OGH 4Ob246/07s

OGH4Ob246/07s14.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Gerichtserlagssache des Erlegers Stefan S*****, wider die Erlagsgegnerin Otto B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Bernhard Eigner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausfolgung von 321,21 EUR, infolge Revisionsrekurses der Erlagsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 2. Oktober 2007, GZ 43 R 602/07h-21, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 30. Juli 2007, GZ 1 Nc 10.002/02z-14, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Erleger gab für das am 20. 2. 2002 eingelangte Erlagsgesuch betreffend 321,21 EUR als Erlagsgrund die „ungeklärte Rechtslage" an und führte dazu näher aus, dass die per 31. 12. 2001 gekündigte - ausdrücklich als Erlagsgegnerin bezeichnete - Hausverwaltung B***** vor kurzem die Betriebskostenendabrechnung für das Jahr 2001 für die Wohnung des Erlegers gelegt und „große Nachzahlungen gefordert" habe, weshalb „bis zur Klärung der tatsächlichen Beträge (durch die Schlichtungsstelle des Gerichts)" ersucht werde, das Erlagsgesuch zu genehmigen.

Mit unbekämpft gebliebenem Beschluss vom 11. 3. 2002 nahm das Erstgericht den „wegen unklarer Rechtslage am 6. 3. 2002 vorgenommenen Erlag von 321,21 EUR als Betriebskostenendabrechnung für 2001, Wohnung [des Erlegers]" gemäß § 1425 ABGB zu Gericht an, erteilte der Verwahrungsabteilung beim OLG Wien den Verwahrungsauftrag und sprach aus: „Die Ausfolgung des erlegten Betrags erfolgt über schriftlichen Antrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer Entscheidung der Schlichtungsstelle".

Am 25. 3. 2002 beantragte die Erlagsgegnerin ohne weitere Begründung die Ausfolgung des erlegten Betrags. Der Aufforderung durch das Erstgericht vom 27. 3. 2002, „binnen zwei Monaten die Erfüllung der Ausfolgebedingungen, rk. gerichtliche Entscheidung oder Entscheidung der Schlichtungsstelle, dem Gericht nachzuweisen", andernfalls der Antrag auf Ausfolgung als abgewiesen gelte, leistete die Erlagsgegnerin keine Folge.

Infolge einer Aufforderung durch das Oberlandesgericht Wien vom 30. 4. 2007, über den Erlagsgegenstand zu verfügen, leitete das Erstgericht am 23. 5. 2007 von Amts wegen ein Ediktalverfahren zur Einziehung geringwertiger Fahrnisse nach § 7 des Bundesgesetzes über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse (BGBl Nr 281/1963) ein.

Innerhalb der im Edikt mit 30 Tagen festgesetzten Frist beantragte einerseits der Erleger, ihm den erlegten Betrag zu überweisen, andererseits stellte die Erlagsgegnerin einen neuerlichen Ausfolgungsantrag. Darin brachte sie vor, im Annahmebeschluss sei festgelegt worden, dass die Ausfolgung des erlegten Betrags „über schriftlichen Antrag" vorgenommen werde; „unter einem" stelle sie nunmehr einen Ausfolgungsantrag und verweise darauf, dass in „inhaltlich vollkommen gleichgelagerten Fällen [...] regelmäßig die Auszahlung an die Erlagsgegnerin angeordnet" worden sei. Hintergrund dieser Erlagssache sei unter anderem das Verfahren 2 Msch 10007/02i des Erstgerichts, das mittlerweile mit Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. 7. 2006 rechtskräftig beendet worden sei, weshalb die Ausfolgungsvoraussetzungen erfüllt seien. Am 15. 6. 2007 übermittelte die Erlagsgegnerin mittels Telefax die im Verfahren 2 Msch 10007/02i des Erstgerichts ergangenen Sachbeschlüsse erster und zweiter Instanz mit dem Vorbringen, sie sei darin lediglich verpflichtet worden, Beträge in der Betriebskostenabrechnung gutzuschreiben, jedoch nicht, dem Erleger - abgesehen von den Verfahrenskosten - eine Zahlung zu leisten; vielmehr sei das Zahlungsbegehren „der Erleger" abgewiesen worden. In einem weiteren Schriftsatz vom 21. 6. 2007 vertrat die Erlagsgegnerin die Auffassung, die Voraussetzungen für eine Rücküberweisung des Erlags „an die Erleger" lägen nicht vor, weil angeordnet worden sei, dass die Ausfolgung unter anderem „über schriftlichen Antrag" erfolgen werde, womit nur der Antrag der Erlagsgegnerin gemeint sein könne, weil ansonsten der Erlag sinnlos wäre und diesem keine schuldbefreiende Wirkung zukäme, falls es der Erleger selbst in der Hand habe, den Betrag zurückzufordern.

