European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00246.17F.0220.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Eine Abweichung des Berufungsgerichts von seiner im ersten Rechtsgang zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht ist kein Revisionsgrund, weil die Rechtsfrage vom Obersten Gerichtshof unabhängig von der Entscheidung des Berufungsgerichts zu lösen ist (RIS‑Justiz RS0042181 [T10]).
2. Ob eine schuldhafte, haftungsbegründende Warnpflichtverletzung vorliegt, ist wegen der Kasuistik der Fallgestaltung eine Frage des Einzelfalls und ist daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0116074 [T2, T3]).
Die Auffassung des Berufungsgerichts, der beklagte Architekt hätte sich, nachdem er zu Beginn der Bauausführung und vor Fertigstellung des Polierplans erfahren hatte, dass der Erstnebenintervenient die für den Erweiterungsbau erstellte Statik mit einer Trägerhöhe des bestehenden Leimbinders von 1,70 m statt richtig 1,25 m (in der Mitte) gerechnet hatte, vergewissern müssen, ob sich unter Berücksichtigung der tatsächlichen Trägerhöhe nicht eine Änderung der statischen Berechnungen ergibt, ist vertretbar. Im Wissen um die falsche Berechnungsprämisse in einem für die Aufstockung des Betriebsgebäudes der Klägerin entscheidenden Punkt (Höhe des Bestandträgers) durfte sich der Beklagte nicht mehr ohne Weiteres auf die Richtigkeit der Statik verlassen, die Grundlage für seine planerische Tätigkeit war. Der Statiker nahm zwar die ihm (zeitgleich mit dem Beklagten) ebenfalls zur Kenntnis gelangte Abweichung zwischen der dem Plan entnommenen (und seinen Berechnungen zugrundegelegten) und der wirklichen Trägerhöhe des Leimbinders nicht zum Anlass neuer Berechnungen. Dieser Umstand ist jedoch für sich allein nicht geeignet, die Bedenken an der Tauglichkeit der Statik zu beseitigen, die das Bekanntwerden dieser (letztlich schadenskausalen) Divergenz beim Beklagten erwecken musste, hätte er doch damit rechnen müssen, dass die Untätigkeit des Statikers – wie hier – auch auf ein Versäumnis zurückzuführen gewesen sein könnte. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine schuldhafte Verletzung der Warnpflicht nach § 1168a ABGB durch den Beklagten bejaht hat, der in dieser unklaren Situation die statischen Belange unreflektiert auf sich beruhen ließ, ohne Rücksprache mit dem Statiker zu halten oder seine Bedenken dem Werkbesteller mitzuteilen.
3. Das Rechtsmittel kritisiert, dass das Berufungsgericht die Versäumnisse des Statikers nicht dem Kläger als Mitverschulden zugerechnet hat.
Ein Werkbesteller muss sich jedoch nach der jüngeren Rechtsprechung nicht jedes mitwirkende Verschulden eines von ihm beigezogenen sachverständigen Gehilfen anrechnen lassen. Ein Mitverschulden kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn der Werkbesteller Pflichten oder Obliegenheiten verletzt, die aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung oder nach der Verkehrsübung den Werkbesteller selbst treffen oder die er nachträglich übernommen hat (RIS‑Justiz RS0021766; 4 Ob 137/11t; 5 Ob 16/13h mwN).
Die Beiziehung eines fachkundigen Gehilfen führt daher für sich allein noch nicht zum Entstehen weiterer Pflichten oder Obliegenheiten des Werkbestellers. Entscheidend ist, ob ihn diese Pflichten oder Obliegenheiten persönlich, also unabhängig vom Beiziehen des Gehilfen getroffen haben. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Besteller die Herstellungsmethode bzw die Art der Ausführung vorgibt, ohne dem Werkunternehmer zu erkennen zu geben, an seiner fachlichen Ansicht oder Kritik an der Ausführungsart interessiert zu sein (vgl zuletzt etwa 5 Ob 60/17k; 8 Ob 57/17s).
Die Revision setzt sich mit dieser bereits vom Berufungsgericht dargelegten neueren Rechtsprechung in keiner Weise auseinander und zeigt dementsprechend auch nicht auf, woraus sich hier eine qualifizierte vertragliche Mitwirkungspflicht (vgl 8 Ob 57/17s) der Werkbestellerin gegenüber dem Beklagten ergeben soll. Vielmehr beschränkt sich das Rechtsmittel auf die substanzlose Behauptung, der Werkbesteller müsse sich in einem Verfahren gegen einen Dritten ein Verschulden seines Erfüllungsgehilfen gemäß § 1313a ABGB als (Mit‑)Verschulden zurechnen lassen. Eine solche pauschale – der Sache nach begründungslose – Bekämpfung der Rechtsansicht des Berufungsgerichts entspricht jedoch nicht den an eine Revision gestellten Anforderungen (vgl RIS‑Justiz RS0043654).
4. Die Frage, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist bzw wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist, ist gleichfalls regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, sofern das Berufungsgericht zu einem vertretbaren Auslegungsergebnis gelangt ist (RIS‑Justiz RS0042828 [T27]).
Der beklagte Schädiger hat zu behaupten und zu beweisen, dass der Geschädigte den eingetretenen Schaden hätte mindern können (RIS‑Justiz RS0027129; RS0026909), also dem Geschädigten bestimmte Maßnahmen objektiv zumutbar gewesen wären und er diese schuldhaft nicht ergriffen hat (9 Ob 83/15v).
Schon weil der Beklagte nie vorgebracht hat, aus welchen Gründen der Klägerin das Unterbleiben der schnellstmöglichen Sanierung zum Vorwurf gereichen sollte, liegt in der Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Klägerin diesbezüglich nicht eingewendet, keine krasse Fehlbeurteilung.
5. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens als Folge eines Verstoßes gegen die §§ 182, 182a ZPO (Verbot der Überraschungsentscheidung) setzt voraus, dass der Revisionswerber die Relevanz des Mangels darlegt und er das unterlassene Vorbringen nachholt (RIS‑Justiz RS0037095; 1 Ob 204/07t ua). Diesem Erfordernis entspricht das Rechtsmittel nicht.
6. Die außerordentliche Revision war daher in Ermangelung von Rechtsfragen erheblicher Bedeutung als unzulässig zurückzuweisen.
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