OGH 4Ob69/18b

OGH4Ob69/18b23.8.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers S***** H*****, vertreten durch Gheneff - Rami - Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beklagten M***** N*****, vertreten durch Dr. Hubert Simon, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 35.000 EUR sA), über die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. Februar 2018, GZ 16 R 12/18d‑19, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 6. November 2017, GZ 9 Cg 60/16h‑13, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00069.18B.0823.000

 

Spruch:

 

I. Aus Anlass der Revision wird das angefochtene Urteil als nichtig aufgehoben, soweit damit die unbekämpfte Abweisung des Erstgerichts im Umfang des ganz allgemein auf die Veröffentlichung von Tatsachen im Zusammenhang zwischen dem Kläger und den von ihm bewohnten Liegenschaften gerichteten Begehrens abgeändert wurde. Der unbekämpft gebliebene Teil des Urteils des Erstgerichts wird insoweit wiederhergestellt.

II. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil insgesamt (unter Einschluss des in zweiter Instanz unbekämpft gebliebenen Teils) wie folgt zu lauten hat:

„Das Klagebegehren des Inhalts,

1. der Beklagte sei schuldig, zu unterlassen, die Wohnadresse und/oder die Wohnverhältnisse des Klägers zu verbreiten und/oder zu veröffentlichen, insbesondere dadurch, dass unter Bezugnahme auf den Kläger Details über die von ihm bewohnten Liegenschaften EZ *****, wie etwa 'eine repräsentative Villa, errichtet Anfang des 20. Jahrhunderts nach den Plänen eines der bekanntesten Architekten seiner Zeit; zwei später hinzugekommene Wohngebäude und eine Garage; all das eingebettet in einen malerischen Park, mehrere tausend Quadratmeter groß' verbreitet und/oder veröffentlicht werden;

2. der Beklagte sei schuldig, zu unterlassen, Tatsachen im Zusammenhang zwischen dem Kläger und den von ihm bewohnten Liegenschaften EZ *****, zu veröffentlichen, insbesondere wenn es dabei um Tatsachen geht,

- die den Erwerb dieser Liegenschaften betreffen, etwa Rechtsstreitigkeiten mit dem Kläger rund um den Erwerb dieser Liegenschaften und/oder Rechtsgeschäfte mit dem Kläger rund um den Erwerb dieser Liegenschaften, und/oder

- die der T***** GmbH und/oder deren Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsausübung bekanntgeworden und von dieser an den Beklagten weitergegeben worden sind,

wird abgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 13.884,72 EUR (darin 1.885,12 EUR USt und 2.574 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist ein international tätiger Hedgefondsmanager. In der britischen Presse trat er wiederholt als einer der vermögendsten Hedgefondsmanager des Vereinigten Königreichs in Erscheinung. Der Öffentlichkeit in Österreich ist er vorrangig durch großzügige Spenden an in- und ausländische Wissenschafts- und Kunsteinrichtungen sowie die Unterstützung von Bildungsprojekten bekannt. Der Kläger ist – über Zwischenstufen – Eigentümer einer Beteiligungsgesellschaft, die im Jahr 2011 die im Spruch genannten Liegenschaften um den Kaufpreis von 35 Mio EUR erwarb. Er nützt die Liegenschaften zu Wohnzwecken mit seiner Familie. Mit Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. 10. 2015 zu AZ 22 Cg 22/14z wurde der Kläger (mittlerweile rechtskräftig) zur Zahlung einer Provision in Höhe von 1,26 Mio EUR an das im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Liegenschaftskauf tätig gewesene Maklerunternehmen verurteilt.

Der Beklagte ist Leiter der Wirtschaftsredaktion eines Wiener Nachrichtenmagazins. Darin verfasste er einen am 5. 9. 2016 erschienenen Artikel mit dem Titel „Die Hausbesorger“, in dem er über den Liegenschaftskauf und das Zivilverfahren zwischen dem Kläger und dem Maklerunternehmen berichtete. Die Urteile erster und zweiter Instanz dieses Verfahrens hatte der Beklagte vom Anwalt des Maklerunternehmens (mit Zustimmung der Mandantin) erhalten.

