OGH 9ObA11/13b

OGH9ObA11/13b29.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Peter Schönhofer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W***** S*****, vertreten durch Dr. Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Puttinger, Vogl Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, wegen 430,14 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 28. November 2012, GZ 12 Ra 100/12f‑12, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 28. August 2012, GZ 20 Cga 69/12t‑8, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Berufungsurteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 327,41 EUR (darin 54,57 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 225,07 EUR (darin 37,51 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten vom 19. 4. 2011 bis 31. 12. 2011 als angestellter Konstrukteur tätig. Auf das Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für Angestellte im Metallgewerbe (kurz: KollV) anzuwenden. Der Bruttomonatslohn des Klägers betrug 2.861,60 EUR. Das Dienstverhältnis endete durch einvernehmliche Auflösung. Am 14. 12. 2011 vereinbarten die Streitteile, dass der Kläger am 20. 12. 2011 Urlaub haben und im Zeitraum vom 21. 12. 2011 bis 31. 12. 2011 sein Überstundenguthaben durch Zeitausgleich abbauen sollte.

Vom 20. 12. 2011 bis 23. 12. 2011 war der Kläger krank gemeldet. Seine Normalarbeitszeit hätte am 21. und 22. 12. 2011 je 8,5 Stunden und am 23. 12. 2011 4,5 Stunden, insgesamt daher 21,5 Stunden betragen.

Der Kläger begehrt von der Beklagten den der Höhe nach unstrittigen Betrag von 430,14 EUR brutto an ausständigem Überstundenentgelt. Durch seine Erkrankung während des Zeitausgleichs sei das Überstundenguthaben nicht verbraucht worden. Ihm stünde daher ein Entgelt für 14,33 Überstunden (21,5 Normalarbeitsstunden) zu.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass eine Erkrankung den Zeitausgleich nicht unterbreche.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Bereits in der Entscheidung 9 ObA 182/05p habe der Oberste Gerichtshof für den Fall einer Erkrankung während einer aufgrund einer Vereinbarung über eine geblockte Altersteilzeit zustehende „Freizeitphase“ ausgeführt, dass eine solche Erkrankung keine Relevanz für das Arbeitsverhältnis habe und daher keine nachträgliche Aufhebung oder Abänderung der Zeitausgleichsvereinbarung bewirken könne. Sowohl bei der Vereinbarung über die geblockte Altersteilzeit als auch bei einer „herkömmlichen“ Zeitausgleichsvereinbarung handle es sich lediglich um eine Verlagerung der Arbeitspflicht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und gab dem Klagebegehren statt. Bei Erkrankung des Arbeitnehmers während des für den Verbrauch von Zeitausgleich vereinbarten Zeitraums werde das Guthaben an Überstunden nicht verbraucht. Es widerspräche sowohl dem einseitig zwingenden Charakter des § 10 AZG (und hier § 4a KollV) als auch des § 8 AngG bzw § 2 EFZG, vom Verbrauch von Gutstunden während der Erkrankung auszugehen.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt. Die Revision stützt sich im Wesentlichen auf die Entscheidung 9 ObA 182/05p und will diese aufgrund des allgemein gehaltenen Wortlauts, dass allfällige Erkrankungen während des Verbrauchs von Zeitausgleich keinerlei Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis hätten, auch auf eine „herkömmliche“ Zeitausgleichsvereinbarung angewendet wissen. Da es sich bei der Zeitausgleichsvereinbarung um eine Art Dauerschuldverhältnis handle, könne diese nur aus wichtigem Grund jederzeit gelöst werden. Einen Rücktritt habe der Kläger aber gar nicht erklärt. Selbst bei analoger Anwendung der §§ 4 und 5 UrlG wäre für den Kläger nichts gewonnen, weil seine Erkrankung nicht länger als drei Kalendertage gedauert habe.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Für Überstunden gebührt

1. ein Zuschlag von 50 % oder

2. eine Abgeltung durch Zeitausgleich. Der Überstundenzuschlag ist bei der Bemessung des Zeitausgleichs zu berücksichtigen oder gesondert auszuzahlen (§ 10 Abs 1 AZG).

