OGH 5Ob116/03z

OGH5Ob116/03z2.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Erlagssache des Antragstellers Roman S*****, vertreten durch Dr. Schubert & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Erlagsgegnerin Brigitte K*****, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 4. März 2003, GZ 43 R 83/03d-8, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 2. Jänner 2003, GZ 8 Nc 10202/02m-3, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Am 29. 11. 2002 erlegte der Antragsteller beim Erstgericht Euro 140,83 mit dem Begehren, diesen Erlag gemäß § 1425 ABGB anzunehmen und einen entsprechenden Verwahrungsauftrag zu erlassen. Ein weiterer Ausspruch des zu erlassenden Beschlusses sollte sein, dass "die Ausfolgung des erlegten Betrages nur über Auftrag der Erlagsgegner oder auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung erfolgt". Als Erlagsgegner (Antragsgegner) bezeichnete er Brigitte K.

Zur Begründung seines Begehrens brachte der Antragsteller vor, Wohnungseigentümer von top 17 des Hauses L***** zu sein. Mehrheitseigentümer des Hauses sei Gerald M*****, der die Antragsgegnerin per 1. 10. 2002 zur Verwalterin des Hauses bestellt habe. Es sei - wie sich zu 46 Msch 1009/02h und 47 Msch 1008/02v des BG Innere Stadt Wien ergeben habe - zu befürchten, dass die von ihm an die Hausverwaltung zu zahlenden Betriebskosten nicht zur Zahlung öffentlicher Abgaben, insbesondere von Wasser-, Müll-, Kanal- und Finanzamtskosten, verwendet werde. Es drohe diesbezüglich bereits eine Zwangsversteigerung. Zur Vermeidung von Verzugsfolgen und weiterer exekutiver Schritte erlege er die (auf ihn bzw sein Wohnungseigentumsobjekt entfallenden) Betriebskosten für Oktober und November 2002 (je Euro 70,43).

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab und ordnete die Zurückzahlung der erlegten Beträge an den Antragsteller an. Aus dem Antrag sei ersichtlich, dass es sich nur um einen Sicherungserlag handle, bis ein neuer Hausverwalter bestellt ist oder die jetzige Verwalterin den Forderungen des Antragstellers nachkommt. Aus der Annahme des Erlags sei für den Antragsteller auch nichts gewonnen, weil die Erlagsgegnerin jederzeit die Ausfolgung des erlegten Betrages verlangen könnte. Es liege daher kein tauglicher Erlagsgrund vor.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

Die in § 1425 ABGB angeführten "anderen wichtigen Gründe" für einen Gerichtserlag (die namentlich angeführten Gründe schieden von vornherein aus) lägen in einer Unklarheit der Rechtslage (Dittrich/Tades, ABGB35, E 25 und 26 zu § 1425). Im konkreten Fall sei ein Schuldner (gemeint: Gläubiger) vorhanden, der ohnehin bereit sei, die geschuldete Leistung anzunehmen. Betriebskosten seien an die Hausverwaltung zu zahlen. Die Befürchtung, diese werde die Betriebskostenbeiträge zweckwidrig verwenden, berechtige die Wohnungseigentümer zu einem Vorgehen nach § 21 Abs 3 WEG 2002. Der Antragsteller könnte bei Gericht den Antrag auf Auflösung des Verwaltervertrages wegen grober Pflichtverletzung stellen. Der Erlag sei nicht das geeignete Mittel, um den vom Antragsteller verfolgten Zweck zu erreichen. Dabei werde dessen (behauptete) Situation keineswegs verkannt. Ein Erlag bewirke aber nicht, dass die angebliche Unterlassung der Zahlung öffentlicher Abgaben nunmehr beseitigt und der drohende Schaden abgewendet wird. Nach den Erlagsbedingungen wäre die Inanspruchnahme des Erlags durch die Erlagsgegnerin sofort möglich. Rechtsschutz sei nur nach dem WEG 2002, allenfalls im Weg vorläufiger Maßnahmen zu erreichen. Selbst wenn der Antrag, den Erlag der Erlagsgegnerin auszufolgen, nicht in die Erlagsbedingungen aufgenommen würde, wäre der Erlagsantrag durch § 1425 ABGB nicht gedeckt.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle nämlich Judikatur zur Frage eines Erlags nach § 1425 ABGB unter Berücksichtigung der Bestimmungen des WEG 2002.