Das Erstgericht wies die Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Wien an, den um die Verwahrungsgebühr verminderten Erlagsbetrag dem Erleger zu überweisen und hierüber zu berichten, überdies wies es den Ausfolgungsantrag des Erlagsgegners ab. Es sei unzulässig, einen strittigen Betrag gerichtlich zu hinterlegen, um ihn im Falle des Obsiegens im Rechtsstreit gegenüber dem Erlagsgegner zurückzuerhalten, im Falle des Unterliegens hingegen nicht in Verzug geraten zu sein. Nach der Aktenlage habe nie ein tauglicher Erlagsgrund vorgelegen, sodass die Ausfolgung an den Erleger zu bewilligen und der Antrag des Erlagsgegners abzuweisen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss in seinem die Abweisung des Ausfolgungsantrags der Erlagsgegnerin betreffenden Punkt und änderte ihn im Übrigen dahin ab, dass es auch den Ausfolgungsantrag des Erlegers abwies; es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Verweigerung der Zustimmung zur Ausfolgung des Erlags beachtlich sei, wenn gar kein tauglicher Hinterlegungsgrund nach § 1425 ABGB vorliege und als Erlagsgrund lediglich eine rechtliche Unklarheit über die Höhe einer Forderung angeführt worden sei. Der Beschluss über die Annahme des Erlags sei indes in Rechtskraft erwachsen; er binde beide Parteien in der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Ausfolgung des hinterlegten Betrags zu erfolgen habe und bewirke weiters, dass die nur im Annahmeverfahren relevante Frage, ob - nach dem allein maßgeblichen Inhalt des Erlagsgesuchs - ein tauglicher Hinterlegungsgrund vorliege, im Ausfolgungsverfahren nicht neuerlich aufgeworfen werden könne. Die festgesetzten Ausfolgungsbedingungen seien unter Beachtung des Zwecks eines Erlagsverfahrens dahin auszulegen, dass eine Ausfolgung entweder infolge übereinstimmenden Antrags der Verfahrensbeteiligten oder infolge schriftlichen Antrags einer Partei aufgrund einer ein Ausfolgungbegehren stützenden rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer solchen Entscheidung einer Schiedsstelle erfolgen könne. Beide Ausfolgungsanträge der Erlagsgegnerin erfüllten diese Bedingungen nicht; insbesondere liege keine gerichtliche Entscheidung vor, die die mangelnde Einwilligung einer der Parteien des Erlagsverfahrens in die Ausfolgung des Erlagsbetrags an eine von ihnen ersetze. Der Ausfolgungsantrag der Erlagsgegnerin sei daher zu Recht abgewiesen worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Erlagsgegnerin ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts - mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 62 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig.

Die Erlagsgegnerin macht allein geltend, sie habe alle Bedingungen zur Ausfolgung des Erlagsbetrags erfüllt. Die Ausfolgung habe nämlich jedenfalls stattzufinden, wenn a) ein schriftlicher Antrag, b) eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder c) eine Entscheidung der Schlichtungsstelle vorliege. Diese Ausfolgungsbedingungen seien erfüllt.

1. Die Ausfolgung eines gemäß § 1425 ABGB erlegten Geldbetrags kann nur erfolgen, wenn der Erleger und derjenige, zu dessen Gunsten erlegt wurde, zustimmen, oder wenn die Bedingungen, die beim Erlag für die Ausfolgung gesetzt wurden, erfüllt sind oder wenn einer der Beteiligten gegen alle anderen ein Urteil erwirkt (1 Ob 59/03p; RIS-Justiz RS0033517 [T12]).

2. Das Rekursgericht hat die rechtskräftig bestimmten gerichtlichen Erlagsbedingungen in vertretbarer Weise dahin ausgelegt, dass eine Ausfolgung entweder infolge übereinstimmenden Antrags der Verfahrensbeteiligten oder aber infolge schriftlichen Antrags einer Partei aufgrund einer ein Ausfolgungsbegehren stützenden rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer solchen Entscheidung einer Schiedsstelle erfolgen könne. Beide Ausfolgungsanträge der Erlagsgegnerin erfüllen diese Bedingungen nicht.

3. Die Ansicht der Erlagsgegnerin, es erfülle bereits ihr schriftlicher Antrag die Ausfolgungsbedingungen, ohne dass nach die Einwilligung des Erlegers in die Ausfolgung erforderlich sei, geht am Zweck dieser Verfahrensart vorbei. Der gerichtliche Erlag nach § 1425 ABGB soll dem leistungsbereiten Schuldner, der sich aus wichtigen Gründen nicht von seiner Schuld befreien kann, als Erfüllungssurrogat dienen (5 Ob 116/03z = SZ 2003/65 in RIS-Justiz RS0033636), ihm also eine Schuldtilgung auch dann ermöglichen, wenn der Schuldner aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen an der Leistung verhindert ist (Koziol in KBB² § 1425 Rz 1). Diesen Zweck verfehlt ein Erlag, der etwa von jedem der Beteiligten aufgrund einseitigen schriftlichen Antrags ohne jede weitere Bedingung allein infolge eines Zuvorkommens erlangt werden könnte.

3. Im Übrigen handelt es sich bei den Fragen, wie die gerichtlich festgesetzten Erlagsbedingungen auszulegen sind, bzw ob eine gesetzte Bedingung eingetreten ist, regelmäßig um keine erheblichen Rechtsfragen (vgl RIS-Justiz RS0033517 [T8]).

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