OGH 1Ob153/18h

OGH1Ob153/18h26.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Höfrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Univ.‑Prof. Dr. C*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei I***** AG, *****, vertreten durch die Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH, Wien, und die Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Partei 1. A*****, vertreten durch Dr. Günther Klepp ua, Rechtsanwälte in Linz, und 2. S*****, vertreten durch die Meinhard Novak Rechtsanwalts GmbH, Wien, wegen Feststellung (Streitwert 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. Juli 2018, GZ 4 R 13/18m‑38, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 6. Dezember 2017, GZ 38 Cg 53/14b‑32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00153.18H.0926.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die behauptete

Aktenwidrigkeit wurde geprüft. Der entsprechende Revisionsgrund liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

2. Die Rechtsrüge zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf:

2.1. Wann dem Geschädigten der Sachverhalt soweit bekannt wurde, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg anstellen hätte können, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (vgl etwa RIS‑Justiz RS0034524 [T10; T23; T32; T41; T52; T55; T60]). Auch dass die zu lösende Frage in einer Vielzahl von Fällen auftritt, bewirkt entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht ohne weiteres deren Erheblichkeit (RIS-Justiz RS0042816).

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl jüngst etwa 8 Ob 46/18z mwN in einem gegen die auch hier beklagte Partei geführten Verfahren wegen des selben Finanzprodukts) ist für die Frage der Verjährung von Ansprüchen aus Beratungsfehlern bei Veranlagungs- und/oder Finanzierungskonzepten, die eine Kombination von Fremdwährungskrediten mit Tilgungsträgern vorsehen, entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte erkennt, dass das Gesamtkonzept entgegen den Zusicherungen nicht oder nicht im zugesagten Ausmaß risikolos ist. Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist in diesen Fällen also die Kenntnis der Risikoträchtigkeit des gesamten Modells.

2.3. Hier musste der Kläger entgegen der ursprünglichen Zusage, wonach keine „Eigenleistungen“ zu erbringen seien, bis Ende 2010 bereits Eigenleistungen von mehr als 10.000 EUR erbringen. Er wusste daher – entgegen seiner in der Revision vertretenen Ansicht – spätestens zu diesem Zeitpunkt, dass die monatlichen Ausschüttungen aus der Rentenversicherung zur Bedienung der laufenden Fremdwährungskreditzinsen und zur laufenden Dotierung des Tilgungsträgers nicht ausreichen. Der Kläger wurde auch bereits im April 2009 darauf hingewiesen, dass eine (prognostizierte) „Deckungslücke“ von rund 56.000 EUR bestehe. Im Dezember 2010 wurde er über eine zu erwartende „Tilgungslücke“ in Höhe von rund 102.000 EUR informiert. Auch die monatliche Rente aus der Rentenversicherung wurde zwischen 2003 und Ende 2010 von ursprünglich 1.300 EUR auf 900 EUR reduziert. Vor Ende 2010 wurde der Kläger außerdem über Kursverluste (aus dem Tilgungsträger) von zunächst etwa 32.000 EUR und schließlich von rund 48.000 EUR informiert.

2.4. Dass das Berufungsgericht aufgrund dieser Feststellungen davon ausging, dass dem Kläger spätestens Ende 2010 die Risikoträchtigkeit des fremdfinanzierten Pensionsvorsorgemodells bekannt war und die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen begann, begründet keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung (vgl allgemein RIS-Justiz RS0044088). Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich vielmehr im Rahmen der Rechtsprechung zur Verjährung beim betreffenden Finanzprodukt (vgl neben der bereits genannten Entscheidung 8 Ob 46/18z etwa 7 Ob 56/15h; 7 Ob 107/16k; 7 Ob 158/17m; 3 Ob 82/18g). Dass – wie der Revisionswerber meint – zur Frage der Verjährung von Ansprüchen aus Beratungsfehlern bei Veranlagungs- und/oder Finanzierungskonzepten, die eine Kombination von Fremdwährungskrediten mit Tilgungsträgern vorsehen, keine einheitliche Judikatur bestehe, ist angesichts dieser alleine zum vorliegenden Pensionsvorsorgemodell ergangenen Entscheidungen nicht nachvollziehbar.

