OGH 7Ob110/17b

OGH7Ob110/17b27.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** H*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei D***** AG, *****, vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 35.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. April 2017, GZ 4 R 30/17m‑37, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00110.17B.0927.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Inhalt der abgetretenen Forderung bestimmt sich im Zweifel nach dem Inhalt der Forderung, die dem Übergeber gegen den Schuldner zusteht (RIS‑Justiz RS0032610). Die Rechtsstellung des Schuldners darf durch eine Zession nicht verschlechtert werden (RIS‑Justiz RS0032793). Das Berufungsgericht ging davon aus, dass kein Anspruch auf die entsprechende Leistung aus der Versicherung bestehe, wenn zufolge einer Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers Leistungsfreiheit des Versicherers eingetreten sei, weshalb auch der Zessionar, dem behauptetermaßen ein Anspruch aus der Versicherung abgetreten worden sein soll, einen solchen nicht mit Erfolg gegen den Versicherer geltend machen könne (vgl 7 Ob 45/79). Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden.

2.1 Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall dienen dem Zweck, den Versicherer vor vermeidbaren Belastungen und ungerechtfertigten Ansprüchen zu schützen. Die Drohung mit dem Anspruchsverlust soll den Versicherungsnehmer motivieren, die Verhaltensregeln ordnungsgemäß zu erfüllen; ihr kommt eine generalpräventive Funktion zu (RIS‑Justiz RS0116978). Der Versicherer braucht nur den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitheitsverletzung nachzuweisen, während es Sache des Versicherungsnehmers ist, zu behaupten und zu beweisen, dass er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen habe. Dass – bei grob fahrlässiger Begehung einer Obliegenheitsverletzung – die Verletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung und den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistungen Einfluss gehabt hat, ist vom Versicherungsnehmer im Verfahren erster Instanz zu behaupten und zu beweisen (RIS‑Justiz RS0081313). Eine nur leichte Fahrlässigkeit bleibt demnach ohne Sanktion (RIS‑Justiz RS0043728 [T4]). Gelingt dem Versicherungsnehmer der Beweis der leichten Fahrlässigkeit nicht, so steht ihm nach § 6 Abs 3 VersVG auch bei „schlicht“ vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung der Kausalitätsgegenbeweis offen. Unter Kausalitätsgegenbeweis ist der Nachweis zu verstehen, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers einen Einfluss gehabt hat. Dies kann für den Gesamtschaden oder einen Teil des Schadens gelingen (RIS‑Justiz RS0116979). Nur wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren (sogenannter „dolus coloratus“), ist der Kausalitätsgegenbeweis ausgeschlossen und der Anspruch verwirkt (RIS‑Justiz RS0081253 [T10], RS0109766).

2.2 Bei der Bestimmung des Art 8.1.1 ARB 2007 handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um eine auf die Bedürfnisse des Rechtsschutzversicherers zugeschnittene Ausformung der allgemeinen Auskunftsobliegenheit des § 34 Abs 1 VersVG, wobei der Versicherungsschutz begehrende Versicherungsnehmer diese Auskünfte von sich aus, spontan und ohne konkretes Verlangen des Versicherers zu geben hat (RIS‑Justiz RS0105784, auch [T2]). Durch die Aufklärung soll der Versicherer in die Lage versetzt werden, sachgemäße Entscheidungen über die Behandlung des Versicherungsfalls zu treffen. Es genügt, dass die begehrte Auskunft abstrakt zur Aufklärung des Schadensereignisses geeignet ist (RIS‑Justiz RS0080833, RS0080205 [T1, T2]).

2.3 Der Kläger nahm den Versicherungsnehmer der Beklagten klageweise mit dem Vorbringen in Anspruch, letzterer habe ein Verhalten gesetzt, das die sofortige einseitige Auflösung des zwischen ihnen bestehenden Partneragenturverhältnisses gerechtfertigt habe. Das Vorbringen erfuhr Konkretisierung dahingehend, dass der Versicherungsnehmer Abschlüsse von Versicherungsverträgen fingiert habe. Für die dafür von ihm lukrierten Provisionen treffe auch den Kläger die Rückzahlungspflicht. Der Versicherungsnehmer erhielt von der Beklagten im Hinblick auf seine Verantwortung, dass dies nicht zutreffe, Rechtsschutzdeckung. Die Malversationen des Versicherungsnehmers konnten durch die Einvernahmen der entsprechenden Versicherungskunden – leicht – dargelegt werden. Das Verfahren endete letztlich mit einem – von der Beklagten nicht genehmigten – submittierenden (Prämien‑)Vergleich.

2.4 Vor diesem Hintergrund gingen die Vorinstanzen vertretbar davon aus, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten, dadurch, dass er die ihm vorgeworfenen Malversationen verschwieg, eine Auskunftsobliegenheit verletzt habe. Dadurch habe er wesentliche Auskünfte für die sachgemäße Entscheidung der Beklagten über die Behandlung des Versicherungsfalls unterlassen, die auch abstrakt zur Aufklärung des Schadensereignisses geeignet gewesen wären. Entgegen der Ansicht des Klägers stellt die Obliegenheit des Versicherungsnehmers, den ihm bekannten, für die sachgemäße Entscheidung des Versicherers relevanten Sachverhalt diesem gegenüber wahrheitsgemäß darzulegen, um die Beurteilung der Erfolgsaussichten des zu deckenden Rechtsstreits zu ermöglichen, auch keine Vorwegnahme der Beweisaufnahme im Hauptprozess dar.

2.5 Da feststeht, dass die entsprechenden Informationen durch den Versicherungsnehmer nicht erfolgten, um die Rechtsschutzdeckung durch die Beklagte nicht zu gefährden, bedarf die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach die Beklagte infolge der Verletzung der Obliegenheit des Art 8.1.1 ARB 2007 durch den Versicherungsnehmer mit dolus coloratus leistungsfrei sei, weshalb auch der klagende Zessionar den Anspruch nicht mit Erfolg geltend machen könne, keiner Korrektur.

3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung; insbesondere keines Eingehens auf die Frage der Wirksamkeit der Zession (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte