OGH 1Ob143/60

OGH1Ob143/6029.9.1960

SZ 33/96

Normen

ABGB §1120
ABGB §1120

 

Spruch:

Zur Frage des Eintrittes des Erwerbers des Bestandgegenstandes in den Bestandvertrag auch hinsichtlich der vereinbarten Kündigungsfrist.

Entscheidung vom 29. September 1960, 1 Ob 143/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Klägerin kundigte dem Beklagten die von ihm gemietete Wohnung am 10. Dezember 1958 gemäß dem dann allein aufrechterhaltenen Grund des § 19 Abs. 2 Z. 13 MietG. zum 31. Jänner 1959 gerichtlich auf. Der Beklagte wendete unter anderem ein, die monatliche Kündigungsfrist sei verfehlt, weil eine vierteljährige Kündigungsfrist gelte (§ 560 Z. 2 d ZPO. in der Fassung des Gesetzes vom 2. Dezember 1957, BGBl. Nr. 287).

Das Erstgericht kam zu dem Ergebnis, daß der Hauptmietzins monatlich gezahlt wurde, so daß die monatliche Kündigungsfrist gelte. Es hielt auch den geltend gemachten Kündigungsgrund für gegeben, so daß es die Kündigung für wirksam erklärte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache unter Rechtskraftvorbehalt an das Erstgericht zurück. Zur Frage der Kündigungsfrist stellte das Berufungsgericht nach Beweiswiederholung fest:

Die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin an der gegenständlichen Liegenschaft wurde auf Grund des Kaufvertrages vom 11. August 1939 mit Beschluß vom 4. Mai 1940 bewilligt. Mit der Hausverwaltung war vom Voreigentümer der Rechtsanwalt Dr. Franz B. beauftragt. Er führte die Hausverwaltung auch noch eine kurze Zeit nach dem Eigentümerwechsel für die Klägerin. Den Mietvertrag mit dem Beklagten schloß der Hausverwalter Doktor Franz B. noch vor dem Eigentümerwechsel im Jahre 1939 ab. Dr. Franz B. stellte im allgemeinen und auch im gegenständlichen Fall keine schriftlichen Mietverträge aus. Bei Abschluß des Mietvertrages wurde zunächst vierteljährliche Zinszahlung und Kündigungsfrist besprochen. Auf Ersuchen des Beklagten erklärte sich Dr. Franz B. aber wegen dessen schlechter wirtschaftlicher Lage mit einer monatlichen Mietzinszahlung einverstanden, ohne daß sich dadurch an der vierteljährlichen Kündigungsfrist, die schon vorher besprochen worden war, etwas ändern sollte. Nach Abschluß des Mietvertrages sprach der Beklagte weder mit Dr. Franz B. noch mit der Klägerin über eine Änderung der Kündigungsfrist. Die Klägerin erhielt vom früheren Hausverwalter bei Beendigung seiner Verwaltertätigkeit keine Mietverträge oder weiteren Unterlagen.

Offenbar im Jahre 1943 versuchte die auswärts wohnende Klägerin, aus Zweckmäßigkeitsgrunden, die vierteljährliche Zahlung der Mietzinse einzuführen, wogegen sich der Beklagte verwahrt haben dürfte. Mit Schreiben vom 4. April 1943 gab die Klägerin dem Beklagten daraufhin bekannt, daß sie nichts dagegen habe, wenn der Beklagte beim Hausbesorger monatlich den Zins erlege, falls er den vierteljährlichen Zahlungen nicht nachkommen könne. In der Zeit von 1946 bis 1950 - der die Hausverwaltungsgeschäfte besorgende Gatte der Klägerin war damals in Linz beruflich tätig - wurde wegen der schwierigen Verkehrsverhältnisse der Zins vierteljährlich vorgeschrieben und gezahlt. Seither zahlt der Beklagte auf monatliche Vorschreibung den Hauptmietzins monatlich.

Rechtlich beurteilte das Berufungsgericht diesen Sachverhalt dahin, daß zufolge des Eigentümerwechsels nach Abschluß des Mietvertrages mangels Überbindung von Vereinbarungen an die Klägerin, für die keinerlei Hinweis vorliege, allfällige Zusatzvereinbarungen, wie etwa über eine von der gesetzlichen Kündigungsfrist abweichende Kündigungsfrist, weggefallen seien. Der Erwerber der Bestandsache trete nur insoweit in das Bestandverhältnis ein, als er das Bestandverhältnis nur "nach gehöriger Kündigung", das sei nach Kündigung bei Einhaltung bloß der gesetzlichen, nicht der vertragsmäßigen längeren Kündigungsfrist, kundigen könne. Es hielt daher dafür, daß zwar mit richtiger Kündigungsfrist gekundigt worden sei, meinte aber, daß das Verfahren wegen Prüfung des Kündigungsgrundes ergänzungsbedürftig sei.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 1120 ABGB. muß der Bestandnehmer nach der gehörigen Aufkündigung dem Erwerber der Bestandsache weichen. Aus dieser gesetzlichen Regelung schließt die herrschende Lehre, daß der Erwerber der Bestandsache in das Vertragsverhältnis mit dem Bestandnehmer eintritt, das er allerdings mit der gesetzlichen Frist kundigen kann. Ein voll wirksamer Eintritt - also auch mit der bisherigen vertragsmäßigen Kündigungsfrist - bedarf der Vereinbarung zwischen Erwerber und Bestandnehmer (SZ. XXVII 216). Dafür, daß ein solcher voll wirksamer Eintritt - hier käme nur Vereinbarung durch schlüssiges Verhalten in Betracht - stattgefunden hätte, fehlen ausreichende Anhaltspunkte. Es läßt sich nicht sagen, daß deswegen, weil der Erwerber beim Erwerb des Hauses dem Beklagten gegenüber nicht in irgendeiner Weise tätig geworden ist, bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig bleibe (§ 863 Abs. 1 ABGB.), daß der Erwerber auch hinsichtlich der Kündigungsfrist in den Vertrag eingetreten sei. Vielmehr liegt die Deutung näher, daß insbesondere wegen der auch 1939/40 bestandenen Kündigungsbeschränkungen die Frage der Kündigungsfrist gar nicht bedacht wurde. Gerade wegen der praktisch fehlenden Kündigungsmöglichkeit vermag sich der Oberste Gerichtshof der an die ältere Rechtsprechung anknüpfenden Meinung nicht anzuschließen, daß ein voll wirksamer Eintritt schon dann vorliege, wenn zum nächstmöglichen Termin nicht gekundigt werde (Klang 2. Aufl. V 131). Damit ein voll wirksamer Eintritt auch hinsichtlich der Kündigungsfrist anzunehmen ist, müßten vielmehr weitere, im Sinne des § 863 Abs. 1 ABGB. zwingende Umstände vorliegen, die einen solchen Eintritt ergeben. Dies trifft aber hier nicht zu.

Die Untergerichte sind daher mit Recht davon ausgegangen, daß für die vorliegende Aufkündigung die monatliche Kündigungsfrist gilt, so daß der Rekurs des Beklagten erfolglos bleiben mußte.

Auch in den weiteren Ausführungen, und zwar dazu, daß das Vorliegen eines Kündigungsgrundes nach entsprechender Befragung der Parteien (§ 182 ZPO.) noch eingehend geprüft werden müsse, ist dem Berufungsgericht zu folgen. Die Darlegungen im Rekurs der klagenden Partei vermögen von der Unrichtigkeit dieser Meinung nicht zu überzeugen, so daß auch diesem Rekurs kein Erfolg beschieden sein konnte.

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