Der Beklagte nannte im Artikel die Adresse der gegenständlichen Liegenschaft ausdrücklich „zum Schutz der Privatsphärenicht, sondern beschrieb die Liegenschaft wie folgt:

Es handelt sich um ein Anwesen im Wiener Nobelbezirk Döbling […], eine repräsentative Villa, errichtet Anfang des 20. Jahrhunderts nach den Plänen eines der bekanntesten Architekten seiner Zeit; zwei später hinzugekommene Wohngebäude und eine Garage; all das eingebettet in einen malerischen Park, mehrere tausend Quadratmeter groß.

Im Jahr 1916 habe der namentlich genannte Urgroßvater des Klägers, „ein kundiger Kunstsammler“, das Haupthaus erworben. Die Familie des Klägers sei von den Nationalsozialisten verfolgt und vertrieben, der gesamte Besitz enteignet worden. Die „junge Zweite Republik“ habe das Haus einige Jahre benutzt, bevor es den rechtmäßigen Eigentümern übergeben worden sei. 1987 habe die Familie des Klägers das Haus verkauft. Vom Kläger wird im Artikel behauptet, er habe im Laufe der Jahre eine Reihe hochrangiger Personen um sich geschart, darunter eine der FPÖ nahestehende Ökonomin, die sich erfolglos für eine hohe Führungsposition im Staatsdienst beworben und die im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb eine zentrale Rolle gespielt habe. Das Handelsgericht habe im Prozess über die Maklerprovision ihre Zeugenaussage als unglaubwürdig beurteilt, das Oberlandesgericht habe sich dem angeschlossen. Der Kauf des Anwesens durch den Kläger im Jahr 2011 sei über eine Holding mit Sitz in Zypern abgewickelt worden, die Teil einer bis auf die Britischen Jungferninseln reichenden Kaskade aus Offshore-Gesellschaften sei.

Bei Eingabe des im Artikel genannten Namens des Großvaters des Klägers (dessen Familienname nicht mit jenem des Klägers übereinstimmt) in eine Internet‑Suchmaschine gelangt man unter anderem zum Webauftritt der „Lost Art-Datenbank“, über die Lebensdaten, Firmensitz und -name sowie die Wohnadresse des Großvaters des Klägers (letztere identisch mit jener der vom Kläger angekauften Liegenschaft) aufrufbar sind.

Der Kläger begehrt, dem Beklagten die aus dem Spruch ersichtlichen Unterlassungen aufzutragen. Es sei zwar nicht die exakte Adresse der Liegenschaft des Klägers genannt, jedoch seien so viele Details der Liegenschaft geschildert worden, dass die Adresse leicht herausgefunden werden könne; diese sowie auch die Angaben zum Rechtsstreit rund um den Erwerb der Liegenschaft seien Tatsachen des Privatlebens des Klägers, in das der Beklagte mit seinem Artikel unzulässigerweise eingegriffen habe.

