OGH 8Ob89/17x

OGH8Ob89/17x24.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, die Hofräte Dr. Brenn und Mag. Dr. Wurdinger sowie die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj N* P*, geboren am *, und des mj K* P*, geboren am *, beide hauptsächlich wohnhaft bei ihrer Mutter B* P*, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wiener Neustadt, Magistratsabteilung für Kinder‑ und Jugendhilfe (§ 208 Abs 2 ABGB), *, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Vaters Dr. J* B*, vertreten durch Mag. Susanne Ingrid Rupp‑Jansenberger, Rechtsanwältin in Wiener Neustadt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 26. April 2017, GZ 16 R 44/17k‑36, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 16. Dezember 2016, GZ 9 Pu 71/14y‑32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E119596

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass sowohl der Antrag der Kinder auf Erhöhung der Unterhaltsbeiträge als auch der Antrag des Vaters auf Herabsetzung derselben für den Zeitraum ab 1. Februar 2016 abgewiesen wird. Hinsichtlich des Zeitraums vor dem 1. Februar 2016, also von 1. September 2015 bis einschließlich 31. Jänner 2016 betreffend das Kind N*, bleiben die Beschlüsse der Vorinstanzen unverändert aufrecht.

 

Begründung:

Die nunmehr 9‑jährige N* und der 7‑jährige K* sind eheliche Kinder. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 19. März 2014 wurde die Ehe der Eltern im Einvernehmen geschieden. Mit Scheidungsvergleich vom selben Tag vereinbarten die Eltern, dass ihnen die Obsorge für beide Kinder gemeinsam zustehe und sich der Wohnsitz der hauptsächlichen Betreuung bei der Mutter befinde. Der Vater verpflichtete sich, ab 1. März 2014 für beide Kinder einen monatlichen Unterhaltsbeitrag in Höhe von je 250 EUR zu bezahlen. Als Bemessungsgrundlage wurde ein Durchschnittseinkommen des Vaters von 2.800 EUR zugrunde gelegt. Zudem wurde das vereinbarte ausgedehnte Kontaktrecht des Vaters zu beiden Kindern berücksichtigt. Weiters verpflichtete sich der Vater zur Tragung der Kindergartenkosten in Höhe von maximal 120 EUR pro Kind und Monat. Das Kontaktrecht wurde im Scheidungsvergleich derart vereinbart, dass der Vater die Kinder jede zweite Woche von Freitag nach dem Kindergarten bis Mittwoch bis zum Kindergarten und jede erste Woche am Montag betreut, wobei er die Kinder am Montag vom Kindergarten abholt und am Dienstag in den Kindergarten bringt; außerdem hat der Vater in den Sommerferien ein Kontaktrecht in der ersten und zweiten sowie in der fünften und sechsten Woche in den Schulsommerferien sowie in den Weihnachtsferien im ersten Jahr von 25. Dezember bis 1. Jänner Nachmittag und im nächsten Jahr von 24. Dezember Vormittag bis 25. Dezember Mittag. In der Folge handhabten die Eltern die tatsächlichen Betreuungszeiten – in Abweichung vom Scheidungsvergleich – wie folgt: Im Zeitraum von zwei Wochen durchgehend acht Tage bei der Mutter und sechs Tage beim Vater; die Ferienzeiten teilten sich die Eltern im Verhältnis 50:50. Diese Betreuungszeiten haben sich nicht geändert.

N* besucht seit 1. September 2015 die Volksschule, K* seit 1. September 2016. Die Familienbeihilfe für die Kinder bezieht die Mutter. Seit 1. Jänner 2016 beläuft sich ihr durchschnittliches Nettoeinkommen auf rund 2.074 EUR inklusive anteiligem Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Das monatliche durchschnittliche Nettoeinkommen des Vaters (exklusive Fahrtkostenvergütung) belief sich von 1. Jänner 2016 bis 30. September 2016 auf 4.143,47 EUR; ab September 2016 erhöhte sich sein Bruttogehalt von 5.572 EUR auf 5.825 EUR. Die bedarfsdeckenden Ausgaben der Eltern im Zeitraum Jänner 2016 bis September 2016 (zB Tagesheim; Essen; Kleidung; Spiele und Bücher; Schulbedarf) beliefen sich auf 2.560,43 EUR (Mutter) bzw 2.192,02 EUR (Vater).

