European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00058.18W.0523.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Adiel‑Cristian C***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 2 erster Fall StGB (A./1., 2., 3., 4., 6. und 8.), der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A./5. und 7.), des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (B./), der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (C./), des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs 1 erster Fall StGB (D./) und des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB (E./) schuldig erkannt.
Danach hat er – zusammengefasst wiedergegeben – in G***** und in S*****
A./ im Juni und im Juli 2017 im Urteil namentlich genannten Personen mit Gewalt, und zwar jeweils durch Versetzen heftiger Schläge gegen das Gesicht, wodurch die Opfer zu Sturz kamen, fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sechs der acht Opfer durch die ausgeübte Gewalt näher beschriebene schwere Verletzungen erlitten (§ 84 Abs 1 StGB),
B./ am 30. Juni 2017 ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz, dessen Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, unterdrückt, indem er die Bankomatkarte der Paula P*****, die er anlässlich eines Raubüberfalls zu A./ erlangt hatte, für sich behielt,
C./ Urkunden, die er anlässlich von zu A./ genannten Raubüberfällen erlangt hatte und über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis von Rechten, Rechtsverhältnissen oder Tatsachen gebraucht werden, indem er diese für sich behielt, und zwar
1. am 13. Juli 2017 die E‑Card der Theresia B*****,
2. am 9. Juli 2017 die E‑Card der Hanneliese G*****,
D./ zwischen 30. Juni und 13. Juli 2017 gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) in zahlreichen Angriffen Gewahrsamsträgern der Unternehmen D***** und BI***** mindestens 25 Parfums in nicht näher bekanntem Wert mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
E./ am 10. August 2008 dem Karl F***** durch Einsteigen durch ein gekipptes Fenster der vom Genannten betriebenen Bäckerei, fremde bewegliche Sachen, und zwar Bargeld in Höhe von 2.730 Euro und einen USB‑Stick mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten erhobene, auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.
Trotz des das gesamte Urteil umfassenden Aufhebungsantrags wird in der Rechtsmittelschrift zu A./ des Schuldspruchs kein Vorbringen erstattet (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).
Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS‑Justiz RS0118316). Indem die Mängelrüge betreffend D./ des Schuldspruchs ausführt, das Schöffengericht hätte mit Blick auf seine Erwägungen, wonach der Angeklagte von sich aus nur jene strafbaren Handlungen eingestehe, welche mit geringer Strafe bedroht wären (US 12), begründen müssen, warum es an der Richtigkeit des diesbezüglichen Geständnisses (US 18) keine Zweifel habe, wird der angesprochene Nichtigkeitsgrund nicht dargestellt.
Zu B./ behauptet die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die Tatrichter hätten zwar Feststellungen zum Gebrauchsverhinderungsvorsatz, nicht aber zum Vorsatz betreffend die Tathandlung und die fehlende Verfügungsbefugnis getroffen. Sie macht aber nicht klar, weshalb die Konstatierung, wonach der Angeklagte anlässlich des Raubes zum Nachteil der Paula P***** auch eine Bankomatkarte erbeutete, also ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen durfte, wobei er es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass er „dadurch deren Verwendung im Rechtsverkehrs … verhinderte“ (US 11), den vom Rechtsmittel vermissten Tatbildvorsatz nicht beinhalten sollte.
Entsprechendes gilt für das Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu C./ des Schuldspruchs. Auch hier legt die Beschwerde nicht dar, weshalb die erstgerichtlichen Feststellungen, wonach der Angeklagte anlässlich der Raubtaten zum Nachteil der Theresia B***** und der Hanneliese G***** jeweils eine E‑Card der Opfer erbeutete und dadurch Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, unterdrückte, wobei er es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dadurch deren Verwendung im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache zu verhindern (US 11), nicht den Vorsatz hinsichtlich „Verfügungsbefugnis und Tathandlung“ zum Ausdruck bringen sollten (vgl im Übrigen Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19).
Die Subsumtionsrüge (Z 10) wendet sich gegen die Annahme der Gewerbsmäßigkeitsqualifikation nach § 130 Abs 1 erster Fall StGB bei D./ des Schuldspruchs und führt aus, dass nach neuer Rechtslage die wiederkehrende Begehung „längere Zeit hindurch“ erfolgen müsse. Die diesbezügliche Konstatierung der Tatrichter, wonach der Angeklagte in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen über einen Zeitraum von zumindest mehreren Wochen hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen (US 11 f), genüge nicht (vgl jedoch RIS‑Justiz RS0107402; 12 Os 38/16d; 13 Os 33/16a = EvBl 2016/108, 744).
Die in einer Rechtsrüge oder einer Subsumtionsrüge behauptete rechtliche Konsequenz ist aus dem Gesetz methodengerecht abzuleiten (RIS‑Justiz RS0116565). Dem wird die vorliegende Nichtigkeitsbeschwerde nicht gerecht. Soweit sie auf eine Stelle im wissenschaftlichen Schrifttum (Tipold in Leukauf/Steiniger, StGB4 § 70 Rz 4) verweist, befindet sich auch dort bloß eine Rechtsbehauptung (RIS‑Justiz RS0118429).
Im Übrigen verlangte der Oberste Gerichtshof bereits vor der Einfügung der Passage „längere Zeit hindurch“ in § 70 Abs 1 StGB durch das StRÄG 2015 für die Annahme von Gewerbsmäßigkeit eine längere Zeit der Begehung, ließ hiefür jedoch einen Zeitraum von zumindest einigen Wochen genügen (Stricker in WK² StGB § 130 Rz 26, 28 mwN; vgl auch EBRV 689 BlgNR 25. GP , 13 f).
Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) zu E./ des Schuldspruchs behauptet, die Tatrichter hätten zur inneren Tatseite bloß festgestellt, dass sich der Vorsatz auf die Wegnahme fremder beweglicher Sachen und die unrechtmäßige Bereicherung bezog, es fehlten jedoch Konstatierungen betreffend die Begehungsweise des Einsteigens in ein Gebäude, weshalb die Qualifikation nach § 129 Abs 1 Z 1 StGB zu Unrecht angenommen worden wäre, orientiert sich das Rechtsmittel prozessordnungswidrig nicht am festgestellten Sachverhalt (RIS‑Justiz RS0099810), weil die tatrichterlichen Konstatierungen außer Acht gelassen werden, wonach der Angeklagte den Entschluss fasste, durch Einbruch, und zwar durch Einsteigen durch ein gekipptes Fenster in die gegenständliche Bäckerei zu gelangen und dort Wertgegenstände wegzunehmen, was er „in Umsetzung dieses Tatplans“ auch tat (US 12).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Bleibt anzumerken, dass der in der Vernachlässigung des § 29 StGB gelegene Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO), welcher darin liegt, dass das Erstgericht zu D./ und E./ zwei Vergehen des Diebstahls angenommen hat, gegenständlich keinen Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO darstellt (RIS‑Justiz RS0090838, RS0090575). An die insoweit fehlerhafte Subsumtion ist das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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