OGH 15Os142/16w

OGH15Os142/16w19.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Gustav P***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 1. Juli 2016, GZ 17 Hv 13/15a‑391, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00142.16W.0919.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gustav P***** – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – von der wider ihn erhobenen Anklage (ON 267; Pkt I./A./), er habe im Juli 2007 in W***** die ihm durch Gesetz und Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen und einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch der R***** AG (im Folgenden kurz: R*****) einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden zugefügt, indem er als Mitglied deren Vorstands im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Mag. Gerhard L***** als deren Prokurist ohne wirksame Autorisierung durch den Aufsichtsrat des genannten Unternehmens – ungeachtet eines bereits bestehenden auftragsidenten Beratungsvertrags mit einem anderen Beratungsunternehmen sowie der entsprechend einer wirksamen Ermächtigung des Aufsichtsrats vom 26. Juni 2007 durch Ausschreibungen bereits veranlassten, idente Leistungen beinhaltenden Beauftragung eines weiteren Beratungsunternehmens – mit einem mit 29. Juni 2007 datierten und von ihm tatsächlich am 18. Juli 2007 unterfertigten „Dienstleistungsvertrag“ die in Budapest ansässige G***** Kommanditgesellschaft (im Folgenden kurz: G*****) mit der „Ausarbeitung von verschiedenen Strategien, die in der Zielsetzung zum (von der R***** angestrebten) Erwerb von M***** Zrt. (im Folgenden kurz: M*****) führen sollten“, beauftragte und dadurch die R***** zur Erstattung eines monatlichen Pauschalhonorars von 10.000 Euro bis zumindest 31. Dezember 2007 sowie für den Fall eines erfolgreichen Erwerbs der M***** zur Bezahlung einer – nicht an eine Verdienstlichkeit der G***** geknüpften – Erfolgsprämie von zumindest 1,75 % des Kaufpreises, sohin in der Zeit von 21. August 2007 bis 20. August 2009 leistungsunabhängig zur Zahlung von Geldbeträgen von insgesamt 6.661.955,72 Euro an die G***** verpflichtete, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Das Erstgericht bejahte einen wissentlichen Befugnismissbrauch im Sinn des § 153 Abs 1 und 2 StGB, weil der Angeklagte nach den Feststellungen den Dienstleistungsvertrag mit der G***** unter bewusster Umgehung der ihm als Vorstand der R***** durch die Satzung und die Geschäftsordnung sowie durch einen Aufsichtsratsbeschluss vom 26. Juni 2007 auferlegten internen Schranken unterzeichnete (US 87 f). Es stützte den Freispruch aber darauf, dass nach den Urteilskonstatierungen der Angeklagte den Abschluss des Dienstleistungsvertrags mit der G***** für ein Obsiegen des R*****‑Konsortiums im Privatisierungsverfahren der M***** für notwendig erachtete, sodass ein auf die Herbeiführung einer Vermögensschädigung der R***** durch Zahlung der Pauschalhonorare und der Erfolgsprovision gerichteter Vorsatz des Angeklagten nicht festgestellt werden konnte (US 88 f, 165 ff).

Im Übrigen war nach den Urteilsannahmen auch nicht feststellbar, dass der R***** durch den Abschluss des Dienstleistungsvertrags mit der G***** ein Vermögensschaden im Ausmaß der an diese bezahlten monatlichen Pauschalhonorare und der Erfolgsprovision oder in einem anderen Ausmaß zugefügt wurde (US 79) und dass Leistungen des Dr. András Gu***** als Vertreter der G***** („aufgrund seiner Nähe zu gewissen Entscheidungsträgern und seiner als Lobbying zu bezeichnenden Tätigkeit im Privatisierungsverfahren der M*****“) in Betreff einer Verdienstlichkeit für die Erteilung des Zuschlags an das R*****‑Konsortium im Ausschreibungsverfahren (US 68) nicht erbracht worden wären. Demnach „konnte zwar nicht festgestellt werden, ob diverse Punkte erst oder überhaupt nur durch eine Tätigkeit und ein Engagement des Dr. Gu***** in die Ausschreibung hineingekommen waren, es konnte aber gerade auch nicht ausgeschlossen werden, dass er genau dafür verantwortlich zeichnete, weshalb es – wenn auch nicht mit Sicherheit feststellbar – durchaus sein konnte, dass Dr. Gu***** tatsächlich gewisse Entwicklungen positiv für die R***** beeinflusste und dafür verantwortlich war oder damit zu tun hatte, dass etwa die Betriebsstätte MÁ***** (M*****) in die Ausschreibung doch noch hineinkam, weiters das Infrastrukturbenutzungsentgelt für drei Jahre gesichert, die Short List auf sieben Bieter erweitert und die negative Presse (betreffend das Ausschreibungsverfahren in Ungarn) im Zusammenhang mit der R***** als staatlichem Unternehmen abgeschwächt wurde“ (US 78 f, 167 f).

Rechtliche Beurteilung

Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Der gegen die Feststellungen zum Fehlen eines Vorsatzes auf Zufügung eines Vermögensschadens gerichteten Rüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider musste sich das Erstgericht mit den persönlichen Einschätzungen des Zeugen Dr. Johannes K*****, wonach sich Dr. Gu***** „innerhalb von wenigen Minuten selbst fünfmal widersprochen“ habe, er sich „sehr über den Herrn“ gewundert habe, es „nie fassbar gewesen“ sei, „was er tatsächlich machte“, „die Sache ziemlich dünn und schwierig“ wurde, „in dem Moment, wo sie konkreter wurden“ (ON 358 S 10 f, 48, 73), und mit der Aufforderung an die Vorsitzende, sie solle versuchen, eine Information aus Dr. Gu***** herauszubringen (ON 358 S 49), ebenso wenig befassen wie mit der Meinung des Zeugen Willibald B*****, wonach er sich sehr gewundert habe, „dass sich ein Unternehmen wie die Ö***** eines solchen Menschen bedient für so ein Projekt“ (ON 358 S 144). Denn Gegenstand von Zeugenaussagen sind nur sinnliche Wahrnehmungen zu Tatsachen, nicht aber subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen, Schlussfolgerungen, rechtliche Beurteilungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge eines Zeugen (RIS‑Justiz RS0097540, RS0097545 [T8, T9, T18]).

