OGH 2Ob145/13g

OGH2Ob145/13g22.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. G***** M*****, vertreten durch Dr. Herwig Rischnig und Dr. Harald Skrube, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei W***** M*****, vertreten durch Dr. Günther Clementschitsch, Rechtsanwalt in Villach, wegen Feststellung des Erlöschens eines Unterhaltsanspruchs (Streitwert: 18.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 18. April 2013, GZ 2 R 47/13h‑23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 12. Dezember 2012, GZ 3 C 28/11v‑19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0020OB00145.13G.0522.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die 1974 geschlossene Ehe der Streitteile wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 12. 4. 1994 aus deren gleichteiligem Verschulden geschieden. Aus der Ehe stammen eine Tochter und ein Sohn. In einem 1995 eingeleiteten Rechtsstreit begehrte die Beklagte (als Klägerin) vom Kläger (als Beklagten) Unterhalt. Dieser Vorprozess endete am 31. 8. 2005 mit einem gerichtlichen Vergleich, in dem sich der Kläger (als Beklagter) ab 1. 9. 2005 zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von 500 EUR an die Beklagte (als Klägerin) verpflichtete. Im Vergleichstext wurde festgehalten, dass der Unterhaltsberechnung das Einkommen des Klägers (dort Beklagten) aus seinem Bezug bei einem bestimmten Arbeitgeber und aus seinem Pensionsbezug zugrunde liegt. Aus den aktenkundigen Dienstgeberauskünften ergibt sich, dass der Kläger im Jahr 2004 vom Amt der Kärntner Landesregierung eine Nettopension in Höhe von insgesamt 18.952,46 EUR, das sind im Durchschnitt monatlich 1.579,37 EUR, sowie im Jahr 2005 aus unselbständiger Erwerbstätigkeit einen monatlichen Nettogehalt von 1.947,78 EUR bezog (ON 46 und 54 des Vorprozesses).

Mit der am 9. 3. 2011 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten seit 1. 4. 2011 bis auf Weiteres erloschen sei. Er beziehe statt des Erwerbseinkommens nunmehr eine ASVG‑Pension, wodurch sich sein durchschnittliches Monatseinkommen deutlich verringert habe. Die Beklagte verfüge über Einkünfte aus der Mindestsicherung, der Wohnbeihilfe und sonstigen Einnahmequellen, weshalb ihr kein Billigkeitsunterhalt nach § 68 EheG mehr gebühre.

Die Beklagte hielt dem im Wesentlichen entgegen, dass der Kläger auch im Ruhestand ein überdurchschnittliches Einkommen beziehe, während sie selbst auf weit unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegende Transferleistungen angewiesen sei.

Das Erstgericht sprach aus, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten in einem Ausmaß von 166 EUR erloschen sei, sodass ihr der Kläger ab 1. 4. 2011 nur noch einen monatlichen Unterhalt von 330 EUR zu zahlen habe.

Es stellte fest, dass der Kläger ab 1. 1. 2011 aus seinen Pensionsbezügen beim Amt der Kärntner Landesregierung und der Pensionsversicherungsanstalt ein durchschnittliches Monatseinkommen von 2.207,78 EUR beziehe. Dazu kämen 550 bis 575 EUR aus der Vermietung einer Eigentumswohnung. Aus diesen (mit 10 % zu versteuernden) Mieteinkünften begleiche der Kläger Kreditverbindlichkeiten, die er zur Finanzierung seiner Leistungspflichten aus dem Aufteilungsverfahren ‑ er habe (1997/98) eine Ausgleichszahlung in Höhe von 101.742 EUR an die Beklagte geleistet ‑ sowie des Ankaufs der Eigentumswohnung (1991) eingegangen sei. Die monatliche Rate zur Rückzahlung des zur Finanzierung der Ausgleichszahlung aufgenommenen Kredits betrage 454,26 EUR. Der Kläger sei Eigentümer eines Einfamilienhauses (der früheren Ehewohnung) und mit weiteren noch aushaftenden Krediten belastet, die er im Aufteilungsverfahren übernommen habe. Die Betriebskosten für das Haus beliefen sich auf ca 470 EUR monatlich. Die Beklagte beziehe Mindestsicherung (zuletzt 114 EUR) und eine Wohnbeihilfe von 160 EUR. Sie verfüge sonst weder über Einkünfte noch über Vermögen.

In rechtlicher Hinsicht hielt das Erstgericht im Rahmen seiner Billigkeitserwägungen einen nach § 68 EheG zu leistenden Unterhaltsbeitrag des Klägers im Ausmaß von 15 % seiner Pensionseinkünfte für sachgerecht. Die Mindestsicherung könne nicht als Einkommen der Beklagten berücksichtigt werden, weil das Kärntner Mindestsicherungsgesetz Regelungen über die Ersatzpflicht des Leistungsempfängers und die „aufgeschobene“ Legalzession enthalte (§§ 47 ff K‑MSG). Als anrechenbares Eigeneinkommen verbleibe somit nur die Wohnbeihilfe. Den Mieteinkünften des Klägers stünden hohe Kreditverbindlichkeiten gegenüber, von einem „lastenfreien Bewohnen“ seiner Liegenschaft sei nicht auszugehen.

