OGH 7Ob585/92

OGH7Ob585/923.7.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr. Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gottfried B*****, vertreten durch Dr.Gerhard Hackenberger, Rechtsanwalt in Graz„ wider die beklagten Parteien 1.) Ewald R*****, 2.) Mathias W*****, vertreten durch Dr.Anton Heinrich, Rechtsanwalt in Judenburg, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 24.März 1992, GZ R 117/92-29a, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Judenburg vom 25.November 1991, GZ 2 c 2203/90 f-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.590,40 (darin S 598,40 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Eine von den Beklagten betriebene Schiliftanlage führt zum Teil über im Eigentum des Klägers stehende Grundstücke. Die Bewilligung hiezu wurde dem Beklagten vom Rechtsvorgänger des Klägers - seinem Vater - mit dem "Vertrag" vom 12.10.1965 gegen Zahlung eines bestimmten, jährlich zu zahlenden Betrages gegeben. Dieser Vertrag "verliert" nach seinem Wortlaut "seine Gültigkeit, wenn der Lift gänzlich eingestellt und abmontiert werden" sollte.

Mit der am 24.7.1990 erhobenen Aufkündigung beantragte der Kläger, den Beklagten aufzutragen, den Bestandgegenstand bis längstens 14.1.1991 zu räumen. Nach dem Bestandvertrag vom 12.10.1965 und einer im Jahr 1970 vereinbarten Erweiterung sei dem Beklagten der Gebrauch von Grundstücken des Klägers zur Errichtung und zum Betrieb einer Schleppliftanlage und das Recht zu drei Abfahrten eingeräumt worden. Zwar erlösche der Vertrag nach seinem Wortlaut von selbst, wenn der Lift gänzlich eingestellt oder abmontiert werden sollte; doch sei ein vorzeitiges Kündigungsrecht des Klägers nicht ausgeschlossen worden. Die Liegenschaften seien dem Kläger von seinem Vater ohne vertragliche Überbindung des gegenständlichen Bestandverhältnisses übergeben worden. Bei Vertragsabschluß sei nicht bekannt und auch nicht vorhersehbar gewesen, daß Bodenverdichtungen durch die Anlage und Präparierung von Schiabfahrten erhebliche und nicht wiedergutzumachende Schäden nach sich ziehen. Diese Schäden stellten einen wichtigen Grund zur Auflösung der Bestandvertrages dar.

Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage. Ein vorzeitiges Kündigungsrecht des Grundeigentümers sei ausgeschlossen worden. Die vorliegende Vereinbarung sei vom Kläger in vollem Umfang im Wege der bäuerlichen Gutsübergabe übernommen worden. Eine Erweiterung der Abfahrtsmöglichkeiten sei mit dem Kläger selbst vereinbart worden; der Kläger habe auch die erforderlichen Kahlschlägerungsgenehmigungen eingeholt. Dem Kläger und seinem Vater sei bei Vertragsbeginn bzw Vetragsübernehme bekannt gewesen, daß der Betrieb einer Schiliftanlage und einer Schiabfahrt gewisse Beeinträchtigungen des Grundeigentümers mit sich bringe.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung als unwirksam und wies das Räumungsbegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Der Vater des Klägers räumte den Beklagten mit Vertrag vom 12.10.1956 das Recht ein, auf seinem Grundstücken eine Schischleppliftanlage zu errichten. Das Benützungsrecht durfte danach so lange dauern, als der Schlepplift besteht und von den Beklagten betrieben wird. Von einer Kündigungsmöglichkeit vor gänzlicher Einstellung und Abmontierung des Liftes war nicht die Rede. Nach dem Parteiwillen war eine einseitige Aufkündigung durch den Kläger oder seinen Rechtseingänger vor Einstellung des Liftbetriebes ausgeschlossen. Der Lift ist bei entsprechenden Schneeverhältnissen nach wie vor in Betrieb.