Einer „intensiven Erörterung und Würdigung“ der Aussage des Zeugen B*****, Dr. Gu***** habe ihm [im Jahr 2009] keine Unterlagen über seine Leistungen gegeben, denn „es gab keine“, und dieser habe nicht näher erwähnt, was er Konkretes geleistet habe (ON 358 S 157), bedurfte es entgegen der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) nicht, weil es sich nicht um ein Verfahrensergebnis gehandelt hat, das für die Feststellungen zur (auf den Zeitpunkt des Befugnismissbrauchs [im Juli 2007] abstellenden) subjektiven Tatseite erheblich ist (RIS-Justiz RS0118316).

Mit der Behauptung, das Erstgericht habe zwar festgestellt, dass über das Steuerkonto der G***** beginnend mit deren Gründung im Jahr 2001 bis zur Schließung im Jahr 2010 nur ein umsatzrelevanter Geschäftsfall, nämlich betreffend die Zahlungen aus dem Vertrag mit der R*****, abgewickelt worden sei (US 18 f), diesen Umstand jedoch „im Zusammenhang mit der Würdigung der Beweismittel betreffend das Vorliegen eines Schädigungsvorsatzes beim Angeklagten unerörtert“ gelassen, wird ein Begründungsmangel nicht aufgezeigt, sondern in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik geübt. Das Gleiche gilt für die (ohnehin erwähnte [US 152]) Aussage der Zeugin Maria T*****, wonach die R***** die einzige Kundin der G***** gewesen sei.

Die Kritik, das Erstgericht hätte sich „überhaupt mit der Notwendigkeit der Beiziehung des Dr. András Gu***** aus Sicht“ des Angeklagten befassen und die Angaben der Zeugen Dr. Franz Lö***** (ON 385 S 13) sowie Dr. Johannes K***** berücksichtigen müssen, wonach der Angeklagte gute Kontakte und ein Netzwerk in die Länder des ehemaligen Ostblocks und – laut Dr. K***** – auch beste Kontakte zur S***** gehabt habe, zeigt keine Unvollständigkeit auf, sondern nimmt – ohne Bedachtnahme auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370) – eine eigenständige Würdigung einzelner Beweisergebnisse vor, die im Übrigen nicht gegen die Feststellungen zum Fehlen eines Schädigungsvorsatzes sprechen (vgl RIS-Justiz RS0098778 [T7], RS0099419). Das Gleiche gilt für die Behauptung, auch die Aussage des Zeugen Dr. Abel G***** (wonach der Kontakt zwischen ihm [als damaligem ungarischem Staatssekretär] und dem Angeklagten über Initiative der Ö***** zustande gekommen sei [ON 390 S 5 iVm ON 189 S 155]) wäre ein Indiz dafür, dass die Tätigkeit eines Lobbyisten nicht erforderlich gewesen sei, weil der Angeklagte selbst die notwendigen Kontakte geknüpft habe.

Mit dem Umstand, dass der Angeklagte am 16. Mai 2007 von Dr. Gu***** einen Entwurf für einen Dienstleistungsvertrag ausgehändigt bekam (US 20), in der Vorstandssitzung der R***** vom 21. Mai 2007 jedoch zur Frage der Beiziehung von Beratern „klarstellte, dass man vorerst abwarten müsse“ (US 14), hat sich das Erstgericht– der Rüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider – ohnehin auseinandergesetzt, aus dem Verhalten des Angeklagten jedoch nicht die von der Beschwerde angestrebten Schlüsse gezogen (US 99).

Da die Beschwerdeführerin Begründungsmängel in Betreff der Konstatierungen zum Fehlen eines Schädigungsvorsatzes des Angeklagten nicht aufzuzeigen vermag, somit die von ihr angestrebte Subsumtion der Tat nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB ausgeschlossen ist, erübrigt sich ein Eingehen auf die gegen die Feststellungen zur Verdienstlichkeit des Dr. Gu***** für die Erteilung des Zuschlags an das R*****‑Konsortium sowie die Negativfeststellungen zum Eintritt eines Vermögensschadens (US 78 f) gerichtete Mängelrüge.

Während mangelhafte Urteilsannahmen nur Gegenstand der Mängelrüge (Z 5) sind, bildet die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen den Bezugspunkt von Rechts- und Subsumtionsrüge (Z 9 und 10; RIS-Justiz RS0099810). Nur hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen ein

freisprechendes Urteil keine (positiven oder negativen) Konstatierungen enthält, ist unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein

Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen (vgl RIS-Justiz RS0127315, RS0118580).

Diese Anfechtungskriterien verkennt die Rechtsrüge (Z 9 lit a), indem sie – die getroffenen (Negativ-)Feststellungen außer Acht lassend – unter Bezugnahme auf konkrete Beweisergebnisse und deren eigenständige Würdigung Feststellungen zum Schädigungsvorsatz des Angeklagten und zur Wertlosigkeit der Tätigkeit des Dr. Gu***** anführt, die das Erstgericht aus Sicht der Beschwerdeführerin zu treffen gehabt hätte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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