Mit Antrag vom 28. Dezember 2015 und 1. März 2016 begehrten die Kinder erhöhte Unterhaltsbeiträge, und zwar für N* in Höhe von 423 EUR monatlich ab 1. September 2015 und für K* von 423 EUR monatlich ab 1. September 2016. Es habe sich sowohl das Einkommen des Vaters als auch der altersbedingte Bedarf der Kinder erhöht. Außerdem seien die Kindergartenkosten weggefallen.

Der Vater sprach sich gegen die Unterhaltserhöhung aus und beantragte seinerseits die Herabsetzung der monatlichen Unterhaltsbeiträge, und zwar für N* auf monatlich 107 EUR ab 1. Februar 2016 und für K* auf 57 EUR von 1. Februar bis 31. März 2016 und auf 107 EUR ab 1. April 2016. Die Betreuungsleistungen der Eltern seien im Verhältnis 50:50 aufgeteilt. Nach der neuen Judikatur gelange daher das unterhaltsrechtliche Betreuungsmodell zur Anwendung. Der Restgeldunterhalts-anspruch der Kinder sei nach Maßgabe der Entscheidung zu 1 Ob 158/15i zu berechnen.

Das Erstgericht erhöhte die Unterhaltsbeiträge für N* auf 330 EUR ab 1. September 2015 und für K* ebenfalls auf 330 EUR ab 1. September 2016. Das Mehrbegehren der beiden Kinder und das Herabsetzungsbegehren des Vaters wies das Erstgericht ab. Für jede Unterhaltsbemessung gelte die Umstandsklausel. Die Neubemessung des Unterhalts habe nicht völlig losgelöst vom bestehenden Unterhaltsvergleich und den darin zum Ausdruck kommenden Bemessungsgrundsätzen zu erfolgen. Im Scheidungsvergleich habe sich der Vater neben den monatlichen Unterhaltsbeiträgen auch zur Tragung der Kindergartenkosten verpflichtet; gleichzeitig sei das ausgedehnte Kontaktrecht berücksichtigt worden. Daraus ergebe sich, dass sich der Vater – unter Berücksichtigung des ausgedehnten Kontaktrechts – zur Leistung eines Unterhalts in Höhe des Regelbedarfs verpflichtet habe. Im Hinblick auf den Herabsetzungsantrag des Vaters lägen keine geänderten Verhältnisse vor.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Geänderte Verhältnisse bestünden neben Sachverhalts-änderungen auch in der Änderung der Rechtslage oder bei tiefgreifender Änderung der Rechtsprechung. Im Anlassfall habe sich sowohl die Rechtsprechung als auch die für die Unterhaltsbemessung maßgebenden Faktoren (Einkommen und Bedarf) geändert. Es habe daher eine Neubemessung zu erfolgen. Eine solche habe grundsätzlich nicht völlig losgelöst von der bestehenden vergleichsweisen Regelung und der in dieser zum Ausdruck kommenden Bemessungsgrundsätze zu erfolgen. Ausgehend vom Scheidungsvergleich habe sich der Vater unter Berücksichtigung der Familienbeihilfe zu einem Unterhaltsbeitrag von etwa 265 EUR je Kind verpflichtet. Dabei handle es sich um einen höheren als den gesetzlichen Unterhalt. Angesichts des erhöhten Einkommens des Vaters komme die begehrte Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge nicht in Betracht. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

Über Antrag des Vaters nach § 63 AußStrG sprach das Rekursgericht nachträglich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, seine monatliche Unterhaltsverpflichtung für N* ab 1. Februar 2016 auf monatlich 107 EUR und für K* von 1. Februar 2016 bis 31. März 2016 auf monatlich 57 EUR und ab 1. April 2016 auf monatlich 107 EUR herabzusetzen.

Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig, weil die Beurteilung der Vorinstanzen einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Der Revisionsrekurs ist auch teilweise berechtigt.

1. Der Vater beruft sich auf die neuere Judikatur zum „unterhaltsrechtlichen Betreuungsmodell“, das in seinem Fall zu einem Restgeldunterhaltsanspruch der Kinder führe. Trotz der Unterhaltsvereinbarung sei eine Neubemessung des Unterhalts, und zwar losgelöst von den vorangegangenen Vergleichsrelationen, vorzunehmen. Die Betreuungssituation habe sich nicht geändert; die Kinder würden nahezu im Verhältnis 50:50 betreut. Es seien aber die Einkommensunterschiede zu berücksichtigen.