Der (inhaltlich) abweisende Teil dieser Entscheidung betreffend einen monatlichen Unterhalt von 330 EUR erwuchs in Rechtskraft.

Das im Übrigen von der Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zum „Problem der möglicherweise eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeit des Unterhaltspflichtigen in Anwendung des § 68 EheG“ fehle es an höchstgerichtlicher Judikatur.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist jedoch entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel wird eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dargetan:

1. Bei Scheidung der Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden der Ehepartner stehen den Ehegatten zwar prinzipiell gegeneinander keine Unterhaltsansprüche zu; § 68 EheG gewährt aber einen Unterhaltsanspruch, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens‑ und Erwerbsverhältnisse des anderen Ehegatten der Billigkeit entspricht (2 Ob 62/10x mwN). Der Unterhaltspflichtige hat lediglich einen „Beitrag“ zum Unterhalt zu leisten, für dessen Ausmittlung grundsätzlich nur Billigkeitserwägungen maßgeblich sind (RIS‑Justiz RS0057526; vgl Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth , EuPR [2011] § 68 EheG Rz 7; Zankl/Mondel in Schwimann/Kodek , ABGB I 4 § 68 EheG Rz 5).

Während in der Praxis zweitinstanzlicher Gerichte regelmäßig 10 bis 15 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage zuerkannt werden, hat sich der Oberste Gerichtshof zuletzt von der schematischen Berechnung des auf § 68 EheG gestützten Billigkeitsunterhalts nach bestimmten Prozentsätzen distanziert (6 Ob 242/10x). Als Höchstgrenze des Anspruchs wurden der Ausgleichszulagenrichtsatz (vgl 4 Ob 203/10x) oder das (niedrigste) Unterhaltsexistenzminimum nach § 292a EO (6 Ob 242/10x; auch Gitschthaler aaO § 68 EheG Rz 9) in Betracht gezogen (vgl auch 2 Ob 42/11g).

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass diese Grenzen selbst bei unveränderter Anspruchshöhe (500 EUR) nicht erreicht werden würden.

2. Gegenstand des Rechtsstreits ist das als negative Feststellungsklage zu wertende Begehren des Klägers auf Erlöschen des durch den Vergleich vom 31. 8. 2005 titulierten Unterhaltsanspruchs der Beklagten. Auch bei vergleichsweiser Festsetzung handelt es sich um gesetzlichen Unterhalt nach § 68 EheG, wenn der Unterhalt im Wesentlichen jenen Leistungen entspricht, die in einem Unterhaltsprozess billigerweise zugesprochen worden wären (vgl 5 Ob 620/88 mwN; RIS‑Justiz RS0042490; Gitschthaler aaO § 68 EheG Rz 2). Nur wenn im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses die Voraussetzungen des § 68 EheG nicht vorlagen oder der im Vergleich zugebilligte Unterhalt den gesetzlichen Rahmen des § 68 EheG überschritt, wäre von einem „rein“ vertraglichen Unterhalt auszugehen (RIS‑Justiz RS0057417, RS0057522; Zankl/Mondel aaO § 68 EheG Rz 2).

Dass letzteres hier zuträfe, haben weder der Kläger noch die Beklagte geltend gemacht, es liegen auch keine sonstigen Anhaltspunkte für eine solche Annahme vor. Die Beklagte hat vielmehr schon im Vorprozess ‑ nach dem Verbrauch der Ausgleichszahlung (dazu ON 19 und 30 des Vorprozesses) ‑ ihre Mittellosigkeit behauptet und ihre Arbeitsfähigkeit in Abrede gestellt.

3. Die Umstandsklausel gilt auch für einen Anspruch nach § 68 EheG (vgl 3 Ob 2232/96y; RIS‑Justiz RS0019069; Gitschthaler aaO § 68 EheG Rz 5). Wurde Unterhalt in einem Vergleich festgesetzt, soll die Neubemessung ganz allgemein nicht völlig losgelöst von der vergleichsweisen Regelung und der in ihr zum Ausdruck kommenden Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze erfolgen. Beschränkt sich die Änderung der Verhältnisse auf das Einkommen des Unterhaltspflichtigen, ist in ergänzender Vertragsauslegung anzunehmen, die Parteien hätten bei Bedachtnahme auf die später geänderten Umstände einen Unterhalt vereinbart, der der sich aus der Vereinbarung ergebenden Relation zwischen Einkommen und Unterhalt entspricht (vgl 2 Ob 253/08g mwN; 2 Ob 58/13p; RIS‑Justiz RS0105944; auch RS0019018, RS0047471; Gitschthaler aaO § 94 ABGB Rz 293). Ändern sich mehrere Bemessungsparameter, ist hingegen regelmäßig mit einer von den Vergleichsrelationen losgelösten Neubemessung des Unterhalts vorzugehen (2 Ob 253/08g mwN; 2 Ob 90/09p; RIS‑Justiz RS0105944).