Der Beklagte wendet im Wesentlichen ein, der Artikel befasse sich – ohne Preisgabe der Wohnadresse oder der Wohnverhältnisse des Klägers – mit dem Verfahren des Maklerunternehmens gegen den Kläger wegen der Maklerprovision, deren Zahlung sich der Kläger durch für das Prozessgericht unglaubwürdige Aussagen zu entziehen versucht habe. Der Bericht sei durch das Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt. Außerdem überwiege das Interesse des Beklagten an der Berichterstattung sowie jenes der Öffentlichkeit daran, über das Verfahren informiert zu werden, was sich aus der beruflichen Stellung des Klägers als Fondsmanager ergebe. Informationen über die Lage der Liegenschaft (Bezirk, Art der Wohnung, Größe des Grundstücks) seien keine unter die Privatsphäre des Klägers fallenden Angaben über seine Wohnverhältnisse.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren zu Punkt 1. (Wohnadresse/Wohnverhältnisse) statt, das Begehren zu Punkt 2. (Tatsachen im Zusammenhang zwischen dem Kläger und dem Liegenschaftserwerb) wies es ab. Einfache Internetrecherchen ermöglichten das Auffinden der Adresse des Klägers. Die Veröffentlichung der Wohnverhältnisse einer Person verstoße als Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs gegen § 16 ABGB. Der Bericht über die Rechtsstreitigkeit mit dem Maklerunternehmen sei hingegen durch das Prinzip der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen gedeckt und kein Eingriff in die Privatsphäre des Klägers.

Der Kläger bekämpfte den abweisenden Teil des Urteils nur insoweit, als damit das als „insbesondere“ näher bezeichnete Begehren abgewiesen wurde, und ließ die Abweisung des ganz allgemein auf die Veröffentlichung von Tatsachen im Zusammenhang zwischen ihm und den von ihm bewohnten Liegenschaften gerichtete Begehren unangefochten. Der Beklagte bekämpfte den stattgebenden Teil des Urteils.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge, jener des Klägers hingegen gab es dahin Folge, dass es (unter Missachtung der Teilrechtskraft des unangefochten gebliebenen abweisenden Teils des Urteils) dem Klagebegehren zur Gänze stattgab; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Dass der Kläger als vermögender Hedgefondsmanager in Erscheinung getreten und in Österreich als Spender bekannt geworden sei, rechtfertige weder seine Qualifikation als Person von öffentlichem Interesse im Inland, noch die Annahme, er habe Berichten über sein Privatleben (wozu auch eine ohne weiteres identifizierbare Privatanschrift zähle) generell zugestimmt. Sein Interesse an der Wahrung seiner Anonymität und jener seiner Familie sei höher zu bewerten als das Interesse des Beklagten an der Berichterstattung. Zu Punkt 2. des Begehrens stehe nicht fest, dass Medienvertreter oder gar der Beklagte in der Verhandlung betreffend das Provisionsverfahren anwesend gewesen wären. Der über dieses Verfahren verfasste Artikel sei tendenziös und den Kläger eher abwertend abgefasst. Es sei nicht die durch Art 10 EMRK verfassungsrechtlich gesicherte Aufgabe von Medien, ein allein der Privatsphäre zuzurechnendes Provisionsverfahren in einem Artikel so zu schildern, dass darin die Verlässlichkeit einer Privatperson in Frage gestellt und gleichzeitig anhand von enthaltenen Details deren Privatadresse ohne Weiteres auffindbar gemacht werde. Das Unterlassungsbegehren ziele insoweit ganz generell darauf ab, Tatsachen im Zusammenhang mit den Wohnliegenschaften zu veröffentlichen, weil sie allein der Privatsphäre des Klägers zuzuordnen seien. Der Beklagte zeige keine belastbaren Argumente dafür auf, warum die Öffentlichkeit an diesen privaten (Lebens-)Umständen des Klägers ein berechtigtes Interesse haben könnte.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Antrag, die Klage zur Gänze abzuweisen.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nur insoweit Folge zu geben, als das Berufungsgericht dem Kläger mehr zugesprochen habe, als er im Berufungsverfahren noch begehrt habe, und im Übrigen der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil dem Berufungsgericht eine Nichtigkeit unterlaufen ist; die Revision ist auch berechtigt.

I. Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt und überging damit die teilweise Nichtanfechtung der erstgerichtlichen Abweisung durch den Kläger in seiner Berufung, nämlich insoweit als dem Beklagten ganz allgemein untersagt werden sollte, Tatsachen im Zusammenhang zwischen dem Kläger und den genannten Liegenschaften zu veröffentlichen (was sich aus der Beifügung des Worts „insbesondere“ ergab). Insofern hat das Berufungsgericht in die Teilrechtskraft des Urteils des Erstgerichts eingegriffen. Dies begründet insoweit die Nichtigkeit des berufungsgerichtlichen Urteils (vgl RIS‑Justiz RS0107779). Diese ist vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen (vgl 6 Ob 64/13z; 4 Ob 188/13w), das angefochtene Urteil in diesem Umfang als nichtig aufzuheben und der unbekämpft gebliebene Teil des Ersturteils wiederherzustellen.

II.1.1. Als Persönlichkeitsrecht im Sinn von § 16 ABGB genießt das Recht auf Achtung der Geheimsphäre (vgl RIS-Justiz RS0009003) Schutz gegen Eingriffe Dritter; es umfasst sowohl den Schutz gegen das Eindringen in die Geheimsphäre einer Person als auch den Schutz gegen die Veröffentlichung von Geheimnissen, selbst wenn deren Kenntnis rechtmäßig erlangt wurde. Für die Prüfung der Rechtswidrigkeit eines Eingriffes in die rechtlich geschützte Privatsphäre bedarf es in der Regel einer Interessenabwägung, bei der die Interessen des Betroffenen am Schutz der Privatsphäre auf der einen Seite und rechtlich geschützte Interessen des handelnden und der Allgemeinheit (zB Meinungsfreiheit, Informationsinteresse) auf der anderen Seite gegenüberzustellen sind (vgl Meissel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 § 16 Rz 117; RIS‑Justiz RS0008990; 4 Ob 186/09w). Lediglich der höchstpersönliche Lebensbereich als Kernbereich der geschützten Privatsphäre, wie Gesundheit, Sexualleben und das Leben in und mit der Familie, ist einer den Eingriff rechtfertigenden Interessenabwägung regelmäßig nicht zugänglich (vgl RIS‑Justiz RS0122148).

1.2. Von besonderer Bedeutung für die gebotene Interessenabwägung zwischen dem Schutz der Privatsphäre (Art 8 EMRK) und der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit (Art 10 EMRK) ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zum Schutz der Privatsphäre im Rahmen von Medienberichterstattung durch Wort und Bild. Danach hat in einem Konflikt zwischen den genannten Grundrechten eine Abwägung der betroffenen Interessen unter Beachtung folgender Kriterien stattzufinden (Nachweise zur Rechtsprechung bei Klass, Der Schutz der Privatsphäre durch den EGMR im Rahmen von Medienberichterstattung, ZUM 2014, 261, 267 ff; vgl auch RIS-Justiz RS0129575):

a) Leistet die Veröffentlichung einen Beitrag zu einer Diskussion über eine Frage von allgemeinem Interesse?

Ein öffentliches Interesse ist dabei nicht nur zu bejahen, wenn es sich um politische Fragen oder Veröffentlichungen über Straftaten oder Verfehlungen handelt. Kein Recht der Öffentlichkeit besteht allerdings auf Informationen, die lediglich dem Zweck dienen, die bloße Neugierde einer bestimmten Leserschaft zu befriedigen, sowie aus dem Bereich der Intimsphäre.

b) Bekanntheitsgrad des Betroffenen und Gegenstand des Berichts

Politiker und sonstige Personen des öffentlichen Lebens müssen grundsätzlich weitergehende Einschränkungen ihrer Privatsphäre hinnehmen als Personen, die bisher nicht ins Licht der Öffentlichkeit getreten sind. Der EGMR beurteilte etwa einen Großindustriellen, der eines der renommiertesten Unternehmen des Landes besitzt und leitet, schon aufgrund dieser gesellschaftlichen Position als eine Person des öffentlichen Lebens, auch wenn er nicht bemüht ist, in der Öffentlichkeit aufzutreten (EGMR 14. 12. 2006 Bsw 10520/02 = RIS-Justiz RS0126054).