Konkret bezieht sich der Vater auf die neue Judikatur zur Berechnung des Restgeldunterhaltsanspruchs nach Maßgabe der Entscheidung zu 1 Ob 158/15i. Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass beide Elternteile die Betreuungsleistungen und die sonstigen Naturalleistungen (Versorgungsleistungen) gegenüber dem Kind sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch im Leistungsumfang auf gleichwertige Weise erbrachten. Der Restgeldunterhalt (Ergänzungsunterhalt) sollte die unterschiedlichen Einkommen der Eltern ausgleichen.

2.1 Im Anlassfall wurde der Unterhalt der Kinder durch eine Vereinbarung im Scheidungsvergleich festgesetzt. Es stellt sich daher zunächst die Frage nach der Zulässigkeit einer Neubemessung des Kindesunterhalts.

Gesetzliche Unterhaltsansprüche unterliegen der Umstandsklausel. Im Fall einer Unterhaltsfestsetzung durch gerichtlichen Vergleich oder gerichtliche Entscheidung kann eine Neubemessung (auch für die Vergangenheit) dann erfolgen, wenn die erfolgte Unterhaltsfestsetzung zufolge wesentlicher Änderung der Verhältnisse nicht mehr bindend ist (RIS‑Justiz RS0053297). Die wesentliche Änderung der Verhältnisse hat sich auf die Bemessungsfaktoren oder die der Bemessung zugrunde gelegten Sachverhaltselemente zu beziehen. Eine solche Änderung liegt nach der Rechtsprechung darüber hinaus auch bei einer Änderung der gesetzlichen Regelungen oder bei tiefgreifenden Änderungen der Rechtsprechung vor (vgl RIS‑Justiz RS0047398; 2 Ob 192/06h).

Im Anlassfall ist unbestritten, dass bei der Unterhaltsvereinbarung im Scheidungsvergleich das „ausgedehnte Kontaktrecht“ (die überdurchschnittliche Betreuung) des Vaters berücksichtigt wurde, sich die Betreuungssituation nicht geändert hat, geänderte Verhältnisse aber hinsichtlich des Einkommens des Vaters, der altersbedingten Bedürfnisse der Kinder sowie im Entfall der Kindergartenkosten bestehen. Zudem hat sich im Zusammenhang mit dem sogenannten „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodell“ die Rechtsprechung nicht nur unerheblich geändert.

Die Vorinstanzen sind insgesamt zutreffend von einer relevanten Änderung der Verhältnisse und von der Zulässigkeit einer Neubemessung der Unterhaltsbeiträge für die Kinder ausgegangen.

2.2 Nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung soll dann, wenn der Unterhalt in einem Vergleich festgesetzt wurde, die Neubemessung im Allgemeinen nicht völlig losgelöst von der vergleichsweisen Regelung und der in ihr zum Ausdruck kommenden Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze erfolgen (RIS‑Justiz RS0047471; 8 Ob 93/11a; vgl auch 2 Ob 145/13). Auch bei einer Änderung mehrerer Bemessungsparameter kann die (allenfalls ergänzende) Vertragsauslegung zum Ergebnis führen, dass die im Unterhaltsvergleich festgelegte Relation zwischen den Bemessungsfaktoren, insbesondere zwischen dem Einkommen und der Unterhaltshöhe (die Vergleichsrelation) nicht zu vernachlässigen ist (8 Ob 75/10b). Für die Beurteilung dieser Frage ist entscheidend, was die Parteien im Einzelfall mit ihrem Unterhaltsvergleich für die Zukunft regeln wollten. Maßgebend ist demnach, ob dem Vergleich eine unterhaltsrelevante Aussage für die Zukunft entnommen werden kann (vgl 8 Ob 93/11a).

Für die Auslegung eines Unterhaltsvergleichs ist gemäß § 914 ABGB der übereinstimmend erklärte Parteiwille maßgebend, der primär an Hand des objektiven Erklärungswerts unter Berücksichtigung des redlicherweise zu unterstellenden objektiven Geschäftszwecks zu ermitteln ist (RIS‑Justiz RS0113932; RS0017915; 8 Ob 93/11a).