Der Kollektivvertrag kann festlegen, ob mangels einer abweichenden Vereinbarung eine Abgeltung in Geld oder durch Zeitausgleich zu erfolgen hat. Trifft der Kollektivvertrag keine Regelung oder kommt kein Kollektivvertrag zur Anwendung, kann die Betriebsvereinbarung diese Regelung treffen. Besteht keine Regelung, gebührt mangels einer abweichenden Vereinbarung eine Abgeltung in Geld (§ 10 Abs 2 AZG).

Den Ansprüchen, die § 10 AZG verschafft, kommt unstrittig relativ zwingende Wirkung zu (9 ObA 13/04h; 8 ObA 56/11k; Schrank, AZG2 § 10 Rz 5; Pfeil in ZellKomm2 § 10 AZG Rz 2 mwN).

Ein vereinbarter Zeitausgleich darf nach den zwingenden Vorschriften des § 3 ArbVG nicht zu einer Verschlechterung der Position des Arbeitnehmers gegenüber Kollektivvertrag und Gesetz führen (RIS‑Justiz RS0050986).

Zeitausgleich für Leistung von Überstunden oder Feiertagsarbeit bedarf grundsätzlich einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (RIS‑Justiz RS0052428). Auch im Rahmen einer grundsätzlichen Vereinbarung kann der Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Zeitausgleichs nicht einseitig vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer bestimmt werden (RIS‑Justiz RS0051792). Unter den Voraussetzungen des § 19f Abs 2 und 3 AZG kann der Arbeitnehmer den Zeitausgleich einseitig in Anspruch nehmen.

Die mit BGBl I 1997/46 novellierte Bestimmung des § 10 AZG macht deutlich, dass die Rechtsnatur des Anspruchs zunächst in einem Entgeltanspruch für geleistete Überstunden besteht, der sodann im Wege einer Hingabe an Zahlungsstatt (§ 1414 ABGB) durch Zeitausgleich abgegolten werden soll (RIS‑Justiz RS0051632 [T4]). Zeitausgleich stellt nicht bloß das Synonym für eine „entgeltsneutrale Ruhezeit“ dar, sondern ist vielmehr eine bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht (9 ObA 77/98h). Die Vereinbarung, dass Zeitguthaben erwirtschaftet werden können und durch Zeitausgleich abzubauen sind, führt daher letztlich nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit, ohne dass die Gewährung eines auf die Normalarbeitszeit anzurechnenden Freizeitausgleichs ein zusätzliches Entgelt für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft darstellen könnte (9 ObA 124/12v).

Der Zeitausgleich verfolgt durchaus ähnliche Zwecke wie der Urlaub (9 ObA 146/11b), der Erholungszweck beim Zeitausgleich ist aber weniger von Bedeutung als beim Urlaub (RIS‑Justiz RS0051632). Beim Zeitausgleich wird eine weitgehende Annäherung der durchschnittlichen Arbeitszeit an die Normalarbeitszeit bezweckt (8 ObA 272/94; Adamovic in ZAS 1987, 169 [172]).

Grundsätzlich sind die Parteien des Arbeitsvertrags sowohl an die einmal getroffene Urlaubs‑ als auch Zeitausgleichsvereinbarung gebunden (RIS‑Justiz RS0077424, RS0051624).

Das Urlaubsgesetz enthält eine ausdrückliche Regelung zum Verhältnis Urlaub und Krankheit. § 4 Abs 2 UrlG verbietet den Parteien des Arbeitsvertrags die Vereinbarung des Urlaubsverbrauchs für Zeiträume, während deren ein Arbeitnehmer aus einem der im § 2 Entgeltfortzahlungsgesetz 1974, BGBl 1974/399, genannten Gründe an der Arbeitsleistung verhindert ist, während deren er Anspruch auf Pflegefreistellung oder während deren er sonst Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Entfall der Arbeitsleistung hat. Geschieht dies dennoch, gilt der Zeitraum der Arbeitsverhinderung nicht als Urlaub. Erkrankt (verunglückt) ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, ohne dies vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt zu haben, so werden auf Werktage fallende Tage der Erkrankung, an denen der Arbeitnehmer durch die Erkrankung arbeitsunfähig war, auf das Urlaubsausmaß nicht angerechnet, wenn die Erkrankung länger als drei Kalendertage gedauert hat (§ 5 Abs 1 UrlG).

