OGH 9ObA10/18p

OGH9ObA10/18p27.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker und Werner Krachler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Zentralbetriebsrat *****, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Land *****, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Oktober 2017, GZ 7 Ra 37/17p‑14, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 29. November 2016, GZ 25 Cga 41/16d‑10, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00010.18P.0227.000

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 335,64 EUR (darin 55,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Das Berufungsgericht hat die Feststellungsbegehren des klagenden Zentralbetriebsrats der Beklagten nach § 54 Abs 1 ASGG abgewiesen. Der Kläger wollte festgestellt haben, dass bei den in den Landeskliniken und Landespflegeheimen der Beklagten privatrechtlich beschäftigten Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern, auf die das NÖ Landes-Bedienstetengesetz oder das Landes-Vertragsbedienstetengesetz des Landes Niederösterreich anzuwenden ist, ein vom Dienstgeber im Rahmen der Dienstplangestaltung einseitig festgelegter Zeitausgleich, der aus Mehrarbeit oder Überstundenarbeit resultiert bzw dessen Anspruch auf § 3 des Artikels V der Nachtschwerarbeitsnovelle 1992 beruht, im Falle der krankheits- oder unfallsbedingten Arbeitsverhinderung zum Zeitpunkt der festgelegten Zeitausgleichskonsumation nicht als konsumiert zu gelten hat und in diesem Umfang vom Ausmaß des Zeitausgleichsguthabens nicht in Abzug gebracht werden darf. Das Berufungsgericht vertrat in Anlehnung an die Entscheidung 9 ObA 11/13b die Rechtsauffassung, Erkrankungen während des Verbrauchs von Zeitausgleich für Überstunden (wie auch für sonstige Mehrarbeit, Nachtdienste etc) hätten keine Auswirkungen auf das Dienstverhältnis.

Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, dass zur Frage, ob Erkrankungen während des Verbrauchs eines vom Dienstgeber im Rahmen der Dienstplangestaltung einseitig festgelegten Zeitausgleichs Auswirkungen auf das Dienstverhältnis hätten, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann eine Arbeitsverhinderung durch Krankheit oder Unfall nur in Zeiten bestehen, in denen der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überhaupt verpflichtet ist (9 ObA 182/05p; 9 ObA 11/13b). Nicht die Erkrankung des Arbeitnehmers im Zeitausgleichszeitraum bewirkt den Entfall der Arbeitsleistung, sondern die mangelnde Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Erkrankungen während des Verbrauchs von Zeitausgleich haben daher keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis (9 ObA 11/13b; zustimmend Schrank, Leitentscheidungen der Höchstgerichte zum Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht, 10.5.5.Nr.5 „Zeitausgleich – Unterbrechung durch Krankenstand? – OGH 29. 5. 2013, 9 ObA 11/13b, 1 ff; Niksova, Krankheit unterbricht Urlaub, aber nicht den Zeitausgleich, EvBl 2013/123; Kiesel, Krankheit unterbricht Zeitausgleich nicht, ZAS 2013/54; Laimer/Przeszlowska , OGH: Krankheit unterbricht Zeitausgleich nicht, RdW 2013/470,  78 ff; Mosing , Krankenstand im Zeitausgleich – Einige Überlegungen zur aktuellen OGH-Judikatur, ASoK 2014, 11 ff; aA Klein , Krankheit unterbricht nicht Zeitausgleich, DRdA 2014/7; Mayr , Zeitausgleich und Krankenstand, ÖZPR 2013/72, 105).

Der Kläger zieht die Richtigkeit der Entscheidung 9 ObA 11/13b nicht in Zweifel. Vielmehr sieht er den entscheidenden Unterschied zur konkreten Fallgestaltung darin, dass im Anlassfall der Zeitausgleich (§ 76 NÖ LBG und § 36 Abs 1 NÖ LVBG iVm § 71 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 [DPL 1972] bzw das Zeitguthaben (Art V § 3 Abs 1 Satz 1 Z 2 NschG‑Nov 1992) einseitig von der Dienstgeberin angeordnet wurde, während in dem der Entscheidung 9 ObA 11/13b zugrunde liegenden Sachverhalt der Zeitausgleich zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart worden sei. Dieser Unterschied rechtfertigt nach Auffassung des Senats aber kein anderes Ergebnis.

