OGH 3Ob62/18s

OGH3Ob62/18s14.8.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch DDr. Karl Robert Hiebl und Mag. Alexander Lirk, Rechtsanwälte in Braunau, gegen die beklagte Partei Gemeinde G*****, vertreten durch Dr. Johann Kahrer und Dr. Christian Haslinger, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, wegen 13.721,24 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. Jänner 2018, GZ 3 R 1/18i‑26, mit dem das (Teil‑)Zwischenurteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 2. November 2017, GZ 5 Cg 115/16p‑22, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00062.18S.0814.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.017,90 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 169,65 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht verneinte eine Verkehrssicherungspflicht der beklagten Betreiberin eines öffentlichen Spielplatzes gegenüber der erwachsenen Klägerin, die sich beim Schaukeln mit einer Netzschaukel durch Hängenbleiben mit ihrem rechten Fuß am Boden während der Schaukelbewegung verletzte. Die Revision zeigt angesichts der bereits vorliegenden Judikatur keine erheblichen Rechtsfragen auf. Sie ist deshalb als nicht zulässig zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

1.  Wer eine Gefahrenquelle schafft, muss dafür sorgen, dass niemand Schaden erleidet (RIS‑Justiz RS0022778). Die Anforderungen an die allgemeine Verkehrssicherungspflicht dürfen aber nicht überspannt werden, sollen sie keine vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben (RIS‑Justiz RS0023893 [T2 und T3]; zuletzt 1 Ob 4/18x). Sie findet ihre Grenze daher immer in der Zumutbarkeit der im Einzelfall möglichen Maßnahmen der Gefahrenabwehr (RIS‑Justiz RS0023397 [T11 und T21]). Ihr Umfang und ihre Intensität richten sich dabei vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RIS‑Justiz RS0023726). Eine Verkehrssicherungspflicht entfällt zur Gänze, wenn sich jeder selbst schützen kann, weil die Gefahr leicht, also ohne genauere Betrachtung, erkennbar ist (RIS‑Justiz RS0114360).

Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0029874). Generelle Richtlinien für die Ausgestaltung von Spielplätzen und Spielgeräten, die über den Hinweis auf die allgemeine Verkehrssicherungspflicht hinausgehen, kann die Judikatur daher in der Regel nicht geben (RIS‑Justiz RS0023902 [T5]).

2.  Selbstverständlich sind nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene grundsätzlich von den Verkehrssicherungspflichten eines Spielplatzbetreibers erfasst, jedenfalls soweit es um die Benützung der Fläche des Spielplatzes geht, aber auch dann, wenn die Benützung von Spielgeräten durch Erwachsene – wie hier – vorgesehen und zulässig ist. Das bedeutet aber nicht, dass diese vor jeder denkmöglichen Gefahr zu schützen sind. Vielmehr muss (hier) geprüft werden, ob die Verletzung der Klägerin beim Schaukeln mit der Netzschaukel die Verwirklichung einer Gefahr darstellt, die die Beklagte gegenüber der Klägerin abzusichern gehabt hätte.

3.  Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Verletzung der erwachsenen Klägerin falle nicht in den Schutzbereich der (ohnehin nur technischen) ÖNorm EN1176‑2 (die einen Mindestabstand des tiefsten Punktes des Netzkorbs vom Boden von 40 cm vorsieht) bedarf keiner Korrektur, wenn man bedenkt, dass sich diese ÖNorm nach den Feststellungen auf die Verwendung des Spielgeräts durch Kinder bis zum 14. Lebensjahr bezieht, sodass die Klägerin davon nicht betroffen ist. Sie gesteht in der Revision in diesem Sinn ohnehin zu, dass die ÖNorm EN1176‑2 (Bodenabstand von 40 cm) offenbar primär den Verletzungsschutz von Kindern vor Augen habe.

Auch wenn ÖNormen eine Zusammenfassung üblicher Sorgfaltsanforderungen darstellen (RIS‑Justiz RS0022153; vgl RS0062063), vermag also die Nichteinhaltung des in der ÖNorm EN1176‑2 geforderten Bodenabstands (dieser betrug hier nur 18 cm), worin allein die Klägerin in erster Instanz den Verstoß der Beklagten gegen eine Verkehrssicherungspflicht erblickte, keine Sorgfaltswidrigkeit der Beklagten an der davon unabhängig eingetretenen Verletzung der Klägerin zu begründen.

4.  Der Umstand, in welcher Höhe eine (Netz‑)Schaukel angebracht ist, und ob dies ausreicht, um ohne Berührung der Füße mit dem Boden schaukeln zu können, ist für jeden Erwachsenen (und wohl auch Jugendlichen über 14 Jahren) optisch erkennbar. Eine solche „Problematik“ stellt sich bei einer Netzschaukel nicht anders, als bei jeder anderen Sitzschaukel, und ist daher für jeden durchschnittlichen Erwachsenen (und Jugendlichen über 14 Jahren) offenkundig (vgl 8 Ob 14/13m). Die gegenteilige, von der Revision übernommene Wertung des Erstgerichts, stellt – ungeachtet ihrer Positionierung im Rahmen der Feststellungen – eine rechtliche Beurteilung dar (vgl RIS‑Justiz RS0043601; RS0031795 [T1]) und wird vom erkennenden Senat nicht geteilt.

Dazu kommt, dass die Klägerin nicht nur auf eine optische Einschätzung der Höhensituation beschränkt war: Konnte sie und musste sie doch schon beim Hineinsetzen in die Netzschaukel ohne weiteres feststellen, ob die Füße beim Sitzen bis zum Boden reichen oder nicht bzw wieviel bis dorthin fehlte. Sie konnte also unmittelbar und schon vorweg erkennen, ob ein Hängenlassen der Beine (also deren Haltung bei spitzestmöglichem Kniewinkel im Korb der Nestschaukel sitzend) beim Schaukeln zur Berührung ihrer Füße mit der Gummimatte am Boden führen wird.

5.  Die besonders leichte Erkennbarkeit der allfälligen Gefahr eines Hängenbleibens der Füße beim Schaukeln bewirkt, dass es auch nicht darauf ankommt, ob die Klägerin auf einen ÖNorm‑konformen Bodenabstand vertraut hat, sondern hat zur Folge, dass eine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin zur Vermeidung dieser Gefahr zur Gänze auszuschließen ist.

Die Verneinung der Haftung der Beklagten durch das Berufungsgericht stellt somit ein Ergebnis dar, das keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf.

6.  Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50 und 41 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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