Nach dem klaren Inhalt der Unterhaltsvereinbarung im Scheidungsvergleich handelt es sich bei der Verpflichtung des Vaters, für die Kindergartenkosten aufzukommen, um eine zusätzliche, zeitlich befristete Leistungspflicht. Mit Ausscheiden der Kinder aus dem Kindergarten sollten diese speziellen finanziellen Aufwendungen des Vaters entfallen. Daraus ergibt sich, dass der Vater nur für die Kindergartenzeit eine zusätzliche Leistungspflicht übernommen hat. Für die Beurteilung der aus der Unterhaltsvereinbarung abzuleitenden Bemessungsrelation nach der Kindergartenzeit können diese Kosten daher nicht berücksichtigt werden. Aus diesem Grund kann nicht – wie es das Erstgericht getan hat – davon ausgegangen werden, der Vater hätte sich zur Zahlung des Regelbedarfs verpflichten wollen. Auch die Berechnung des Rekursgerichts, wonach sich der Vater zu einem monatlichen Unterhalt von 385 EUR minus 120 EUR verpflichtet habe, ist nicht schlüssig. Vielmehr hat sich der Vater in der Unterhaltsvereinbarung bei einer gesetzlichen Unterhaltspflicht von rund 230 EUR pro Monat zu einem Unterhaltsbetrag von 250 EUR je Kind verpflichtet.

3.1 Aufgrund der vorzunehmenden Neubemessung des Unterhalts stellt sich die Frage, ob sich der Vater auf das sogenannte „unterhaltsrechtliche Betreuungsmodell“ berufen kann. Die dafür maßgebenden Grundsätze wurden jüngst in der Entscheidung zu 1 Ob 151/16m dargestellt. Der 8. Senat des Obersten Gerichtshofs hält die in dieser Entscheidung angestellten Überlegungen für überzeugend und schließt sich diesen an. Demnach gilt Folgendes:

3.2 Als Grundprinzip ist davon auszugehen, dass derjenige Elternteil, der den Haushalt führt, indem er das Kind betreut, dadurch gemäß § 231 Abs 2 erster Satz ABGB seine Unterhaltspflicht erfüllt, während der andere Elternteil geldunterhaltspflichtig wird. Daran hat sich durch das KindNamRÄG 2013, BGBl I 2013/15, nichts geändert. Betreut und versorgt der geldunterhaltspflichtige Elternteil das Kind im Rahmen des üblichen Kontaktrechts (ein Kontaktrechtstag pro Woche) in seinem Haushalt, so hat dies keine Auswirkungen auf seine Unterhaltspflicht. Aufwendungen während der Ausübung des üblichen Kontaktrechts schmälern den Geldunterhalt des Kindes grundsätzlich nicht.

3.3 Im Anlassfall beruft sich der Vater nicht nur auf überdurchschnittliche Betreuungsleistungen (als Naturalunterhalt), die zu einer Reduzierung des Geldunterhalts führen (siehe dazu 1 Ob 151/16m). Vielmehr will er das unterhaltsrechtliche Betreuungsmodell für sich in Anspruch nehmen.

4.1 Das unterhaltsrechtliche Betreuungsmodell setzt zunächst jedenfalls eine gleichwertige Betreuung durch beide Elternteile voraus. Diesem Modell liegt der Grundgedanke zugrunde, dass der Geldunterhalt entfällt, wenn beide Elternteile gleiche Betreuungsleistungen (als Naturalunterhalt) erbringen. Unterhaltsrechtlich können sich nur solche Leistungen auswirken, denen Unterhaltscharakter, konkret der Charakter als Naturalunterhalt, zukommt. Dementsprechend wird in der Entscheidung zu 1 Ob 151/16m zutreffend dargelegt, dass bei gleichwertigen Betreuungsleistungen (im engeren Sinn) und (sonstigen) Naturalleistungen grundsätzlich kein Geldunterhaltsanspruch des Kindes besteht. Eine solche Lösung ist allerdings nur dann sachgerecht, wenn das Einkommen der Eltern etwa gleich hoch ist oder den Eltern ein solches Einkommen zur Verfügung steht, das jeweils zu einem über der Luxusgrenze liegenden Unterhaltsanspruch des Kindes führt. Bei einem ins Gewicht fallenden Einkommensunterschied soll das Kind an den besseren Einkommensverhältnissen bzw am höheren Lebensstandard des besser verdienenden Elternteils teilhaben (8 Ob 69/15b; 7 Ob 172/16v; 1 Ob 158/15i).

