zukommt. Diese Wirkung setzt gemäß § 1425 Satz 2 ABGB voraus, dass zum Zeitpunkt der Hinterlegung tatsächlich ein gesetzlich vorgesehener Hinterlegungsgrund vorgelegen ist (RIS‑Justiz RS0033636; Stabentheiner in ABGB‑ON1.03 § 1425 Rz 1, 33). Ob dies tatsächlich der Fall ist oder nicht, wird nicht im gerichtlichen Hinterlegungsverfahren geprüft (RIS‑Justiz RS0033489, RS0033495; zu all dem auch RS0112198).
3.1 Der Hinterlegungsgrund der „Unzufriedenheit“ liegt unter anderem vor, wenn der Gläubiger die ordnungsgemäß angebotene Leistung – weil er sie anders qualifiziert als der Schuldner – zurückweist und dadurch in Gläubigerverzug gerät (Stabentheiner in ABGB‑ON1.03 § 1425 Rz 11; Koziol/Spitzer in KBB4 § 1425 ABGB Rz 5; vgl auch 9 Ob 90/08p).
3.2 Nach den Antragsbehauptungen ist im vorliegenden Fall von einer – unrechtmäßigen und deswegen Gläubigerverzug (§ 1419 ABGB) bewirkenden – Zurückweisung der angebotenen Leistung durch die Erlagsgegnerin auszugehen.
4.1 Es trifft zu, dass – worauf die Revisionsrekurswerber verweisen – nach der Lehre die Hinterlegung unter Widerrufsvorbehalt als Gestaltungsmöglichkeit des Erlegers angesehen wird, wobei der Erleger auch eine Frist für die Erklärung des Widerrufs nennen könne. In diesem Fall habe das Gericht den Erlag nur unter Berücksichtigung dieses Vorbehalts zu genehmigen. Der Erleger könne dann durch Erklärung des vorbehaltenen Widerrufs den Erlag wieder rückgängig machen und die Aushändigung der hinterlegten Sache verlangen. Der Widerruf sei allerdings nur bis zum Ablauf der vom Erleger allenfalls genannten Frist, jedenfalls aber nur bis zur Rechtskraft des Ausfolgungsbeschlusses möglich. Eine noch offene Widerrufsmöglichkeit hindere die Durchführung des Ausfolgungsverfahrens sowie die Ausfolgung der Sache nicht (Stabentheiner in ABGB‑ON1.03 § 1425 Rz 30). Diese Ansicht geht auf Ehrenzweig (SchR 329) und Reischauer zurück. Letzterer schließt aus dem Umstand, dass der Schuldner – von Ausnahmefällen abgesehen – nicht hinterlegen müsse, aber dürfe, dass dem Schuldner als Minus (zum unwiderruflichen Erlag) auch ein Erlag unter Widerrufsvorbehalt gestattet sei (Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1425 Rz 30).
4.2 Auch in der Rechtsprechung wurde verschiedentlich und im Wesentlichen obiter festgehalten, dass der Schuldner im außerstreitigen Verfahren die hinterlegte Leistung auch wieder zurückverlangen könne, wenn er sich die Rücknahme bzw den Widerruf ausdrücklich vorbehalten hat (2 Ob 530/76 = RIS-Justiz RS0033540 [T1]; 1 Ob 522/88 = NZ 1989, 16; so wohl auch 1 Ob 59/03p), inzwischen der Erlag nicht angenommen wurde und der Ausfolgung auch keine rechtskräftige Entscheidung entgegensteht (RIS‑Justiz RS0106154; 10 Ob 64/16h; 7 Ob 2087/96d = VersE 1699).
4.3 Einhellige Meinung ist, dass – anders als die vorbehaltlose und rechtmäßige Hinterlegung – die Hinterlegung unter Widerrufsvorbehalt keine Erfüllungs- und damit keine Befreiungswirkung hat (8 Ob 31/11h; 4 Ob 170/12x). Die Tilgungswirkung tritt in diesem Fall erst ein, wenn ein Widerruf nicht mehr möglich ist ( Stabentheiner in ABGB‑ON 1.03 § 1425 Rz 30; Reischauer in Rummel , ABGB 3 § 1425 Rz 30), etwa weil die vom Schuldner selbst bestimmte Widerrufsfrist abgelaufen ist oder der Ausfolgungsbeschluss Rechtskraft erlangt hat ( Heidinger in Schwimann , ABGB 4 § 1425 Rz 37).
Bereits zu 8 Ob 71/09p bzw 8 Ob 31/11h hat der Oberste Gerichtshof darauf hingewiesen, dass der Widerrufsvorbehalt des Erlegers grundsätzlich mit der schuldbefreienden Wirkung eines Erlags nach § 1425 ABGB nicht vereinbar ist bzw in einem Spannungsverhältnis steht (vgl dazu auch 2 Ob 511/51 = SZ 24/261), hat aber klar am Erfordernis der Tilgungswirkung (vgl oben Punkt 1.; zum Umfang der Gerichtsaufgaben Punkt 2.) und der Prüfung der Schlüssigkeit des Antragsvorbringens festgehalten (8 Ob 31/11h [Punkt 3.]).
5.1 Diese Prüfung der Schlüssigkeit des Antragsvorbringens kann naturgemäß nur im jeweiligen Einzelfall erfolgen und stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG dar (RIS‑Justiz RS0042828). Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung vermag die Rechtsmittelwerberin nicht darzustellen.
5.2 Im vorliegenden Fall streben die Erlegerinnen bis 30. 11. 2018 (das sind drei Jahre nach dem Todestag der Mutter) einen durch Fristablauf und Widerruf auflösend bedingten Erlag an, dessen Zulässigkeit sie auch im Revisionsrekursverfahren behaupten. Einem solchen Erlag käme aber keine schuldbefreiende Wirkung zu, sodass er als Erfüllungssurrogat nicht taugt. Eine Schuldtilgungist – anders als bei einem zeitlich befristeten Widerrufsvorbehalt – hier auch nicht absehbar: Eine Befreiung der Schuldnerinnen könnte nur dann eintreten, wenn die Erlagsgegnerin einen Ausfolgungsantrag stellte, wovon die Erlegerinnen aber offenbar selbst nicht ausgehen, wurde die Annahme doch schon bisher von der Gläubigerin verweigert, indem sie den Betrag den Erlegerinnen rücküberwiesen hat. Um der Gläubigerin die Möglichkeit der Annahme zu geben, würde außerdem genügen, dass sich die Erlegerinnen weiterhin leistungsbereit halten. Sie haben im Übrigen nicht vorgebracht, dass und aus welchem Grund ihnen das (bis zu dem von ihnen genannten 30. 11. 2018) bei einer Geldschuld und trotz des nach ihren Behauptungen bereits eingetretenen Gläubigerverzugs beschwerlich fiele.
5.3 Schließlich räumen die Erlegerinnen in ihrem Revisionsrekurs ein, die Tilgung der Schuld sei nicht primär beabsichtigt gewesen. Davon ausgehend stellt sich die Frage, welchen – durch das Gesetz nicht gedeckten – Zweck sie mit dem Erlag ansonsten verfolgen. Da der Hinterlegungsantrag somit bis zuletzt in Bezug auf den Erlagszweck unschlüssig geblieben ist, wurde er von den Vorinstanzen zutreffend abgewiesen.
6. Der Revisionsrekurs der Erlegerinnen war daher zurückzuweisen.
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