c) Vorverhalten des Betroffenen

Hat der Betroffene selbst private Informationen in die Öffentlichkeit getragen, ist die berechtigte Erwartung, dass seine Privatsphäre wirksam geschützt werde, nach Ansicht des EGMR zumindest reduziert.

d) Inhalt, Form und Folgen der Veröffentlichung

Relevant sind ua Art und Weise der Darstellung, allfällige negative Wirkungen, ob es sich um grundlose Behauptungen handelt, ob diese in abschätziger Form geäußert werden, oder ob durch die Veröffentlichung keine zusätzlichen negativen Effekte entstehen.

e) Zusammenhang und Begleitumstände der Informationserlangung bzw der Aufnahme

Zu prüfen ist, ob eine mögliche Einwilligung vorliegt, aus welcher Quelle Bild oder Informationen stammen, ob diese womöglich mit illegalen Mitteln erlangt wurden oder ob Aufnahmen unter permanenter Belästigung und Verfolgung entstanden sind.

f) Schwere der verhängten Sanktionen (Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Grundrecht).

1.3. Im Beschwerdefall Caroline von Hannover/Deutschland Nr 3 (EGMR 19. 9. 2013 Bsw 8772/10) war Beschwerdegegenstand eine Berichterstattung samt Foto der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes im Urlaub auf einer belebten Straße sowie mehrere Bilder vom Ferienhaus der Familie auf einer Insel vor Kenia. Die auf die Bilder bezugnehmende Wortberichterstattung thematisierte dabei den Umstand, dass immer mehr Prominente dazu übergehen, ihre Urlaubsimmobilien in Zeiten des Leerstandes zu vermieten („auch die Reichen und Schönen sind sparsam“). Der Artikel beschrieb Details der Familien‑Villa und nannte die Höhe der Tagesmiete. Der EGMR sah in diesem Fall keine Veranlassung, seine eigene Abwägung an die Stelle der deutschen Gerichte (BGH, BVerfG) zu setzen, die die (Bild‑)Berichterstattung als gerechtfertigt beurteilt hatten. Der EGMR stellte fest, dass die begleitende Wortberichterstattung keine Informationen über das Privatleben enthielt, sondern maßgeblich die Villa und deren Vermietung thematisierte, einen allgemeinen Trend aufgegriffen habe und damit zu einer öffentlichen Diskussion beitragen könne. Eine Verletzung von Art 8 EMRK liege nicht vor.

1.4. Der Oberste Gerichtshof hat schon ausgesprochen, dass es im Einzelfall nicht ausgeschlossen ist, dass auch eine Beschreibung von Wohnverhältnissen wegen des dadurch möglichen Rückschlusses auf die Persönlichkeit des Bewohners den geschützten Kernbereich berührt; das trifft aber nicht zu, wenn eine Zeitung ohne Abbildung des Wohnungsinneren oder einer privaten Szene und in nicht reißerischer Weise – also nicht bloßstellend iSv § 7 Abs 1 MedienG – über Tatsachen berichtet, deren Richtigkeit nicht bestritten ist (4 Ob 216/13p = RIS‑Justiz RS0122148 [T18]).

2.1. Im Lichte dieser Grundsätze erweist sich das Klagebegehren als nicht berechtigt.

2.2. Im beanstandeten Artikel werden weder Adresse noch in unzulässiger Weise sonstige „Wohnverhältnisse“ des Klägers veröffentlicht. Die Angabe der Lage und Art der Immobilie (Nobelbezirk, repräsentative Villa, malerischer Park) lässt allein den Schluss zu, dass es sich – wie bei einem Kaufpreis von 35 Mio EUR auch nicht anders zu erwarten – um eine Luxusimmobilie handelt; weitere Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Klägers sind damit nicht möglich, sodass ein Eingriff in den geschützten Kernbereich dadurch nicht vorliegt. In einem solchen Fall besteht zwar ebenfalls ein berechtigtes Interesse des Klägers, dass die (wenngleich nur ungefähre) Lage und weitere Angaben zur von ihr bewohnten Villa nicht öffentlich gemacht werden (Art 8 EMRK). Dieses Interesse ist aber (vgl 4 Ob 216/13p) mit dem ebenfalls grundrechtlich geschützten Interesse des Beklagten (Art 10 EMRK) an der Berichterstattung abzuwägen (dazu unten 2.3 ff).