Zum Arbeitsruhegesetz wurde ausgesprochen, dass die Gewährung einer ‑ auf die Normalarbeitszeit anzurechnenden ‑ Ersatzruhezeit (§ 6 Abs 3 ARG) kein (zusätzliches) Entgelt für die Zurverfügungstellung von Arbeitskraft ist. Es kommt dadurch ‑ im Wege eines Zeitausgleichs ‑ nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit. Sofern die zunächst erbrachte Mehrleistung und die gewährte Ersatzruhezeit gleichwertige Arbeitszeiten sind, bleibt keine Mehrleistung des Dienstnehmers übrig (9 ObA 8/10g = RIS‑Justiz RS0052257 [T3]). Erkrankt der Arbeitnehmer zum vereinbarten oder zu dem sich aus dem Gesetze ergebenden Zeitpunkt der Konsumation des Ersatzruheanspruchs, so geht dieser Anspruch verloren, da eine Übertragungsmöglickeit der Ersatzruhe in eine andere Woche insoweit vom Gesetzgeber nicht vorgesehen ist (RIS‑Justiz RS0052407).

Beim Einarbeiten von Fenstertagen gemäß § 4 Abs 3 AZG wird folgende Ansicht vertreten: Tritt die Erkrankung an dem „eingearbeiteten“, also arbeitsfreien Tag ein, so ist keine Arbeitsverhinderung und deshalb auch kein Anspruch auf EFZ gegeben (Kallab/Hauser, EFZG5 § 2 Erl 4).

In der bereits mehrfach erwähnten Entscheidung 9 ObA 182/05p hat sich der Oberste Gerichtshof mit dem Problem der Erkrankung während der „Freizeitphase“ bei geblockter Altersteilzeit auseinandergesetzt. Dazu wurde ausgeführt, dass Erkrankungen in der Zeitausgleichsphase ohne rechtliche Relevanz seien. Arbeitnehmer könnten nämlich in diesem Zeitraum zwar faktisch krank sein, nicht aber arbeitsunfähig im Rechtssinne, weil keine Arbeitspflicht mehr bestehe. Der Begriff der Arbeitsverhinderung infolge Krankheit enthalte vielmehr schon nach seinem Wortlaut den Sinn, dass Arbeitnehmer durch die eingetretene Erkrankung an der Arbeitsleistung gehindert seien. Dieser Fall könne aber in der Zeitausgleichsphase nicht mehr eintreten. Allfällige Erkrankungen während des Verbrauchs von Zeitausgleich hätten daher keinerlei Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis und begründeten demnach auch keine Ansprüche auf Krankengeld aus der gesetzlichen Sozialversicherung.

Die Oberlandesgerichte Linz (12 Ra 117/95, ARD 4755/23/96) und Wien (34 Ra 132/94, ARD 4623/13/95) vertreten die Ansicht, dass der Krankenstand nicht zur Abdeckung des Überstundenguthabens herangezogen werden könne, wenn ein Arbeitnehmer während eines Zeitraums, in dem er vertragsgemäß Zeitausgleich für Überstunden konsumiere, erkrankt sei. Das Oberlandesgericht Linz begründet dies vor allem damit, dass beim Zeitausgleich für Überstunden nicht der Erholungszweck das Wesentliche sei, sondern der Ausgleich bereits vorweggenommener Arbeitszeit und in diesem Fall daher der Entgeltcharakter überwiege. Das Oberlandesgericht Wien stellt ebenfalls auf einen Konnex zwischen Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt ab und meint, dass mangels anderer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterstellt werden müsse, dass Zeiträume, während deren der Arbeitnehmer ohnedies Anspruch auf Entgelt auch ohne Arbeitsleistung hätte, nämlich Urlaub und Krankenstand in der in § 8 AngG vorgesehenen Dauer, zur Abdeckung eines Überstundenguthabens des Arbeitnehmers nicht herangezogen werden dürften.

