OGH 9ObA267/97y

OGH9ObA267/97y5.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Gerhard Gotschy als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Renate A*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellungen (Streitwert S 50.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. April 1997, GZ 10 Ra 61/97g-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 4.Dezember 1996, GZ 28 Cga 184/96z-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 676,48 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß das nach § 3 Abs 1 NSchG-Novelle 1992 gebührende Zeitguthaben weder verfällt noch verjährt, wenn es infolge Inanspruchnahme des Karenzurlaubes durch die Arbeitnehmerin nicht spätestens sechs Monate nach seinem Entstehen verbraucht werden kann. Insoweit kann auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hingewiesen werden (§ 48 ASGG). Ergänzend ist auszuführen:

Der Wortlaut, "das Zeitguthaben ist jedoch spätestens sechs Monate nach seinem Entstehen zu verbrauchen", bietet keinen Hinweis dafür, daß das Recht auf das Zeitguthaben nach Ablauf dieser Frist erloschen wäre, sodaß sich daraus keine Ausschluß- oder Präklusionswirkung ableiten läßt (Koziol/Welser Grundriß10 I 190 mwN).

Ob es sich andererseits um eine Verjährungsfrist oder eine bloße Ordnungsvorschrift handelt, ist nicht von Bedeutung. Die Rechtsprechung hat den Standpunkt eingenommen, daß der Zeitausgleich, dem das Zeitguthaben des § 3 Abs 1 NSchG-Novelle 1992 gleichzuhalten ist (629 BlgNR 18. GP 2), ähnliche Zwecke wie der Erholungsurlaub verfolgt und demgemäß die Grundsätze des Urlaubsrechts über den Zeitpunkt des Urlaubsantritts auf die Frage des Zeitpunkts der Inanspruchnahme des Zeitausgleichs angewendet werden können (Mayr, Zeitausgleich und Krankenstand, ecolex 1996, 186; DRdA 1988/17 [Grillberger] = ZAS 1987/20 [Adamovic]; SZ 65/31 = DRdA 1992/54 [Eypeltauer]; DRdA 1995/27 [Andexlinger]). Da im vorliegenden Fall das Zeitguthaben als Zeitausgleich für die Erschwernisse der Nachtschwerarbeit durch das Pflegepersonal in Krankenanstalten gedacht ist (629 BlgNR 18. GP 2), steht der Erholungszweck wie im Urlaubsrecht im Vordergrund, sodaß der Kritik von Adamovic über die wegen der abgeschwächten Bedeutung des Erholungszwecks beim Zeitausgleich fehlende Grundlage für die analoge Anwendung des Urlaubsrechts hier der Boden entzogen ist (Adamovic aaO 171).

In analoger Anwendung des Urlaubsrechts hinsichtlich der Frage des Urlaubsantritts bedarf es bei Verbrauch des Zeitguthabens nicht nur der in § 3 Abs 1 NSchG-Novelle 1992 geforderten Vereinbarung über den Verbrauch desselben, sondern ist ungeachtet der rechtlichen Einordnung der 6-Monatsfrist als Verjährungsfrist oder Ordnungsvorschrift in dem den Urlaubsantritt berührenden § 4 Abs 5 UrlG vorgesehen, daß die dort normierte Verjährungsfrist von zwei Jahren ua auch bei Inanspruchnahme eines Karenzurlaubes nach dem Mutterschutzgesetz um jenen Zeitraum, um den der Karenzurlaub zehn Monate übersteigt, verlängert wird. Damit sollte der Verfall bereits entstandener Urlaubsansprüche und somit soziale Härten vermieden werden (Kuderna, UrlG2 Rz 37 zu § 4; Czerny, Urlaubsrecht7 146; Knöfler, MSchG11 298). Der Zweck des Gesetzes, gesundheitliche Schäden der Nachtschwerarbeit durch Zeitguthaben auszugleichen und ein gewisses Ansparen der Zeit zu erreichen, um einzelne freie Tage zu ermöglichen, wäre vereitelt, wenn aus vom Arbeitnehmer nicht zu vertretenden Gründen und in Wahrung der ihm von Gesetz eingeräumten Möglichkeit, Karenzurlaub in Anspruch zu nehmen, ein Verlust bereits erworbener Zeitausgleichsansprüche eintreten würde. Der durch das Nachtschwerarbeitsgesetz (Novelle 1992) verfolgte Zweck, die besonderen Erschwernisse der Nachtarbeit durch zusätzliche Erholungsmöglichkeiten auszugleichen, gebietet daher die analoge Anwendung des § 4 Abs 5 UrlG auch auf diesen vom Gesetzgeber des NSchG nicht berücksichtigten Fall eines Karenzurlaubs, der in die 6-Monatsfrist des § 3 Abs 1 NSchG-Novelle 1992 fällt. Daran ändert nichts, daß zur Vermeidung von gesundheitlichen Schäden das Zeitguthaben möglichst rasch nach Leistung des Nachtdienstes verbraucht werden und die Organisation der Krankenanstalten nicht überfordert werden soll (629 BlgNR 18. GP 2). Das Gesetz stellt darauf ab, daß der Zeitausgleich zu "verbrauchen" ist. Es trifft im Gegensatz zu § 6 Abs 5 ARG habe keine Anordnung eines bestimmten Verbrauchszeitpunkts (9 ObA 75/90), sondern sieht eine Frist vor, innerhalb der das Zeitguthaben zu verbrauchen ist. Die Voraussetzungen des Verlustes des Anspruches durch Ablauf der Frist setzt aber voraus, daß auch eine Verbrauchsmöglichkeit gegeben ist. Bei einer Sistierung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag, wie der Tätigkeitspflicht (infas 1996 A 33) im Falle der Karenzierung ist die Möglichkeit des Verbrauches aus im Gesetz geregelten Gründen nicht gegeben. Daher kann aber die durch das eingetretene Hindernis gehemmte Frist erst wieder nach Wegfall desselben, wenn wieder die Möglichkeit des Zeitguthabenverbrauches besteht, weiterlaufen.

Da ein Ausmaß von 26 Stunden Zeitguthaben unbestritten bleibt, ist es ohne Bedeutung, ob das Zeitguthaben aus dem Titel Fortbildungs- und Besprechungszeiten oder nach Art V § 3 NSchG-Novelle 1992 besteht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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