Tragendes Argument der eingangs zitierten Rechtsprechung ist, dass der Dienstnehmer nur in jenen Zeiten durch Krankheit oder Unfall an der Leistung seiner Arbeit verhindert sein kann, in denen eine Arbeitspflicht des Dienstnehmers besteht. Dieses Argument trifft auch auf den konkreten Fall zu. Es macht keinen Unterschied, ob der Dienstnehmer während eines vereinbarten oder eines – wie hier nach den landesgesetzlichen Vorschriften zulässigerweise – einseitig vom Dienstgeber angeordneten Zeitausgleichs erkrankt oder verunfallt. In beiden Fällen besteht für den Dienstnehmer während des Zeitausgleichs keine Arbeitspflicht. Nicht die Erkrankung des Dienstnehmers im Zeitausgleichszeitraum bewirkt den Entfall der Arbeitsleistung, sondern die mangelnde Verpflichtung des Dienstnehmers zur Arbeitsleistung.

Nichts anderes gilt für das nach Art V § 3 Abs 1 Satz 1 Z 2 NschG‑Nov 1992 erworbene Zeitguthaben. Auch wenn hier der Erholungszweck im Vordergrund steht, weil das Zeitguthaben die besonderen Erschwernisse der Nachtschwerarbeit durch zusätzliche Erholungsmöglichkeiten ausgleichen soll (9 ObA 267/97y; 8 ObA 32/09b), ist die Gewährung einer – auf die Normalarbeitszeit anzurechnenden (vgl Reissner , Nacht- und Einspringdienste im Krankenhaus, DRdA 2010, 73 [76]) – Ersatzruhezeit für den Nachtdienst nach ständiger Rechtsprechung kein (zusätzliches) Entgelt für die Zurverfügungstellung von Arbeitskraft. Auch dadurch kommt es nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit (RIS-Justiz RS0052257 [T3]). Wiederum gilt der Grundsatz, dass eine Dienstverhinderung durch Krankheit oder Unfall nur in Zeiten bestehen kann, in denen der Dienstnehmer zur Dienstleistung verpflichtet ist. Dies ist aber auch während des Verbrauchs des Zeitguthabens (gemäß Art V § 3 Abs 1 Satz 3 NschG‑Nov 1992 spätestens sechs Monate nach seinem Entstehen) nicht der Fall. Dass das für die Leistung des Nachtdienstes erworbene Zeitguthaben nicht in Geld abgelöst werden darf, ändert an dieser Beurteilung nichts.

Im Übrigen kommt im Regelfall durch die Übertragung des geplanten Nachtschwerarbeitszeitausgleichs aus dem Soll-Dienstplan (als Angebot des Dienstgebers) in den Ist-Dienstplan (als Annahme des Dienstnehmers, wenn er sich dieser Anordnung fügt) eine zumindest schlüssige Vereinbarung iSd Art V § 3 Abs 1 Satz 2 NschG‑Nov 1992 zustande ( Reissner , Nacht- und Einspringdienste im Krankenhaus, DRdA 2010, 73 [77 f]). Die Prozessbehauptung der Beklagten über das Zustandekommen einer konkludenten Vereinbarung der Dienstvertragsparteien wurde vom Kläger zudem nicht substantiiert bestritten. Er hat auch kein Vorbringen dahin erstattet, dass hier – abweichend vom Regelfall – etwa durch Widerspruch des Arbeitnehmers gegen die Festlegung des Nachtschwerarbeitszeitausgleichs im Dienstplan keine konkludente Zeitausgleichsvereinbarung zustande gekommen wäre.

Da die Revision des Klägers damit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufweist, ist sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979 [T16]).

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