Im Schrifttum und in der Lehre wird die gegenständliche Frage kontroversiell diskutiert:

Mayr (Zeitausgleich und Krankenstand, ecolex 1996, 186) begründet die Unzulässigkeit des Verbrauchs von Zeitausgleich trotz Krankenstand damit, dass § 10 AZG nur die Abgeltung von Überstunden vorsehe. Aufgrund des relativ zwingenden Charakters dieser Norm müsse eine Zeitausgleichsvereinbarung günstiger als die Abgeltung der Überstunden sein. Dies wäre bei einem Zeitausgleichsverbrauch trotz Krankenstand nicht gegeben. Auch die gemäß § 40 AngG zwingende Regelung des § 8 AngG stehe einem Verbrauch von Zeitausgleich während des Krankenstands entgegen.

Sulzbacher (DRdA 1996, 259) und Kallab/Hauser (EFZG5 § 2 Erl 4) stimmen den oben genannten Entscheidungen der Oberlandesgerichte zu und verweisen zudem auf den Aufsatz von Mayr.

Rauch (Kommentar zum EFZG § 2 Rz 6.7) verweist ebenfalls auf die Entscheidungen der Oberlandesgerichte Linz und Wien.

Klein (AZG³ Erl 3 zu § 10) hält in seiner Kritik zu 9 ObA 213/88, wonach sich die Überstundenabgeltung in Form von Zeitausgleich in entgeltfortzahlungspflichtigen Zeiten in keiner Weise niederzuschlagen hat, weil es im Wege des Zeitausgleichs lediglich zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit kam, fest, dass auch bezahlte Freizeit einen geldwerten Vorteil darstelle, der nach dem Ausfallsprinzip dem Arbeitnehmer während entgeltfortzahlungspflichtiger Zeiten nicht vorenthalten werden dürfe. Die Entscheidung laufe auch Grundwertungen des Arbeitszeitgesetzgebers entgegen, stelle sie doch einen negativen Anreiz für die Arbeitnehmer dar, sich auf Zeitausgleichsvereinbarungen einzulassen.

Schrank (Arbeitszeitgesetze Kommentar2 § 4 AZG Rz 111 und § 10 AZG Rz 42) vertritt hingegen die Regel „Krankheit bricht Urlaub, aber nicht Zeitausgleich“. Was für einen im Anlassfall (9 ObA 182/05p) sogar sehr langen Krankenstand in der emotional ebenfalls sicher sensiblen langen Freizeitphase geblockter Altersteilzeit gelte, müsse umso eher bei den eher kürzeren Überstundenzeitausgleichen gelten, sei doch kein Wertungsgesichtspunkt ersichtlich, der eine abweichende Beurteilung tragen könnte. Wie in allen Fällen im Zusammenhang mit Krankenständen bei flexibler Arbeitszeitverteilung, die zu anlassbezogenen (zB beim Einarbeiten iVm Feiertagen) oder sonstigen Verschiebungen von Normalarbeitszeit mit höheren Normalarbeitszeiten gegen häufige auch mehrtägige oder längere Zeitausgleiche (sonstige Durchrechnungsmodelle) führe, gehe es auch im Fall, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsspitzen voll gearbeitet habe und dann in der sich daraus ergebenden Zeitausgleichszeit im Krankenstand sei, nur um eine arbeitszeitrechtliche Verschiebung der Normalarbeitszeit. Es sei freizeitmäßig nicht anders, als wenn jemand ausgerechnet und allein an seinem arbeitsfreien Samstag erkranke. Auch ein derartiger Arbeitnehmer erhalte dafür unstrittig keinen anderen Wochentag frei.

Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsansicht von Schrank an. Die in 9 ObA 182/05p für den Fall der geblockten Altersteilzeit dargelegten Grundsätze sind auch für den vorliegenden Fall tragfähig.