Voraussetzung für den gänzlichen Entfall des Geldunterhaltsanspruchs ist also neben der gleichwertigen Betreuungssituation (im engeren Sinn), dass auch die sonstigen bedarfsdeckenden Naturalleistungen von beiden Elternteilen etwa (annähernd) gleichwertig erbracht werden.

4.2 Die Beurteilung als „gleichwertige Betreuungsleistungen“ erlaubt – wenn überhaupt – nur ganz geringfügige Unterschiede. Dementsprechend sprechen der 7. Senat (7 Ob 172/16v) und der 1. Senat (1 Ob 151/16m) von „völlig gleichwertig“. Auch der 8. Senat teilt nicht die Ansicht, dass die Betreuung dann gleichwertig sei, wenn kein Elternteil mindestens zwei Drittel der Betreuungsleistungen erbringe (so aber 4 Ob 16/13a). Die erwähnten ganz geringfügigen Unterschiede können mit dem Begriff „nahezu gleichwertig“ ausgedrückt werden.

4.3 Für den Fall, dass bei gleichwertigen Betreuungsleistungen ein Elternteil neben der Betreuung (im engeren Sinn) zusätzlich die notwendigen bedarfsdeckenden Aufwendungen (zB Bekleidung) überwiegend trägt, ist das betreuungsrechtliche Unterhaltsmodell nicht anwendbar, sondern bleibt es bei der Unterhaltsbemessung nach der Prozentsatzmethode (so auch Stabentheiner/Reiter in Rummel/Lukas 4 § 231 ABGB Rz 28; Tews, Berechnung des betreuungsrechtlichen Unterhaltsanspruchs, EF‑Z 2016/110, 244 [246]).

Der für diesen Fall teilweise vertretene „Ausgleichsanspruch“, der dem Kind gegen den minderleistenden Elternteil zu Handen des mehrleistenden Elternteils zustehen soll (Gitschthaler, Neue Betreuungsmodelle – neue Unterhaltsmodelle, EF‑Z 2010/122, 172 [177]; ders, ÖRPfl 2012, 22 [27]; 4 Ob 16/13a; 4 Ob 206/15w; 6 Ob 55/16f) wird vom 8. Senat abgelehnt. Ein solcher Anspruch lässt sich aus dem Gesetz nicht ableiten und würde im Ergebnis zu einer Rechnungslegungspflicht des mehrleistenden Elternteils führen. Ein solcher Anspruch lässt sich auch mit dem Grundprinzip des § 231 ABGB nicht in Einklang bringen, demzufolge das Kind grundsätzlich auch über einen Geldunterhaltsanspruch verfügt und dieser Anspruch daher nur in ganz beschränkten Ausnahmefällen entfallen darf. Bei der Beurteilung, ob die Naturalleistungen etwa (annähernd) gleichwertig sind, kommt es nur auf die bedarfsdeckenden, also nach den konkreten Bedürfnissen des Kindes zweckmäßigen Leistungen an. Aus diesem Grund besteht die Gefahr, dass „zwischen Mutti und Papi ein lustiges Wettrennen mit offenem Ausgang“ stattfinde (so Gitschthaler, Glosse zu 1 Ob 151/16m in EF‑Z 2017/57, 124) nicht ernsthaft.

