European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123430
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Lebensgemeinschaft der Eltern der drei (unehelich geborenen) Minderjährigen wurde im Februar 2016 aufgehoben. Den Eltern kommt die gemeinsame Obsorge für alle drei Kinder zu, wobei der überwiegende Aufenthalt der beiden älteren Geschwister J* und A* vereinbarungsgemäß beim Vater liegt und der überwiegende Aufenthalt des jüngsten Kindes J* mit dem – insoweit zwischenzeitig rechtskräftigen – Beschluss des Erstgerichts vom 3. 4. 2018 der Mutter zugewiesen wurde. Die Kinder haben den Familiennamen der Mutter.
Am 2. 1. 2018 beantragte der Vater unter Hinweis auf § 2 Abs 1 Z 9 NÄG, den Nachnamen der Kinder auf seinen Familiennamen zu ändern. Der über 14‑jährige J* habe der Änderung ausdrücklich zugestimmt. Die Mutter sei mit dieser Änderung jedoch nicht einverstanden.
Die Mutter sprach sich gegen die Namensänderung aus, weil diese dem Kindeswohl abträglich sei.
Mit Beschluss vom 3. 4. 2018 wies das Erstgericht ua den Antrag des Vaters auf „Bestimmung des Familiennamens seiner minderjährigen Kinder mit P*“ ab. Der Antrag ziele offenbar auf die Ersetzung der Zustimmung der Mutter zur Namensänderung bei beiderseitiger Obsorge ab. Eine Interessensabwägung führe im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass der Vater mit dem Antrag auf Namensänderung nicht die Stärkung der Familienbande zwischen ihm und den Kindern verfolge. Vielmehr handle es sich dabei ganz offensichtlich um eine „Retourkutsche“ auf die Anträge der Mutter, die insbesondere den überwiegenden Aufenthalt der jüngsten Tochter bei ihr festgelegt haben wollte.
Über Rekurs des Vaters änderte das Rekursgericht mit Beschluss vom 3. 7. 2018 diese Entscheidung teilweise dahin ab, dass es „die Zustimmung der Mutter zur beabsichtigten Namensänderung der minderjährigen J* und A* auf [den Familiennamen des Vaters] P*“ ersetzte.
Solange beide Eltern mit der Obsorge betraut seien, gehörten verwaltungsbehördliche Namensänderungen gemäß § 167 Abs 2 ABGB zu jenen Vertretungshandlungen, die ein Handeln beider Eltern erforderten. Lehne ein Elternteil die Namensänderung des Minderjährigen ab, komme diese Maßnahme nur bei gerichtlicher Ersetzung seiner Zustimmung in Betracht. Für diese Entscheidung sei eine Interessenabwägung maßgebend, nicht hingegen die Frage, ob bei Unterbleiben der Namensänderung das Kindeswohl gefährdet sei. Jedenfalls bei einem mündigen Minderjährigen komme seinem klar geäußerten, aus seiner Lebenssituation verständlichen Wunsch – etwa seinem Willen, durch die Namensgleichheit mit der Kernfamilie seine Identifizierung mit ihr auch nach außen zu dokumentieren – ausschlaggebende Bedeutung zu. Auf die tatsächlichen Motive für einen vom Minderjährigen geäußerten Wunsch komme es nicht an. In diesem Fall hätten die beiden älteren Geschwister eine eindeutige Präferenz für den Nachnamen des Vaters erklärt, da sie beim Vater lebten und daher seinen Namen tragen wollten. Die erforderliche Zustimmung der Mutter zur beabsichtigten Änderung des Familiennamens gemäß § 2 Abs 1 Z 9 NÄG idF BGBl I Nr 120/2016 sei daher im Sinn des § 167 Abs 2 iVm § 181 Abs 1 Satz 3 ABGB zu ersetzen.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil fraglich sei, ob der Herstellung der Namensgleichheit mit dem betreuenden Elternteil nach Inkrafttreten des KindNamRÄG 2013 überhaupt noch ein Gewicht zukomme.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen gerichtete Revisionsrekurs der Mutter ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
1. Auch im Verfahren außer Streitsachen muss ein Rechtsschutzinteresse an der inhaltlichen Behandlung des Rechtsmittels bestehen (RIS‑Justiz RS0006598).
Bei der Beschwer unterscheidet man die formelle Beschwer, welche dann vorliegt, wenn die gefällte Entscheidung zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers von seinem Antrag abweicht, und die materielle Beschwer (RIS‑Justiz RS0041868; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 45 Rz 50; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 Vor §§ 514 ff ZPO Rz 58 ff mwN). Materielle Beschwer liegt vor, wenn die rechtlich geschützten Interessen des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt werden (RIS‑Justiz RS0006641; RS0014466). Das Fehlen der Beschwer ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (RIS‑Justiz RS0041770 [T67]). Die Beschwer muss sowohl im Zeitpunkt der Erhebung des Rechtsmittels als auch im Zeitpunkt der Entscheidung darüber vorliegen; andernfalls ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0041770; Klicka in Rechberger, AußStrG² § 45 Rz 1; G. Kodek aaO Rz 52).
2. Nach § 167 Abs 2 ABGB bedürfen Vertretungshandlungen eines Elternteils, die die Änderung des Familiennamens betreffen, zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen obsorgebetrauten Elternteils. Ist eigene Handlungsfähigkeit des Minderjährigen gegeben, so fehlt dem gesetzlichen Vertreter jedoch insoweit die Vertretungsmacht. Er ist in diesem Umfang nicht berechtigt, den Minderjährigen zu vertreten (RIS‑Justiz RS0118238; Stabentheiner in Rummel³§ 151 ABGB Rz 4; §§ 154, 154a Rz 1a mwN; Gitschthaler, Handlungsfähigkeit minderjähriger und besachwalteter Personen, ÖJZ 2004, 81, [84]).