Die Vereinbarung von Zeitausgleich hat zwar auch Entgeltcharakter, führt aber letztlich nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit. Der ‑ relativ zwingende (vgl RIS‑Justiz RS0030044) ‑ Entgeltfortzahlungsanspruch des § 8 AngG bzw § 2 EFZG setzt aber voraus, dass der Arbeitnehmer durch Krankheit an der Leistung seiner Arbeit verhindert, also unfähig ist, seine Arbeitspflicht zu erfüllen. Eine Arbeitsverhinderung durch Krankheit oder Unfall kann nur in Zeiten bestehen, in denen der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überhaupt verpflichtet ist. Erkrankt der Arbeitnehmer in einem Zeitpunkt, in dem er nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet oder bereits durch andere Umstände als durch Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert ist, so besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Nicht die Erkrankung des Arbeitnehmers im Zeitausgleichszeitraum bewirkt den Entfall der Arbeitsleistung, sondern die mangelnde Verpflichtung zur Arbeitsleistung infolge Vorleistung von Arbeit durch den Arbeitnehmer.

Eine Verletzung der zwingenden Bestimmung des § 10 Abs 1 AZG liegt nicht vor, weil dem Kläger für seine vorgeleistete Arbeitszeit tatsächlich Zeitausgleich im gesetzlich vorgesehenen Ausmaß gewährt wurde. Hatte der Kläger daher bereits aus diesem Grund für den Zeitausgleichszeitraum keine Arbeitspflicht, dann ist ein weiterer Grund (Krankheit), der es ihm erlaubt hätte, von der Arbeit fern zu bleiben, nicht mehr von Bedeutung (vgl 8 ObA 28/12v, wonach ein Anspruch nach § 22 AngG insbesondere auch für die Dauer des vereinbarten Erholungsurlaubs nicht in Betracht kommt, weil eine zusätzliche „Freistellung“ begrifflich nicht möglich ist, wenn der Arbeitnehmer bereits aus anderen Gründen bezahlte Freizeit konsumiert).

Ein Günstigkeitsvergleich der (relativ) zwingenden Regelungen der § 10 AZG, § 8 AngG bzw § 2 EFZG mit einer Vereinbarung über den Verbrauch von Gutstunden auch bei Erkrankung im festgelegten Zeitausgleichszeitraum, wie ihn das Berufungsgericht vorgenommen hat, ist hier nicht durchzuführen, weil die Parteien eine derartige Vereinbarung nicht abgeschlossen haben und weder eine Vertragslücke behauptet noch Umstände für eine ergänzende Vertragsauslegung vorgebracht wurden. Die vom Kläger in seiner Revisionsbeantwortung vorgetragenen Überlegungen zum Stufenbau der Rechtsquellen und im Ergebnis daher ebenfalls zum zwingenden Anspruch des § 8 AngG lassen außer Betracht, dass die Voraussetzungen für einen Entgeltfortzahlungsanspruch deshalb nicht vorliegen, weil der Kläger während seiner Krankheit nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet war.

Die Frage, ob die Erkrankung des Arbeitnehmers einen wichtigen Grund darstellt, welcher ihn nach allgemein bürgerlich‑rechtlichen Grundsätzen zum Rücktritt von der Zeitausgleichsvereinbarung berechtigen würde, kann dahingestellt bleiben, weil der Kläger keinen Rücktritt erklärt hat.

Da beim Urlaub der Erholungszweck im Vordergrund steht, beim Zeitausgleich aber eine weitgehende Annäherung der durchschnittlichen Arbeitszeit an die Normalarbeitszeit bezweckt wird, ist auch eine analoge Anwendung der §§ 4, 5 UrlG nicht geboten.

Zusammengefasst hält der Oberste Gerichtshof daher an seiner bereits in 9 ObA 182/05p vertretenen Rechtsansicht fest, dass Erkrankungen während des Verbrauchs von Zeitausgleich keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben.

Der Revision ist daher Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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