4.4 Mit der Frage, wie der Unterhaltsanspruch eines Kindes bei gleichwertigen Betreuungsleistungen und gleichwertigen sonstigen Naturalleistungen, aber bei unterschiedlichem Einkommen der Eltern zu berechnen ist, hat sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung zu 1 Ob 158/15i näher auseinandergesetzt. Demnach ist der fiktive Geldunterhaltsanspruch des Kindes gegen jeden Elternteil nach der Prozentsatzmethode zu ermitteln, die derart ermittelten Beträge sind dann unter Berücksichtigung der Transferzahlungen zu halbieren und sodann zu saldieren. Die auf diese Weise errechnete Differenz ergibt den Restgeldunterhaltsanspruch (Ergänzungsunterhaltsanspruch) des Kindes gegenüber dem besser verdienenden Elternteil. Die von diesem tatsächlich erbrachten Naturalleistungen, wie etwa Taschengeld oder Handykosten, sind vom verbleibenden Restgeldunterhalt nicht abzuziehen. Durch diesen Ergänzungsunterhalt soll das Kind in die Lage versetzt werden, während der Zeit der Betreuung im Haushalt des schlechter verdienenden Elternteils am höheren Lebensstandard des anderen Elternteils weiterhin teilzunehmen. Der Restgeldunterhalt (Ergänzungsunterhalt) soll damit die aus den unterschiedlichen Einkommen der Eltern resultierenden unterschiedlichen Lebensverhältnisse ausgleichen. In einem solchen Fall kommt es – trotz betreuungsrechtlichem Unterhaltsmodell – nicht zum Entfall des Geldunterhalts.

4.5 Zusammenfassend lässt sich somit der Grundsatz formulieren, dass nach dem betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodell ein Geldunterhaltsanspruch des Kindes nur dann nicht mehr besteht, wenn die Betreuungsleistungen der Eltern nahezu gleichwertig und die sonstigen Naturalleistungen annähernd gleichwertig sind und zudem ihr maßgebliches Einkommen halbwegs gleich hoch ist.

5.1 Im Anlassfall ist – jedenfalls unter Berücksichtigung auch der Ferienzeiten – von nahezu gleichwertigen Betreuungsleistungen und annähernd gleichwertigen sonstigen Naturalleistungen der Eltern auszugehen. Allerdings besteht ein ins Gewicht fallender Einkommensunterschied, sodass das unterhaltsrechtliche Betreuungsmodell zwar zur Anwendung gelangt, hier aber nicht zum Entfall des Geldunterhaltsanspruchs der Kinder, sondern zu einem Restgeldunterhalt (Ergänzungsunterhalt) führt.

5.2 Ausgehend von den Feststellungen lässt sich der Restgeldunterhalt für N* im Jahr 2016 und für K* ab 1. April 2016 mit monatlich rund 235 EUR ermitteln. Da sich der Vater in der Unterhaltsvereinbarung zu einer – wenn auch nicht gravierenden – Überschreitung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs verpflichtet hat und diese Vergleichsrelation auch für die Zukunft unterstellt werden kann, hat es – trotz geänderter Verhältnisse und neuer Berechnungsmethode – beim bisher in der Unterhaltsvereinbarung festgesetzten Unterhaltsbeitrag für beide Kinder zu bleiben. Das Gleiche gilt für K* auch für die Monate Februar und März 2016. Die Vergleichsrelation erlaubt auch in dieser Hinsicht eine Verpflichtung zu weiterhin 250 EUR pro Monat. Dazu ist festzuhalten, dass die Unterhaltsbemessung nicht nach mathematischen Formeln zu erfolgen hat, sondern der Unterhalt als angemessen zu bemessen ist (vgl RIS‑Justiz RS0057284; 8 Ob 63/13t).

Der Vater nimmt in seinem Revisionsrekurs zwar wiederholt nur auf seinen Herabsetzungsantrag Bezug. Aus seinen Ausführungen sowie aus dem Rechtsmittelantrag lässt sich aber ableiten, dass er keinen höheren Unterhaltsbeitrag als 107 EUR pro Monat und Kind zahlen will. Damit ist deutlich erkennbar, dass er sich auch gegen die Erhöhung der Unterhaltsbeiträge aufgrund des Erhöhungsantrags der Kinder wendet, soweit diese den von ihm verlangten Betrag übersteigen. Damit hat er auch die Erhöhung der Unterhaltsbeiträge von monatlich 250 EUR auf 330 EUR bekämpft. Nach dem Rechtsmittelantrag bekämpft er die Entscheidung der Vorinstanzen allerdings ausdrücklich nur für die Periode ab 1. Februar 2016.

6. Insgesamt hält die angefochtene Entscheidung der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht stand. Der angefochtene Beschluss war daher in teilweiser Stattgebung des Revisionsrekurses des Vaters abzuändern.

Kosten wurden zutreffend nicht verzeichnet.

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