European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E119853
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird – soweit die berufungsgerichtliche Kostenentscheidung bekämpft wird – als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen, im Übrigen wird sie mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Das Berufungsgericht gab der wegen titelloser Benützung erhobenen Räumungsklage statt, weil es die von der klagenden Erwerberin der vermieteten Liegenschaft ausgesprochene außergerichtliche Aufkündigung des Bestandverhältnisses für wirksam erachtete.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Räumungsbegehrens anstrebt, ist nicht zulässig.
1. Die Bekämpfung der zweitinstanzlichen Entscheidung über den Kostenpunkt ist jedenfalls unzulässig (RIS‑Justiz RS0053407).
2. Da in dritter Instanz unstrittig ist, dass die seinerzeitige Vermietung der Grundstücksfläche zu Geschäftszwecken nicht dem MRG unterlag, bedurfte es keiner gerichtlichen Aufkündigung des Bestandverhältnisses, um die materiell‑rechtliche Wirkung der Vertragsauflösung hervorzurufen (RIS‑Justiz RS0020966, RS0021007).
3. Die in der Rechtsprechung mehrfach unbeantwortet gelassene Frage, ob die Kündigung des Erwerbers der Liegenschaft gemäß § 1120 ABGB grundsätzlich nur binnen angemessener Frist erfolgen darf (vgl 1 Ob 344/99s; 1 Ob 122/02a; 6 Ob 66/05w), bedarf auch im vorliegenden Fall keiner abschließenden Klärung.
Maßgebender Zeitpunkt für den gesetzlichen Eintritt des Einzelrechtsnachfolgers des Bestandgebers in das Bestandverhältnis nach § 1120 ABGB ist jener der Einräumung des Eigentums‑ oder Fruchtgenussrechts an den Erwerber, also bei Liegenschaften das Einlangen des Antrags auf Verbücherung (RIS‑Justiz RS0104141). Selbst wenn man die in ständiger Rechtsprechung anerkannte Wirkung der Kündigung nach § 1120 ABGB, dass Vereinbarungen über die Vertragsbeendigung, wie bestimmte Vertragsdauer, Kündigungsverzicht, Kündigungstermine und ‑fristen den Erwerber der Liegenschaft nicht binden (RIS‑Justiz RS0014444; 6 Ob 66/05g), davon abhängig macht, dass die Aufkündigung binnen angemessener Frist nach dem Liegenschaftserwerb erfolgt, erweist sich die berufungsgerichtliche Beurteilung, dass hier die Kündigung innerhalb angemessener Frist erfolgte, als nicht korrekturbedürftig. Zwar wurde der Kaufvertrag bereits am 25. Oktober 2013 abgeschlossen und die Liegenschaft mit Stichtag 1. Dezember 2013 übergeben, die Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin erfolgte aber erst am 15. Oktober 2014. Bereits Anfang April 2014 hatte die Klägerin der Beklagten mitgeteilt, dass sie vorhabe, den Mietvertrag aufzukündigen. Im Mai 2015 erklärte die Klägerin der Beklagten, dass sie sich nicht an den Kündigungsverzicht ihrer Rechtsvorgängerin gebunden erachte, und drohte im Dezember 2015 mit der Einbringung einer Räumungsklage für den Fall, dass die Beklagte nicht spätestens bis zum 11. Jänner 2016 erklären sollte, das Bestandobjekt geräumt zu übergeben. Im Jänner 2016 kündigte die Klägerin das Bestandverhältnis zum 30. Juni 2016 auf.
Da die allenfalls zu beachtende Angemessenheitsfrist erst mit Erlangung des Eigentums an der Liegenschaft zu laufen beginnen kann, verbietet sich ein Vergleich mit jenen Fällen, in denen das Vorliegen einer angemessenen Frist verneint wurde (6 Ob 66/05g: 20 Jahre; 7 Ob 585/92: mehr als 20 Jahre).
4. Ob nach den Umständen des Einzelfalls ein Verzicht anzunehmen ist oder nicht, wirft im Regelfall ebensowenig erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RIS‑Justiz RS0107199), wie die Auslegung einer konkreten Erklärung (RIS‑Justiz RS0042555). Da für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen nach § 863 ABGB beim stillschweigenden Kündigungsverzicht ein strenger Maßstab anzulegen ist (RIS‑Justiz RS0014146), bietet der hier zu beurteilende Sachverhalt keinen Anhaltspunkt, dass die berufungsgerichtliche Verneinung eines Verzichts auf das Kündigungsrecht bzw die durch § 1120 ABGB bewirkte Lösung von den Rechtsvorgänger bindenden Kündigungsbeschränkungen gegen Grundsätze der Rechtsprechung verstieße.
5. Dass das Berufungsgericht aus der Vereinbarung der Klägerin mit ihrer Rechtsvorgängerin lediglich eine Regelung der Besitzübergabe ableitete und keine Vereinbarung annahm, wonach der Erwerber in sämtliche Rechte und Pflichten des Veräußerers aus den bestehenden Bestandvertrag eintritt (vgl RIS‑Justiz RS0017051), bildet gleichfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung infolge Verstoßes gegen Grundsätze der Vertragsauslegung (RIS‑Justiz RS0042776, RS0042936, RS0044358).
6. Da das Eigentumsrecht der Klägerin an der Grundstücksfläche, deren geräumte Übergabe begehrt wird, feststeht (Einbeziehung des strittigen Trennstücks in die unstrittig im Eigentum der Klägerin befindliche schon zuvor erworbene Liegenschaft), und die außergerichtliche Aufkündigung des mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin geschlossenen und auf diese übergegangenen Bestandvertrags angenommen wurde, stellt sich die Frage nicht, ob dieser aufgekündigte Bestandvertrag nur Teile oder die gesamte Fläche des Trennstücks umfasste. Der Beklagten fehlt jedenfalls ein Rechtstitel zu deren Nutzung.
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