Mit dem jetzt vorliegenden Revisionsrekurs verfolgt der Antragsteller weiterhin das Rechtsschutzziel der Annahme des Erlags. Er meint, es hätte aus den zitierten Msch-Akten festgestellt werden müssen, dass er bereits die Abberufung der Hausverwaltung und die Einsetzung eines neuen Verwalters beantragt habe, um zu verhindern, dass von der Verwaltung ausschließlich die Interessen des Mehrheitseigentümers vertreten werden. Das sei gescheitert. Der Mehrheitseigentümer selbst zahle seit November 2001 keine Betriebskosten. Neue Exekutionsführungen hätten bewiesen, dass die neue, vom Mehrheitseigentümer eingesetzte Verwalterin (die nunmehrige Antragsgegnerin) die vom Antragsteller gezahlten Betriebskosten zweckwidrig verwende, was dazu führe, dass er mit seiner Wohnung für den Ausfall hafte. Der Mehrheitseigentümer selbst habe seine Anteile weit über deren Wert hinaus mit Pfandrechten belastet und warte offensichtlich nur darauf, in einer Zwangsversteigerung die Anteile der Minderheitseigentümer erwerben zu können. Eine wichtiger Grund für die Annahme eines Erlags nach § 1425 ABGB müsse nicht in der Person des Gläubigers oder des Schuldners liegen. Das Gesetz verlange nur, dass die Schuld nicht bezahlt, dh nicht erfüllt werden kann. Derartige Hindernisse ergäben sich im konkreten Fall aus dem zwischen einem Wohnungseigentümer (dem Antragsteller) und dem Hausverwalter bzw Mehrheitseigentümer bestehenden Rechtsverhältnis, dessen Besonderheit darin bestehe, dass die Verwalterin dem Mehrheitseigentümer hörig sei. Außerdem sei die Rechtslage unklar. Wenn der Abberufung der Hausverwaltung im Hauptverfahren kein Erfolg beschieden sei und auch der Erlag der Betriebskosten bei Gericht nicht gelinge, sei zu befürchten, dass auch Anträge im Provisorialverfahren erfolglos bleiben. Schließlich sei zu bedenken, dass der Antragsteller als Dritter in ein Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger der Betriebskosten und dem Hausverwalter eingebunden sei. Dem einzelnen Wohnungseigentümer, der die auf ihn entfallenden Betriebskosten zahlt, dürfe nicht mit dem Risiko belastet werden, dass der untreue oder untätige Hausverwalter die Forderungen der Betriebskostengläubiger nicht erfüllt und dann die Ausfallhaftung bis hin zur Zwangsversteigerung der Wohnung droht.

Rechtliche Beurteilung

Diese Ausführungen bestätigen zwar die Richtigkeit des rekursgerichtlichen Ausspruchs, den ordentlichen Revisionsrekurs zuzulassen, erweisen sich jedoch in der Sache nicht zielführend:

Der gerichtliche Erlag nach § 1425 ABGB soll dem leistungsbereiten Schuldner, der sich aus wichtigen Gründen nicht von seiner Schuld befreien kann, als Erfüllungssurrogat dienen (GlUNF 5313). Einige dieser wichtigen Gründe sind im Gesetz selbst genannt (sie kommen im gegenständlichen Fall nicht in Frage); die anderen Erfüllungshindernisse müssen jedenfalls so beschaffen sein, dass sie auf Seiten des Gläubigers liegen (Reischauer in Rummel2, Rz 4 zu § 1425 ABGB; Harrer/Heidinger in Schwimann2, Rz 10 zu § 1425 ABGB) oder sich zumindest aus dem zwischen dem Gläubiger und leistungsbereiten Schuldner bestehenden Rechtsverhältnis ergeben (vgl RIS-Justiz RS0033526). Zur Wahrung der Interessen Dritter kann die gerichtliche Hinterlegung nicht in Anspruch genommen werden (GlUNF 5313; Reischauer aaO Rz 6).

Der vom Antragsteller zur Rechtfertigung des Erlags angeführte Grund besteht im Wesentlichen darin, dass er fürchtet, die Verwalterin der Eigentümergemeinschaft werde die von ihm gezahlten Betriebskostenbeiträge (offenbar handelt es sich um die von jedem Wohnungseigentümer anteilig zu akontierenden Liegenschaftsaufwendungen) nicht widmungsgemäß an die Gläubiger der Gemeinschaft weiterleiten und ihn so der Gefahr einer nochmaligen Zahlung im Weg der Ausfallshaftung nach § 18 Abs 3 Satz 2 WEG 2002 aussetzen. Es steht dabei der Verdacht der Untreue im Raum, die bewirkt, dass eine Leistung, die der Eigentümergemeinschaft geschuldet und dieser zu Handen ihres Organs auch erbracht wird, den einzelnen Wohnungseigentümer nicht von seiner Haftung gegenüber dem Gläubiger der Gemeinschaft befreit. Das besondere, der Sphäre des Gläubigers zuzurechnende "Erfüllungshindernis" liege darin, dass der Gläubiger (die Eigentümergemeinschaft) für Rechtshandlungen eines Vertreters bedarf, aber keinen hat, dem die Leistung mit dem Effekt der endgültigen Schuld- bzw Haftungsbefreiung erbracht werden kann. Davon ist bei der weiteren Beurteilung auszugehen, weil das Erlagsgericht nur die Schlüssigkeit des geltend gemachten Erlagsgrundes zu überprüfen hat (2 Ob 182/99z = ZIK 1999, 213; 5 Ob 32/00t = SZ 73/48).

