European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00100.18T.1016.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Ali Ü***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 9. Oktober 2017 in W***** Ismail M***** vorsätzlich getötet, indem er während des Wachdienstes in der A***** in den Ruheraum ging, wo M***** auf einem Bett lag und schlief, und ihm aus nächster Nähe mit seiner Dienstwaffe, einem Sturmgewehr 77 A1, in den Kopf schoss, wodurch das Gehirn des M***** zertrümmert wurde und dieser an einer Hirnlähmung starb.
Der Schuldspruch beruht auf der Bejahung der anklagekonform gestellten Hauptfrage nach einem das Verbrechen des Mordes herstellenden Sachverhalt, weshalb die in Richtung des Vergehens der grob fahrlässigen Tötung nach § 81 Abs 1 StGB gerichtete Eventualfrage unbeantwortet blieb.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Soweit die Tatsachenrüge (Z 10a) auf das Abstimmungsverhältnis der Geschworenen Bezug nimmt und in deren Niederschrift (§ 331 Abs 3 StPO) eine – ihr hinreichend erscheinende – Begründung der subjektiven Tatseite des Angeklagten vermisst, geht sie schon im Ansatz fehl, weil auf diese Weise eine aus den Akten entwickelte Argumentation nicht begründet werden kann (RIS‑Justiz RS0115549, RS0100809, RS0104982; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 16).
Im Übrigen greift der Nichtigkeitsgrund der Z 10a (ebenso wie jener des § 281 Abs 1 Z 5a StPO) seinem Wesen nach erst dann, wenn sich aus der Vernehmung des Angeklagten (§ 245 StPO iVm § 308 Abs 1 StPO) oder den in der Hauptverhandlung vorgeführten Beweismitteln (§§ 246 bis 254 StPO iVm § 308 Abs 1 StPO) nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen ergeben, wenn also die angesprochenen Verfahrensergebnisse – gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen – eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über diese Prüfung hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen (nach Art einer nur im Einzelrichterverfahren gesetzlich vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld) wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583, RS0118780).
Soweit die Beschwerde deponiert, aus der Verwerfung der – einen sturzbedingten Schussunfall behauptenden – Einlassung des Angeklagten ergebe sich noch kein Tötungsvorsatz, weil nach den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen eine traumabedingte „falsche Erinnerung“ medizinisch möglich sei, unternimmt sie nur den Versuch, eine Erklärung für das Aussageverhalten des Angeklagten zu bieten, ohne dabei auf konkrete aktenkundige Beweismittel Bezug zu nehmen (RIS-Justiz RS0117446), die gegen den festgestellten Tötungsvorsatz (und für einen durch Fahrlässigkeit bewirkten Tathergang) sprechen sollten.
Da eine Aussage zu seinem inneren Wissen und Wollen im Tatzeitpunkt in der Regel nur vom Angeklagten zu erwarten ist (RIS-Justiz RS0097540), gelingt es der Rüge auch nicht, unter Bezugnahme auf das – von den Zeugen S*****, N*****, Ni*****, Mag. (FH) Z*****, F*****, T***** und P***** geschilderte – Verhalten des Angeklagten nach der Tat sowie unter Hinweis auf deren Einschätzungen über seine psychische Verfassung Bedenken gegen die Richtigkeit des Wahrspruchs in der vom Gesetz verlangten Intensität zu wecken.
Auf persönliche Meinungen der Zeugen A***** und N*****, dem Angeklagten keinen Tötungsvorsatz zuzutrauen, kann die Tatsachenrüge nicht gegründet werden (RIS-Justiz RS0097540; Kirchbacher, WK-StPO § 154 Rz 8).
Inwieweit ins Treffen geführte Bekundungen der Zeugen R*****, D*****, Ah*****, K*****, Ko***** und B***** über eine Waffenaffinität des Angeklagten geeignet sein sollten, erhebliche Bedenken gegen eine dolo eventuali erfolgte Tötung hervorzurufen, lässt die Beschwerde nicht erkennen.
Schließlich verkennt auch das Vorbringen, es ergebe sich „aus der Aktenlage“ vielmehr „plastisch“ ein „völlig aufgelöster, traumatisierter und wirrer Zustand des Angeklagten unmittelbar nach der Tat“, was „nach allen menschlichen Erfahrungen“ für eine „höchstens“ bewusst fahrlässige Schussabgabe spreche, wobei der Angeklagte traumabedingt an einem Gedächtnisverlust litt, der – nachdem ihm „die Möglichkeit eines Stolperns und Herunterfallens der Waffe“ vom Zeugen N***** „suggeriert“ worden war – zur „fixen Vorstellung“ über einen „eingebildeten“ Unfallshergang führte und dessen unrichtige Angaben über den Tathergang, die „nicht auf seinem Mist gewachsen“ wären, herbeiführte, den von einer Schuldberufung verschiedenen Anfechtungsrahmen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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