Der Kläger hat von seinem Vater mit Übergabsvertrag vom 5.8.1966 dessen gesamtes Vermögen mit einem lebenden bäuerlichen Betrieb mit allen Rechten und Pflichten im Wege der bäuerlichen Gutsübergabe und gleichzeitig vertraglich vorweggenommener Erbfolge mit Erbsentfertigung der weichenden Geschwister übernommen. Der Vater des Klägers behielt keinen Teil von seinem Vermögen oder Unternehmen zurück. Bei der Gutsübernahme hat der Kläger auch den Vertrag vom 12.10.1965 in vollem Umfang übernommen. Die Erweiterung der Schiliftabfahrten über Grund und Boden des Klägers im Jahr 1970 wurde zwischen den Streiteilen, nicht mit dem Vater des Klägers vereinbart.

Die Liftpisten werden seit Anfang der 70iger Jahre mit einem Pistengerät präpariert. Anfang der 80iger Jahre stellte der Kläger fest, daß die nicht präparierten Grundflächen - Wiesen und Weiden - in der Qualität besser sind als die präparierten. Die seinerzeit gerodeten Flächen - der Kläger selbst hat 1971 um eine Schlägerungsbewilligung für Kahlschlag und 1982 um eine Rodungsbewilligung angesucht - sind teilweise sehr steinig. Der Nachteil des Klägers durch den Schiliftbetrieb auf diesen Flächen entspricht dem Entgang von etwa 800 kg Heu jährlich. Er wird weniger durch die Verwendung eines Pistengerätes als durch den Kantendruck der Schifahrer erzeugt. Es entsteht eine längere und verdichtete Eisdecke, die Auswinterung wertvoller Gräser und schütterer Bestand. Die planierten Flächen sind steinig und verdichtet; bei den unplanierten liegen nur geringe Bodenverdichtungen vor. Der jährliche Schaden des Klägers an Wiesen- und Weideflächen beträgt S 6.511,--. Besondere Bodenverdichtungen sind nicht feststellbar. Bodenverdichtungen sind auch nicht überwiegend Ursache für einen Minderertrag auf den präparierten Flächen.

Der Kläger bezieht für die Benutzungsüberlassung eine Gegenleistung von S 600,-- jährlich wertgesichert sowie Freifahrten auf dem Lift für 5 Personen.

Durch den Liftbetrieb entsteht am Grundstück des Klägers kein Schaden durch mißbräuchliche Verwendung, sondern nur die gewöhnliche Abnutzung im Zuge des widmungsgemäßen Gebrauches der Bestandsache, der auch die zeitgemäße Pistenpräparierung durch Pistengeräte einschließt.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als unbedenklich. Der Vertrag vom 12.10.1965 sei ein Mietvertrag; es liege eine Bodenmiete vor. Der Bestandvertrag sei auf bestimmte Zeit geschlossen, der Endtermin sei durch die Festlegung eines künftigen, wenn auch ungewissen Ereignisses bestimmt. Ein derartiges befristetes Bestandverhältnis könne vor Ablauf der Zeit nur durch Abstehen vom Vertrag aus wichtigem Grund beendet werden. Das Vorliegen eines solchen Grundes ermögliche die sofortige Auflösung des Bestandvertrages, ohne daß Kündigungstermin oder Kündigungsfrist einzuhalten wären. Ein Lösungsrecht sei auch dann zuzubilligen, wenn den Tatbeständen des § 1118 ABGB bedeutungsgleiche Sachverhalte vorlägen, insbesondere wenn Umstände gegeben seien, die dem einen Teil die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses nicht mehr als zumutbar erscheinen ließen. Gründe, mit denen bereits bei Vertragsabschluß habe gerechnet werden müssen, oder Veränderungen, die offensichtlich in Kauf genommen worden seien, könnten nicht herangezogen werden. Die Grundstücke seien zum Betrieb einer Schischleppliftanlage vermietet worden. Zu einem jährlichen Schaden in der festgestellten Höhe sei es im Zuge des widmungsgemäßen vertragskonformen und üblichen Gebrauchs der Bestandsache gekommen; eine widmungswidrige Benutzung sei nie behauptet worden. Mit der Verursachung eines derartigen in der Natur der Sache liegenden Schadens habe bei Vertragsabschluß bereits gerechnet werden müssen. Er könne nicht als wichtig iS der vorstehenden Erwägungen angesehen und als Grundlage für die Auflösung des Bestandverhältnisses herangezogen werden. Es entstehe auch der Anschein, daß der Kläger die ihm aus der Vermietung erwachsenden Nachteile in Kauf genommen habe, weil er bereits seit Anfang der 80iger Jahre eine Qualitätsverminderung der Grundflächen festgestellt habe. Durch grundlose Nichtausübung während längerer Zeit aber gehe der Bestandgeber seines Rechts, die Auflösung des Vertrages zu begehren, verlustig. Nicht zielführend sei auch der Hinweis des Klägers auf § 1120 ABGB. Die Heranziehung dieser Norm bei Gesamtrechtsnachfolge oder gleichzuhaltendem Rechtsübergang sei ausgeschlossen. Der Vater des Klägers habe diesem mit Vertrag vom 5.8.1966 sein gesamtes Vermögen übergeben. Übergabsverträge seien Verträge eigener Art mit familien- und vor allem erbrechtlichen Elementen. Zufolge seines erbrechtlichen Zwecks sei der Übergabsvertrag einer Universalsukzession gleichzuhalten.