Der Beklagte hat bewusst die Wohnadresse des Klägers im Artikel nicht genannt und zur Illustration auch bloß ein Symbolfoto verwendet. Die Angabe des Namens eines der Voreigentümer (eines Großvaters des Klägers mit anderem Familiennamen) erfüllt ersichtlich den Zweck, die Geschichte der Liegenschaft sowie die familiäre Nahebeziehung des Klägers zu ihr (für den Kläger positiv) nachzuzeichnen.

Dass dem Artikel Informationen entnommen werden können, die bei geschickter Abfrage mittels Internet‑Suchmaschinen das Auffinden der Liegenschaftsadresse ermöglichen, ist dem Bestehen moderner Informationstechnologien geschuldet und kann nicht dazu führen, dem Beklagten als Verfasser einer (wie nachfolgend noch zu zeigen ist) rechtmäßigen Wortberichterstattung in seiner journalistischen Arbeit inhaltliche Beschränkungen aufzuerlegen. Der Kläger hat die Möglichkeit interessierter Leser zur weiteren Recherche ebenso hinzunehmen wie den Umstand, dass auch im öffentlichen Grundbuch die Namen von Liegenschaftseigentümern ersichtlich sind, wobei im Fall von juristischen Personen deren Organe und im Regelfall auch die Gesellschafter im (ebenfalls öffentlichen) Firmenbuch eingesehen werden können. Zu berücksichtigen ist auch, dass der genannte Name eines der Voreigentümer der Liegenschaft im Artikel nur ein Nebenthema ist und seine in der „Lost‑Art‑Datenbank“ aufscheinende Wohnadresse auch nicht zwingend die Adresse der vom Kläger erworbenen Liegenschaft sein muss.

2.3. Der nach Inhalt und Form sachlich gehaltene Artikel informiert – ohne dabei in den höchstpersönlichen Lebensbereich des Klägers einzugreifen – im Wesentlichen über den Erwerb einer Luxusimmobilie durch den Kläger und eine daran anschließende Rechtsstreitigkeit zwischen dem Kläger und dem Maklerunternehmen betreffend die Provision. Es ist daher eine Interessenabwägung vorzunehmen, die zum Ergebnis führt, dass das Persönlichkeitsrecht des Klägers (Art 8 EMRK) hinter das Recht des Beklagten und der Presse aus Art 10 EMRK zurückzutreten hat.

2.4. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Kläger aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit, seines medialen Auftretens in der britischen Presse, seiner öffentlichkeitswirksamen großzügigen Spendertätigkeit im Inland und des Umstands, dass er eine (geschichtsträchtige) Liegenschaft aus ehemaligem Familienbesitz um einen (außergewöhnlichen) Kaufpreis erworben hat (in einem inländischen Printmedium als „teuerster privater Hausverkauf“ bezeichnet, vgl Beilage ./L), als Person des öffentlichen Lebens zu beurteilen.

2.5. Dieser Kauf ist in Verbindung mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers als Hedgefondsmanager und seinem Verhalten im Zusammenhang mit der – vom Gericht als berechtigt erkannten – Provisionsforderung des Maklerunternehmens geeignet, ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu begründen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass im Gerichtsverfahren eine Person von hohem Bekanntheitsgrad, die von einer politischen Partei für ein hohes öffentliches Amt namhaft gemacht wurde, als Zeugin für den Standpunkt des Klägers einvernommen worden ist, deren Aussage das Gericht allerdings als unglaubwürdig beurteilt hat.