2.5. Soweit die Revision allgemeine Ausführungen zum Verjährungsbeginn enthält, zeigen diese bereits mangels Bezugnahme auf den konkreten Fall keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf. Dass der Kläger erst 2013 durch seinen Rechtsanwalt Kenntnis von den für eine erfolgreiche Klagsführung maßgeblichen Umständen erlangt haben soll, widerspricht den getroffenen Feststellungen. Soweit er in diesem Zusammenhang auch auf Gespräche mit einem angeblich der Beklagten zuzurechnenden (Vermögens‑)Berater verweist, steht fest, dass der Kläger nach 2010 keinen Kontakt mehr mit diesem hatte. Der pauschale Vorwurf, das Erstgericht habe keine taugliche Feststellungsgrundlage getroffen und es seien „ auf Basis von Rechtsgrundsätzen alle 'ähnlichen Fälle' eben ohne Berücksichtigung der Kasuistik – 'über einen Kamm geschert' “ worden, ist angesichts der detaillierten erstinstanzlichen Feststellungen (insbesondere zum Kenntnisstand des Klägers über die ungünstige wirtschaftliche Entwicklung seiner Vermögensanlage) verfehlt.

2.6. Dass das Gesamtmodell für den Kläger zur Pensionsvorsorge untauglich gewesen sei, stellt nur einen Gesichtspunkt der Risikoträchtigkeit des gesamten Modells dar (vgl 8 Ob 46/18z). Mit – hier spätestens Ende 2010 erlangter – Kenntnis des Klägers von dieser allgemeinen Risikoträchtigkeit begann daher auch die Verjährungsfrist hinsichtlich des in der Revision hervorgehobenen Vorwurfs, das Investmentmodell sei als

Pensionsvorsorge untauglich, zu laufen. Dass das „ Berufungsgericht (auf Basis der Feststellungen des Erstgerichtes) keinerlei Feststellungen dazu getroffen hat, worin die Risiken des Modells L***** überhaupt liegen “, ist nicht nachvollziehbar. Aus den erstinstanzlichen Feststellungen ergibt sich klar und deutlich die aus den spezifischen Einzelrisiken (Wechselkurs- und Zinsentwicklungsrisiko; Risiko der Entwicklung des Tilgungsträgers; vgl wieder 8 Ob 46/18z) resultierende Risikoträchtigkeit des gesamten Modells.

2.7. Welche Auswirkungen sogenannte „Beschwichtigungsversuche“ auf die Verjährung der Ansprüche von Anlegern haben, ist im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen und wirft regelmäßig – abgesehen von krassen Fehlbeurteilungen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RIS-Justiz RS0034951 [T34]). Eine aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigierende Fehlbeurteilung zeigt der Revisionswerber schon deshalb nicht auf, weil er nicht einmal andeutet, worin die Beschwichtigung bestanden haben soll. Er beschränkt sich vielmehr auf allgemeine Rechtsausführungen, ohne substantiiert darzulegen, inwiefern das Berufungsgericht bei Beurteilung des vorliegenden Falls von in der Rechtsprechung allgemein erarbeiteten Grundsätzen abgewichen sei. Damit legt er keine erhebliche Rechtsfrage dar (vgl RIS-Justiz

RS0042779).

2.8. Soweit der Revisionswerber kritisiert, dass das Berufungsgericht seine Verfahrensrüge (unterlassene Einholung eines Gutachtens) verworfen habe, ist unklar, was daraus abgeleitet werden soll. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt wurden, können jedenfalls nicht nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (

RIS-Justiz RS0042963). Soweit der Revisionswerber aus der unterlassenen Einholung des vom Kläger beantragten Gutachtens eine Unkenntnis des für eine erfolgreiche Klage erforderlichen Sachverhalts ableitet, negiert er wieder die erstinstanzlichen Feststellungen zur spätestens Ende 2010 angenommenen Kenntnis des Verlustrisikos. Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf arglistigen Verhaltens der Beklagten lässt die Feststellung unberücksichtigt, dass das vorliegende Finanzmodell nach bestem Wissen und Gewissen entwickelt wurde.

3. 

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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