3.1 Mit dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz, BGBl I Nr 59/2017 (2. ErwSchG), wurde ua das Namensänderungsgesetz (NÄG) und damit die Möglichkeit, eine Änderung des Namens im Verwaltungsweg zu beantragen, geändert.
§ 1 Abs 2, 3 und 4 NÄG idF des 2. ErwSchG lauten unter der Überschrift „Antrag auf Namensänderung“:
„(2) Der Antragsteller muss – außer in den Fällen der Abs 3 und 4 – entscheidungsfähig sein. Die Entscheidungsfähigkeit wird bei mündigen Minderjährigen vermutet.
(3) Den Antrag einer nicht entscheidungsfähigen minderjährigen Person hat die mit der Pflege und Erziehung betraute Person (der Erziehungsberechtigte) einzubringen.
(4) Der Antrag einer volljährigen nicht entscheidungsfähigen Person ist durch ihren gesetzlichen Vertreter einzubringen und zu bewilligen, wenn dies zur Wahrung ihres Wohles erforderlich ist. Gibt die vertretene Person zu erkennen, dass sie die vom gesetzlichen Vertreter angestrebte Namensänderung ablehnt, so hat sie zu unterbleiben, es sei denn, ihr Wohl wäre sonst erheblich gefährdet.“
Diese Gesetzesänderungen sollten zu den Fragen, wer die Änderung eines Namens beantragen kann und inwieweit dabei eine Vertretung zulässig ist, einen Gleichklang mit den Regelungen des ABGB zur Bestimmung eines Namens herstellen (ErlRV 1461 BlgNR 25. GP 62).
3.2 Schon seit dem KindNamRÄG 2013 bestimmen nach § 156 Abs 2 ABGB einsichts- und urteilsfähige (in der Terminologie des 2. ErwSchG: entscheidungsfähige) Personen ihren Familiennamen selbst. Die Einsichts- und Urteilsfähigkeit (nunmehr: Entscheidungsfähigkeit) wird bei mündigen Minderjährigen vermutet.
Daraus wurde schon bisher der Schluss gezogen, dass Namenserklärungen eines beschränkt Geschäftsfähigen nicht der Zustimmung eines Obsorgeberechtigten bedürfen und eine gesetzliche Vertretung in diesem Zusammenhang nicht möglich ist (Kutscher/Wildpert, Personenstandsrecht² § 156 ABGB Anm 5) bzw dass ab Vorliegen von Einsichts- und Urteilsfähigkeit nur noch das Kind die (erneute) Bestimmung seines Familiennamens vornehmen kann (Böhsner/E. Wagner/Riederer in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.04 § 156 Rz 3; Wagner-Reitlinger, Änderungen im Namensrecht für Ehegatten und Kinder nach dem KindNamRÄG 2013, ÖJZ 2013, 245, 249 f). § 156 Abs 2 ABGB nF drückt daher aus, dass im Bereich des Namensrechts eigene Geschäftsfähigkeit des Betroffenen, welche ab Mündigkeit vermutet wird, und gesetzliche Vertretungsmacht nicht nebeneinander bestehen können (Schürz, Das neue Namensrecht in Gitschthaler, KindNamRÄG 2013, 165 [173]).
3.3 In diesem Sinne halten die Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 1 NÄG durch das 2. ErwSchG fest, dass die Person die Namensänderung grundsätzlich nur selbst beantragen und dabei nicht vertreten werden kann. Die Vertretung einer entscheidungsfähigen Person scheidet aus. Eine entscheidungsunfähige minderjährige Person soll indessen ihr gesetzlicher Vertreter vertreten können (ErlRV 1461 BlgNR 25. GP 63). Erziehungsberechtigte einer minderjährigen entscheidungsfähigen Person haben nur mehr ein Anhörungsrecht nach § 4 Abs 1 NÄG nF.
3.4 Die Bestimmungen der §§ 1, 3 und 4 NÄG nF sind gemäß § 11 Abs 8 NÄG idF des 2. ErwSchG mit 1. 7. 2018 in Kraft getreten und anzuwenden, wenn der Antrag nach dem 30. 6. 2018 [bei der Bezirksverwaltungsbehörde] eingebracht wird.
4. Das Rekursgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 3. 7. 2018 die Zustimmung der Mutter zur „beabsichtigten“ Namensänderung des am 8. 2. 2002 geborenen J* und der am 12. 9. 2004 geborenen A* ersetzt. J* war zu diesem Zeitpunkt bereits mündig, A* hat am 12. 9. 2018 ihr 14. Lebensjahr vollendet. Eine gesetzliche Vertretung der beiden mündigen Minderjährigen, deren Entscheidungsfähigkeit nach § 1 Abs 2 NÄG nF vermutet wird, bei der Beantragung einer Namensänderung scheidet damit aus. Da die beiden Geschwister einen entsprechenden („beabsichtigten“) Antrag nach dem NÄG idF des 2. ErwSchG nur noch selbst bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde stellen können, läuft der Beschluss des Rekursgerichts – die Ersetzung der Zustimmung der Mutter zur Namensänderung – ins Leere; eine solche ist gar nicht mehr erforderlich. Unter diesen Umständen ist die Rechtsstellung der Rechtsmittelwerberin allerdings nicht (mehr) beeinträchtigt. Ihr Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
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