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Übergabsverträge, bei denen sich der Übergeber in der Absicht einer zu Lebzeiten vorgenommenen Erbfolgeregelung und Vermögensauseinandersetzung sowie zum Zwecke familienrechtlicher Ausstattung verpflichtet, sein bäuerliches Gut auf einen Familienangehörigen gegen Leistung eines Ausgedinges an den Übergeber bzw. einer Ausgleichszahlung an die "weichenden" Geschwister zu übertragen, sind Verträge eigener Art mit erb- und familienrechtlichen Elementen, weisen aber auch kaufrechtliche Elemente auf, weil sie einem Kauf mit Stundung des Kaufpreises ähnlich sind; liegt der vereinbarte Übernahmspreis unter dem (in Entsprechung der anerbenrechtlichen Regelung) begünstigten Übernehmspreis, kann auch eine teilweise unentgeltliche Zuwendung vorliegen (Aicher in Rummel, AGBG, Rz 45 zu § 1053; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 237 ff; Bydlinski in Klang2 IV/2, 191 ff; SZ 51/25, SZ 53/15 ua). Ob die gegebenen erbrechtlichen Elemente eines Übergangsvertrages so stark sind, daß von einer Gesamtrechtsnachfolge des Übernehmers gesprochen werden kann - der Kläger weist in der Revision zwar zutreffen darauf hin, daß der Verwaltungsgerichtshof (Entscheidung vom 17.2.1983, Zl 82/15/0075-8) die Ansicht vertritt, der Übergabsvertrag bewirkte Einzelrechtsnachfolge, nicht Gesamtrechtsfolge, und daß eine derartige Ansicht auch bereits vom Obersten Gerichtshof vertreten wurde (JBl 1989, 453), doch sprechen gerade in einem Fall wie dem gegebenen erhebliche Gründe für einen einer Gesamtrechtsnachfolge gleich zuhaltenden Rechtsübergang - und ob der Kläger dadurch schlüssig auf sein Recht auf Vertragsauflösung verzichtet hat, daß er davon nicht Gebrauch gemacht hat, obwohl er bereits zu Beginn der 80iger Jahre eine Qualitätsverminderung der in Bestand gegebenen Grundflächen festgestellt hat, kann jedoch im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben. Wohl bezieht sich die Bestimmung des § 1120 ABGB auf die Einzelrechtsnachfolge und ist nur bei Gesamtrechtsnachfolge und einem diesem - wie auch die 2. Instanz dargelegt hat - gleichzuhaltenden Rechtsübergang ausgeschlossen (Würth in Rummel ABGB Rz 2 zu § 1120). Doch hat bereits Klang in Klang2 V 131 unter Hinweis auf eine allerdings erheblich zurückliegende Rechtsprechung die Ansicht vertreten, eine von der Regelung des § 1120 ABGB abweichende Parteienvereinbarung sei zulässig. Der Eintritt in das Vertragsverhältnis könne ausdrücklich zwischen Veräußerer, Erwerber und Bestandnehmer oder auch nur zwischen Erwerber und Bestandnehmer vereinbart werden; es gälten dann auch die Vertragsbestimmungen über Dauer und Kündigungsfristen weiter. Der vollwirksame Eintritt in den alten Vertrag könne auch stillschweigend erfolgen, wobei ein solcher Eintritt vorliege, wenn zum nächsten möglichen Termin nicht gekündigt oder die Zinszahlung durch den Erwerber angenommen werde. Auch in der neueren Lehre (Würth in Rummel2 ABGB, Rz 8 zu § 1120; Binder in Schwimann, ABGB, Rz 28 zu § 1120) und Rechtsprechung (SZ 33/96) wird die Möglichkeit eines vollwirksamen Eintritts in das Vertragsverhältnis durch eine konkludent, durch schlüssiges Verhalten, getroffene Vereinbarung zwischen Erwerber und Bestandnehmer bejaht. Ein vollwirksamer Eintritt liege aber nicht schon dann vor, wenn zum nächstmöglichen Termin nicht gekündigt werde; es müßten vielmehr weitere, iSd § 863 Abs 1 ABGB zwingende Umstände vorliegen, die einen solchen Eintritt ergeben. Im gegebenen Fall liegen derartige Umstände vor. Der Kläger hat das Vertragsverhältnis mit den Beklagten, dessen Inhalt ihm bekannt war, nicht nur durch mehr 20 Jahre uneingeschränkt aufrecht erhalten (vgl. hiezu Binder aaO mwN), er hat darüber hinaus einer Erweiterung durch Schaffung einer dritten Abfahrtsmöglichkeit im Jahr 1970 zugestimmt und um die erforderliche Schlägerungsbewilligung sowie 1982 um die zu diesem Zeitpunkt neuerlich erforderliche Rodungsbewilligung angesucht. Es besteht unter diesen Umständen kein Zweifel, daß der Kläger voll in den von seinem Vater mit den Beklagten abgeschlossenen Vertrag eingetreten ist.