Aufgrund dieser Umstände ist der Artikel geeignet, zu einer Debatte von allgemeinem öffentlichen Interesse beizutragen. Er spricht nämlich als gesellschaftlich relevantes Thema an, dass eine vermögende Person, die durch Spenden zugunsten von Forschungsinstituten und Kulturinstitutionen großzügig auftritt, im Umgang mit privaten Geschäftspartnern Zahlungspflichten zu vermeiden versucht. Weiters wird thematisiert, dass eine Person, die über ein hohes Privatvermögen verfügt, auch für den Kauf ihrer privaten Wohnimmobilie eine Eigentümerstruktur wählt, die aus mehreren Gesellschaften mit Sitz in „Steuerparadiesen“ besteht; damit wird die Frage der persönlichen Integrität von auf den internationalen Finanzmärkten äußerst erfolgreichen Akteuren angesprochen. Letztlich ist der Ausgang gerichtlicher Verfahren, an denen prominente, vermögende oder politisch tätige Personen beteiligt sind, von öffentlichem Interesse.

2.6. Dass die Urteile, deren Inhalt der Beklagte wiedergeben hat, nicht öffentlich verkündet, sondern (nach öffentlicher Verhandlung zumindest in erster Instanz) der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten wurden, macht die Veröffentlichung von darin enthaltenen Informationen nicht grundsätzlich unzulässig oder rechtswidrig (vgl RIS‑Justiz RS0077699, RS0077806, RS0077868 zur privaten Urteilsveröffentlichung in lauterkeitsrechtlichem Zusammenhang).

Zudem ist vom Grundsatz der Öffentlichkeit im Sinne des Art 6 EMRK auch die Medienberichterstattung erfasst. Journalisten gehören zur Öffentlichkeit im Sinne dieser Bestimmung, und zwar in qualifizierter Form, weil sie den Hauptanteil an der Veröffentlichung des Verfahrens, insbesondere des Ablaufs von Verhandlungen tragen. Gerade im Zusammenhang mit dem Grundrecht auf Öffentlichkeit des Verfahrens nach Art 6 Abs 1 EMRK kommt den Medien und ihrer Berichterstattung über Verfahren besondere Bedeutung zu, kann doch nur über den Umweg von Medienberichten eine breitere Öffentlichkeit die ihr nach dieser Bestimmung zukommende Kontrollfunktion wahrnehmen (vgl 6 Ob 266/06w mwN).

2.7. Soweit sich der Kläger in der Revisionsbeantwortung auf die Verschwiegenheitspflicht des Maklerunternehmens betreffend die diesem im Rahmen der Berufsausübung bekanntgewordenen und an den Beklagten weitergegebenen Tatsachen beruft, ist er darauf zu verweisen, dass sein Begehren nicht die Unterlassung eines Verstoßes gegen berufliche Verschwiegenheitspflichten, sondern das Verbot der Veröffentlichung näher bezeichneter Tatsachen zum Gegenstand hat.

Im Übrigen lässt sich aus der Rechtsordnung kein „Verwertungsverbot“ für rechtswidrig erlangte Informationen ableiten, wonach Medien Informationen, die sie unter Verletzung von Verschwiegenheitspflichten durch Dritte erhalten haben, nicht veröffentlichen dürften. Solches wäre auch mit der vom EGMR postulierten Rolle der Medien als „public watchdog“ (vgl RIS‑Justiz RS0123667) unvereinbar.

2.8. Der Unterlassungsanspruch besteht daher zu beiden Punkten des Begehrens nicht zu Recht. Die Urteile der Vorinstanzen sind somit dahin abzuändern, dass die Klage zur Gänze abgewiesen wird.

3. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41 und 50 ZPO.

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