OGH 7Ob106/17i

OGH7Ob106/17i29.11.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. E***** L*****, vertreten durch Mag. Ernst Lehenbauer, Rechtsanwalt in Enns, gegen die beklagte Partei I***** Versicherungsmakler GmbH, *****, vertreten durch Mag. Klaudia Reißner, Rechtsanwältin in Graz, wegen 39.841,10 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. April 2017, GZ 5 R 199/16w-33, womit das Urteil des Landesgerichts Sankt Pölten vom 18. Oktober 2016, GZ 38 Cg 164/14i-26 (berichtigt mit Beschluss vom 9. November 2016, GZ 38 Cg 164/14i-28), bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00106.17I.1129.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben, und die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Zwischen dem beklagten Versicherungs-maklerunternehmen und der in G***** ansässigen E***** AG besteht ein Franchise-Vertrag, in dem die Zusammenarbeit geregelt und unter anderem als Aufgabe der Beklagten die Gewinnung und Betreuung von Kunden festgelegt ist. Die Anträge an die jeweiligen Versicherungen sowie die Honorarabrechnung mit dem Kunden erfolgen über die Franchisegeberin, von der die Beklagte auch ihren Teil der Provision erhält.

Der Kläger, der als Ansprechpartner einen Versicherungsmakler in der Nähe seines Wohnsitzes haben wollte, nahm aus eigenem Antrieb Kontakt mit einer Mitarbeiterin der Beklagten auf, die als Vertreterin der E***** Versicherungsmakler auftrat. Sie erklärte ihm, dass es sich beim Unternehmen „E*****“ um einen Versicherungsmakler handle, der als Franchise-System organisiert sei, und es über siebzig Standorte in Österreich gebe. Sie sei im Büro in St. V***** tätig; neben den zahlreichen Standorten von „E*****“ gebe es auch eine Fachabteilung in G*****, die ständig bemüht sei, die besten Produkte für die Kunden auszuarbeiten. Die rechtliche Beziehung und Zusammenarbeit zwischen der E***** AG und der Beklagten erklärte sie nicht; die Firma der Beklagten „I***** Versicherungsmakler GmbH“ wurde im Gespräch nicht erwähnt. Die Mitarbeiterin der Beklagten übergab dem Kläger eine Informationsbroschüre der „E*****“ und füllte in der Folge ein Formular „Kundenwunsch & Vollmacht an den Makler“ mit den Daten des Klägers aus, das am 31. Mai 2011 vom Kläger und von der Mitarbeiterin der Beklagten beim Feld „Unterschrift E***** Versicherungsmakler“ unterzeichnet wurde; dieses Unterschriftsfeld war bereits zuvor mit folgendem Text abgestempelt worden:

 

E *****

Versicherungsmakler

E***** St. V*****

I***** Versicherungsmakler GmbH

***** St. V*****

 

Im Juni 2011 schloss der Kläger über Beratung der Mitarbeiterin der Beklagten einen Haushalts-versicherungsvertrag für sein Haus ab. Einen vom Kläger im Jahr 2012 erlittenen Brandschaden ersetzte dieser Versicherer wegen Unterversicherung nur zum Teil.

Der Kläger begehrt Schadenersatz in Höhe des nicht gedeckten Schadens wegen fehlerhafter Beratung durch die Beklagte.

Die Beklagte wandte unter anderem mangelnde Passivlegitimation ein. Der Kläger habe nicht ihr, sondern ihrer Franchisegeberin Auftrag und Vollmacht erteilt; die Beklagte sei nur deren Erfüllungsgehilfin.

Das Erstgericht wies das Klagebegehen mangels Passivlegitimation ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Mit seiner außerordentlichen Revision beantragt der Kläger, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

In der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig; sie ist im Sinne des Eventualantrags auch berechtigt.

Der Kläger führt ins Treffen, die Auslegung der festgestellten Vertragsurkunden durch die Vorinstanzen sei unvertretbar.