Eine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit bestünde deshalb für den Kläger, wie von der 2. Instanz zutreffend ausgeführt wurde, nur bei Vorliegen wichtiger Gründe, die ihm die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar erscheinen lassen (Würth aaO Rz 3 zu § 1118; SZ 41/15 ua). Dabei kommt es nicht so sehr auf eine Vertragsverletzung, sondern auf eine bei Vertragsabschluß nicht absehbare Änderung der Verhältnisse an. Umstände, mit denen bei Abschluß des Vertrages gerechnet werden mußte, stellen daher keinen Auflösungsgrund dar (Würth aaO, MietSlg 33.196, 37.180). Die Auswirkungen eines Pistenbetriebes auf die den Beklagten in Bestand gegebenen Wiesen und Weiden waren bei Vertragsabschluß, wie festgestellt wurde, absehbar; in besonderem Maße aber waren die - stärkeren - Auswirkungen durch die vom Kläger selbst eingeräumten Planierungsarbeiten zur Schaffung einer dritten Abfahrtsmöglichkeit abschätzbar. Sie mußten daher wohl vom Vertragswillen umfaßt gewesen sein. Daß der Schaden des Klägers, wie er behauptet, durch den Entgang einer gewissen Menge Heu jährlich wertmäßig die Gegenleistungen der Beklagten für die in Bestand genommenen Grundflächen (Bestandzins, Freifahrten für 5 Personen) übersteigt, hat unter den gegebenen Voraussetzungen keine entscheidende Bedeutung.

Der Revision war deshalb ein Erfolg zu versagen.

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