Im vorliegenden Fall wurde im Vergleich vom 31. 8. 2005 ausdrücklich festgehalten, dass der Unterhaltsberechnung das damalige Einkommen des Klägers zugrunde liegt. In der gegenständlichen Klage hat der Kläger sein Feststellungsbegehren mit geänderten Verhältnissen begründet und sowohl eine (beträchtliche) Minderung seines Einkommens als auch für eine bescheidene Lebensführung ausreichende Einkünfte der Beklagten behauptet. Nach den Feststellungen ist nur die Einkommensminderung erwiesen, die Beklagte ist ‑ von der Wohnbeihilfe und der (unstrittig) nicht anzurechnenden Mindestsicherung abgesehen ‑ nach wie vor mittellos. Die Änderung der Verhältnisse beschränkt sich somit auf das Einkommen des unterhaltspflichtigen Klägers. Die im Vergleich vom 31. 8. 2005 für die Bemessung des Billigkeitsunterhalts nach § 68 EheG festgelegten Kriterien sind deshalb weiterhin zu beachten, solange und soweit die Voraussetzungen für diesen Anspruch dem Grunde nach zu bejahen sind. In diesem Sinne hat der Kläger bereits in der Klage vorgebracht, dass sich seine Unterhaltsverpflichtung, würde sie sich (nur) nach dem geänderten Nettoeinkommen richten, auf einen Betrag zwischen 225 und 335 EUR reduziere.

4. Ausgehend von den aktenkundigen, am Beginn der Tagsatzung vom 31. 8. 2005 verlesenen Gehaltsauskünften (ON 46 und ON 54 des Vorprozesses) lag dem Vergleich ein durchschnittliches monatliches Einkommen des Klägers von rund 3.850 EUR zugrunde (1947,78 EUR x 14 : 12 = 2.272,41 EUR + 1.579,31 EUR = 3.851,72 EUR), sodass der im Vergleich zugebilligte Unterhalt von 500 EUR 13 % dieser Bemessungsgrundlage entsprach. Der der Beklagten weiterhin zugebilligte Betrag von 330 EUR entspricht 15 % der verminderten Bemessungsgrundlage von 2.207,78 EUR, von welcher das Erstgericht ausgegangen ist. Dadurch könnte sich die Beklagte nicht beschwert erachten.

5. Sie macht jedoch geltend, dass auch die Mieteinkünfte in die Bemessungsgrundlage einbezogen hätten werden müssen, und gelangt ‑ wohl unter Berücksichtigung der festgestellten Steuerpflicht des Klägers ‑ zu einer Bemessungsgrundlage von 2.707,78 EUR. Verbindlichkeiten, die der Kläger zur Finanzierung der Ausgleichszahlung eingegangen sei, hätten außer Betracht zu bleiben.

Nun hat der erkennende Senat jüngst in einer Pflegschaftssache festgehalten, dass die anlässlich einer Ehescheidung im Rahmen der Vermögensaufteilung übernommenen Verpflichtungen keine Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage begründen könnten, wobei es im Anlassfall um Privatentnahmen zur Finanzierung einer Ausgleichszahlung ging (2 Ob 1/13f). Ob diese zum Kindesunterhalt vertretene Rechtsansicht ohne Weiteres auch auf den Billigkeitsunterhalt nach § 68 EheG übertragbar ist ‑ das Erstgericht ließ die Mieteinkünfte (mit impliziter Zustimmung des Berufungsgerichts) im Rahmen seiner Billigkeitserwägungen unberücksichtigt ‑ muss hier nicht näher erörtert werden.

6. Selbst wenn nämlich von einer korrigierten Bemessungsgrundlage im Sinne der Revisionsausführungen auszugehen wäre, entspräche der der Beklagten weiterhin zugebilligte Unterhalt jedenfalls 12 % dieses Betrags. Im Übrigen steht fest, dass die Rückzahlungsrate für den zur Finanzierung der Ausgleichszahlung benötigten Kredit nur 454,26 EUR beträgt. Der Rest der Mieteinkünfte wird zur Rückführung eines anderen Kredits verwendet, was die Beklagte in ihrem Rechtsmittel nicht weiter thematisiert. Unter Hinzurechnung nur des auf die Finanzierung der Ausgleichszahlung entfallenden Teilbetrags der Mieteinkünfte würde sich ‑ folgt man dem Standpunkt der Beklagten ‑ daher eine Bemessungsgrundlage von rund 2.660 EUR ergeben, sodass die Relation zu dem im Vergleich vom 31. 8. 2005 festgesetzten Unterhalt nahezu vollständig erhalten bleibt.

7. Aus den dargelegten Gründen vermag die Beklagte mit ihren Ausführungen zum Charakter der ihr zuerkannten Ausgleichszahlung im Ergebnis keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen aufzuzeigen. Dies gilt ebenso für die ihrer Ansicht nach nicht ausreichende Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebensverhältnisse. Weder die erstinstanzlichen Feststellungen noch die Revisionsausführungen enthalten einen Hinweis, dass seit dem Abschluss des Vergleichs vom 31. 8. 2005 insoweit eine Umstandsänderung eingetreten ist.

8. Da Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung nicht zu lösen sind, ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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