An sich ist die Tauglichkeit des geltend gemachten Erlagsgrundes nicht von vornherein zu verneinen. Die in § 1425 ABGB vorausgesetzte Unmöglichkeit der Leistung muss nämlich keine absolute sein; es wird vielmehr als ausreichend erachtet, dass die Schuldbefreiung aus Gründen, die auf Seite des Gläubigers liegen, nicht ohne Gefahr einer nochmaligen Leistung erreicht werden kann (GlUNF 5313). Das trifft auf Grund der jedem Wohnungseigentümer nach § 18 Abs 3 Satz 2 WEG 2002 drohenden Ausfallshaftung im konkreten Fall grundsätzlich zu. Zu bedenken ist jedoch, dass der in § 1425 ABGB für eine gerichtliche Hinterlegung geforderte Erlagsgrund "wichtig" sein muss. Nur besonders gravierende Erschwernisse bei der Erfüllung der Schuld im normalen Weg können also deren gerichtliche Hinterlegung rechtfertigen. Es ist zu fragen, ob dem Schuldner nur der Gerichtserlag als zumutbarer Akt der Erfüllung seiner Verpflichtung bleibt.

Dass dem so ist, hätte der Antragsteller plausibel darlegen müssen. Für die Annahme, dass er gravierende Nachteile durch die gesetzliche Ausfallshaftung des Wohnungseigentümers - konkret in Form einer drohenden Doppelzahlung - zu gewärtigen hat, wenn er die der Eigentümergemeinschaft geschuldete Leistung an deren einzige Vertreterin aushändigt, reichen jedoch seine Behauptungen nicht aus.

Dazu sind schon die geschuldeten und jetzt hinterlegten Beträge zu gering. Dass deshalb die Ausfallshaftung schlagend werden könnte, die ja nur subsidiär eingreift (vgl Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, Rz 124 zu § 18 WEG 2002) und zudem durch das Vorzugspfandrecht an den Miteigentumsanteilen des säumigen Beitragsschuldners (§ 27 WEG 2002) bzw durch die Schadenersatzpflicht des Verwalters abgefedert wird, ist so unwahrscheinlich, dass es mit dem schlichten Hinweis auf das Bestehen der fraglichen Ausfallshaftung nicht getan ist. Es hätte etwa konkret ausgeführt werden müssen, warum schon jetzt abgesehen werden kann, dass ein exekutiver Zugriff auf die von anderen Wohnungseigentümern (insbesondere vom Mehrheitseigentümer) geschuldeten Beitragszahlungen scheitern wird und deshalb selbst bei Ausschöpfung des gesetzlichen Vorzugspfandrechts nach § 27 Abs 1 Z 2 lit a WEG 2002 eine nochmalige Inanspruchnahme des Antragstellers droht.

Der Antragsteller hat es aber auch verabsäumt, schon in seinem Antrag schlüssig darzulegen, warum die an sich im Gesetz vorgesehenen Mittel, gegen einen saumseligen oder gar untreuen Verwalter vorzugehen, im konkreten Fall versagen. Zutreffend hat das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass wohl primär mit einem Antrag nach § 21 Abs 3 WEG 2002 (auf gerichtliche Abberufung der jetzigen Verwalterin) und dann allenfalls nach § 23 WEG 2002 (Bestellung eines vorläufigen Verwalters) oder durch Wahrnehmung der Möglichkeiten der Selbstverwaltung (vgl Löcker aaO Rz 60 zu § 18 WEG und E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, Rz 9 zu § 19 WEG) Abhilfe gegen den angeblichen Vertretungsmissstand hätte gesucht werden müssen. Um eine Vertretungsregelung käme der Antragsteller ohnehin nicht herum, da es ja nicht angeht, hinterlegte Beitragszahlungen beim Erlagsgericht ruhen zu lassen; im Interesse der Eigentümergemeinschaft, die auch der Antragsteller wahrzunehmen hat, wäre vielmehr möglichst rasch für eine widmungsgemäße Verwendung der Erläge zu sorgen. Auch unter diesem Aspekt lässt der Antrag eine plausible Begründung vermissen, warum für eine Behebung der Erfüllungshindernisse nur der vom Antragsteller gewählte Weg eines Gerichtserlags in Frage kommen soll.

Unabhängig davon darf das Gericht einen Erlag nicht annehmen, der den mit der Hinterlegung verfolgten Zweck gar nicht erreichen kann (so etwa dann, wenn die beabsichtigte Schuldtilgung ausbleibt: Harrer/Hinteregger aaO Rz 2 zu § 1425 ABGB). Hier will der Antragsteller verhindern, dass seine Beitragsleistungen in die Hände der derzeitigen Verwalterin gelangen, hat aber gerade sie zur Erlagsgegnerin bestimmt, die den Erlag jederzeit abrufen könnte. Der gefürchteten Doppelzahlung über den Weg der Ausfallshaftung wäre nur dann ein Riegel vorgeschoben, wenn als Erlagsgegnerin die Eigentümergemeinschaft (die ja die Gläubigerin der Beitragsforderung ist) genannt und gleichzeitig durch eine neue Vertretungsregelung Vorsorge getroffen würde, dass die Gemeinschaft bei der Abberufung des Erlags nicht von der untreuen bisherigen Verwalterin vertreten wird. Da dies nicht geschehen ist, wäre die angestrebte Hinterlegung dem angestrebten Ziel eine Schuld- bzw Haftungsbefreiung nicht förderlich.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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