Dazu wurde erwogen:

1.1.  Der Wille, im Namen eines Anderen zu handeln, muss im Geschäftsverkehr ausdrücklich erklärt werden oder aus den Umständen erkennbar sein (Offenlegungsprinzip; RIS-Justiz RS0088884, RS0019558, RS0019427). Wer nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter eines Anderen rechtsgeschäftlich handeln will, muss dies auf unzweifelhafte Weise zum Ausdruck bringen (2 Ob 236/14s mwN). Ist der Wille, im fremden Namen zu handeln, nicht erkennbar, kann die Wirkung der direkten Stellvertretung nicht eintreten; der Handelnde haftet dann persönlich für die Verbindlichkeiten aus dem Geschäft, das der Vertragspartner im Vertrauen auf den vom anderen Teil geschaffenen Rechtsschein abschließt. Legt daher der Vertreter nicht offen, dass er im Namen eines Anderen handeln will, kommt das Geschäft im Zweifel mit ihm selbst zustande (RIS‑Justiz RS0019540 [insb T9]). Wenn ein ausdrückliches Handeln im fremden Namen nicht vorliegt, bedarf es in jedem Einzelfall der sorgfältigen Prüfung, wie der Dritte – von seinem Erkenntnishorizont aus gesehen – das Auftreten des Handelnden verstehen musste (RIS‑Justiz RS0019516). Die Auslegung einer Erklärung ist am Empfängerhorizont zu messen, wobei die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen sind, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen und verständigen Menschen und unter Bedachtnahme auf Geschäftszweck und Interessenlage zu verstehen war (vgl RIS-Justiz RS0113932); dies ist unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 863 Abs 2 ABGB) mit einer natürlichen Rechtsauffassung der dem Rechtsverkehr zugrunde liegenden Lebensverhältnisse zu würdigen (RIS-Justiz RS0014156).

1.2.  Der „Franchising-Vertrag“ ist ein Vertrag, durch den eine Marke, insbesondere Warenzeichen in Verbindung mit Lizenzen oder Know-how zur Benutzung einer anderen Person überlassen werden (RIS‑Justiz RS0071384). Durch einen Franchisevertrag wird allgemein ein Dauerschuldverhältnis begründet, durch das der Franchisegeber dem Franchisenehmer gegen Entgelt das Recht einräumt, bestimmte Waren und/oder Dienstleistungen unter Verwendung von Name, Marke, Ausstattung usw sowie der gewerblichen und technischen Erfahrungen des Franchisegebers und unter Beachtung des von diesem entwickelten Organisationssystems und Werbesystems zu vertreiben, wobei der Franchisegeber dem Franchisenehmer Beistand, Rat und Schulung in technischer und verkaufstechnischer Hinsicht gewährt und eine Kontrolle über die Geschäftstätigkeit des Franchisenehmers ausübt (RIS‑Justiz RS0071387).

2.1.   Die Mitarbeiterin der Beklagten legte offen, dass diese Franchisenehmerin ist und sie selbst im Büro St. V***** tätig sei. Der objektive Erklärungswert dieser Äußerungen geht dahin, dass sie für die Franchisenehmerin handelt. Der Hinweis auf die „E*****“ ist der zu erwartende Hinweis auf die Franchisegeberin, stellt aber keine Offenlegung eines Vertretungsverhältnisses dar.

2.2.  Die festgestellte Vertragsurkunde wurde von einer Mitarbeiterin der Beklagten unter Verwendung eines Firmenstempels der Beklagten, der auch ihre Firma und ihre Firmenadresse ausdrücklich anführte, unterfertigt. Diese firmenmäßige Fertigung ist bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen und verständigen Menschen und unter Bedachtnahme auf Geschäftszweck und Interessenlage nur dahin zu verstehen, dass die den Vertrag fertigende Beklagte selbst Vertragspartnerin des Klägers wurde.

3.  Die Passivlegitimation der Beklagten ist daher– im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanzen und der Revisionsbeantwortung der Beklagten – zu bejahen. In diesem Lichte reichen die Feststellungen nicht aus, um den geltend gemachten Anspruch abschließend beurteilen zu können.

4.  Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte