European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E118976
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung nunmehr zu lauten hat:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 159,95 EUR samt 9,08 % Zinsen seit 1. 1. 2015 binnen 14 Tagen zu bezahlen.“
Die Kostenaussprüche der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Beschlussfassung über die Kosten der gesamten Verfahrenskosten aufgetragen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war im Unternehmen der Beklagten von 1. 3. 1989 bis 30. 6. 2014 als Chemikerin beschäftigt. Sie war nicht als Erfinderin angestellt.
Die Klägerin war an zwei Erfindungen (1991/1992 und 2007) beteiligt, wofür sie von der Beklagten jährlich abgerechnete Diensterfindungsvergütungen erhielt. Diese betrugen für 2013 210,43 EUR und für 2014 109,46 EUR.
Die Vorinstanzen wiesen das Begehren der Klägerin auf Zahlung einer Abfertigungsdifferenz von (zuletzt) 159,95 EUR, die ihr unter Berücksichtigung der in den Jahren 2013 und 2014 gezahlten Diensterfinder-vergütungen zustünde, ab. Die Klagsbehauptungen, die Klägerin sei ausdrücklich zur Erfindertätigkeit bei der Beklagten angestellt und damit auch tatsächlich vorwiegend beschäftigt gewesen, seien nicht erwiesen. Die von der Beklagten an die Klägerin geleisteten Diensterfinder-vergütungen stellten daher kein Entgelt für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft der Klägerin dar.
In ihrer gegen die Berufungsentscheidung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung gerichteten außerordentlichen Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer vom Senat freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision der Klägerin mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
1. Gemäß § 23 Abs 1 AngG gebührt dem Angestellten bei Auflösung des Dienstverhältnisses eine Abfertigung, die je nach Dauer des Dienstverhältnisses ein Vielfaches des dem Angestellten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelts beträgt. Der dem Abfertigungsanspruch zugrunde liegende Entgeltbegriff ist weit auszulegen; er umfasst jede Leistung, die der Arbeitnehmer dafür bekommt, dass er dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, also neben dem eigentlichen Gehalt oder Lohn auch alle anderen, ordentlichen oder außerordentlichen Bezüge (9 ObA 25/16s; RIS‑Justiz RS0030847; RS0031505). Darunter ist der sich aus den mit einer gewissen Regelmäßigkeit – wenn auch nicht jeden Monat – wiederkehrenden Bezügen ergebende Durchschnittsverdienst zu verstehen, der sich aus den regelmäßig im Monat wiederkehrenden Bezügen zuzüglich der auch in größeren Abschnitten oder nur einmal im Jahr zur Auszahlung gelangenden Aushilfen, Remunerationen, Zulagen usw zusammensetzt (9 ObA 13/15z; RIS‑Justiz RS0028490 [T1]). Zum Ansatz für die Bemessungsgrundlage kommt dann der monatliche Durchschnittswert (RIS‑Justiz RS0043295 [T6]). Abfertigungswirksam sind auch freiwillige regelmäßige Leistungen des Arbeitgebers, weil sie am Entgeltcharakter der Leistung nichts ändern (9 ObA 8/14p mwN).
2.1. Die Vergütung von Diensterfindungen ist in § 8 PatG geregelt. Nach dessen Abs 1 gebührt dem Dienstnehmer in jedem Falle für die Überlassung einer von ihm gemachten Erfindung an den Dienstgeber sowie für die Einräumung eines Benützungsrechts hinsichtlich einer solchen Erfindung eine angemessene besondere Vergütung. Wenn der Dienstnehmer jedoch ausdrücklich zur Erfindertätigkeit im Unternehmen des Dienstgebers angestellt und auch tatsächlich damit vorwiegend beschäftigt ist und wenn die ihm obliegende Erfindertätigkeit zu der Erfindung geführt hat, so gebührt ihm eine besondere Vergütung nur insoweit, als nicht schon in dem ihm auf Grund des Dienstverhältnisses im Hinblick auf seine Erfindertätigkeit zukommenden höheren Entgelt eine angemessene Vergütung für die Erfindung gelegen ist (Abs 2).
2.2. Eine vom Dienstgeber nach § 8 PatG zu vergütende Diensterfindung liegt nach § 7 Abs 3 PatG dann vor, wenn es sich um eine Erfindung eines Dienstnehmers handelt, die ihrem Gegenstande nach in das Arbeitsgebiet des Unternehmens, in dem der Dienstnehmer tätig ist, fällt und wenn a) entweder die Tätigkeit, die zu der Erfindung geführt hat, zu den dienstlichen Obliegenheiten des Dienstnehmers gehört oder b) wenn der Dienstnehmer die Anregung zu der Erfindung durch seine Tätigkeit in dem Unternehmen erhalten hat oder c) das Zustandekommen der Erfindung durch die Benützung der Erfahrungen oder der Hilfsmittel des Unternehmers wesentlich erleichtert worden ist. Liegt also eine Diensterfindung nach § 7 Abs 3 PatG vor, dann gebührt auch dem nicht als Erfinder angestellten (und damit auch beschäftigten) Dienstnehmer für die Überlassung einer von ihm gemachten Erfindung an den Dienstgeber sowie für die Einräumung eines Benützungsrechts hinsichtlich einer solchen Erfindung eine angemessene besondere patentrechtliche Vergütung (§ 8 Abs 1 PatG).
2.3. Gemäß § 16 PatG werden die nach den Bestimmungen der §§ 6 bis 15 PatG begründeten Rechte des Dienstgebers und des Dienstnehmers durch die Auflösung des Dienstverhältnisses nicht berührt. Zu den Rechten des Dienstnehmers, die auch noch nach dem Ende des Dienstverhältnisses geltend gemacht werden können, gehört daher auch der in § 8 PatG normierte Anspruch auf eine „besondere Vergütung“ (vgl RIS‑Justiz RS0071285).
3.1. In der Entscheidung 9 ObA 96/11z hat der Oberste Gerichtshof regelmäßig angefallene Diensterfindungsvergütungen eines zur Erfindertätigkeit im Unternehmen angestellten und damit auch vorwiegend beschäftigten Dienstnehmers iSd § 7 Abs 3 lit a iVm § 8 Abs 2 PatG als abfertigungswirksame Entgeltbestandteile angesehen. Das von Schrank (Rechtsprobleme der Berechnung der Abfertigung, ZAS 1990, 1 ff [6]; Berechnung der Abfertigung, in Runggaldier, Abfertigungsrecht [1991] 151 ff [164]) gegen die Einbeziehung von Diensterfindungs‑vergütungen in die Abfertigungsbemessungsgrundlage vorgetragene Argument der unerwünschten Doppelvergütung hielt der Oberste Gerichtshof für nicht zutreffend. Diensterfindungsvergütungen liege kein Versorgungsgedanke zugrunde. Der Nutzen aus der vom Dienstnehmer erbrachten Leistung (Diensterfindung) trete beim Dienstgeber typischerweise zeitverzögert ein. Gegenstand der Abfertigungsbemessung könnten auch nur die bereits für die Vergangenheit angefallenen, nicht aber die erst nach dem Ende des Dienstverhältnisses anfallenden Vergütungsansprüche sein. Zudem stellten auch die Abgeltung für vom Dienstnehmer durchgeführte Verbesserungen bzw Diensterfindungen einen Entgeltanspruch iSd § 1 Abs 4 IESG dar (RIS‑Justiz RS0076891; RS0076555).
3.2. Im Schrifttum stimmen Eypeltauer (Abfertigung Alt: Diensterfindungsvergütung und AG-Pensionskassenbeiträge, ecolex 2012, 418) und Thiele (Vergütungsanspruch bei Diensterfindungen: Rechnungslegung?, RdW 2012/369 [351]) dieser Entscheidung zu. Nach Eypeltauer trifft die Begründung des Obersten Gerichtshofs ebenso auf nicht angestellte Diensterfinder zu, die regelmäßig eine Diensterfindungsvergütung erhalten.
3.3. Auch in der Lehre (Holzer in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 23 Rz 33; Wachter in Reissner,AngG² § 23 Rz 47)überzeugt diese Entscheidung.
4. Die Frage, ob auch regelmäßige Diensterfindungsvergütungen, die ein nicht zur Erfindertätigkeit im Unternehmen des Dienstgebers angestellter und damit auch vorwiegend beschäftigter Dienstnehmer im Sinn des § 7 Abs 3 lit b, c iVm § 8 Abs 1 PatG bezog, hat der Oberste Gerichtshof noch nicht beantwortet.
Die Grundsätze der Entscheidung 9 ObA 96/11z sind auch auf den vorliegenden Fall übertragbar. In beiden Konstellationen (angestellter und nicht angestellter Diensterfinder) erhält der Dienstnehmer vom Dienstgeber für eine Diensterfindung eine patentrechtliche Vergütung. Diese Vergütung bekam auch hier die nicht zur Erfindertätigkeit im Unternehmen angestellte Klägerin iSd weiten Entgeltbegriffs letztlich dafür, dass sie der Beklagten ihre Arbeitsleistung zur Verfügung stellte. Dass die Diensterfindungsvergütung ihre Grundlage im Patentgesetz hat, vermag daran nichts zu ändern. Bereits in der Entscheidung 8 ObS 16/94 wurde zum IESG die Rechtsauffassung vertreten, dass auch die für eine Diensterfindung iSd § 7 Abs 3 lit b PatG gebührende Vergütung unmittelbar dem Dienstverhältnis zuzuordnen und somit auch im Rahmen desselben zu entlohnen ist.
Die Klägerin hat die Diensterfindungs-vergütungen nicht in Form einer einmaligen Abgeltung, sondern über viele Jahre und daher auch „regelmäßig“ bezogen. Dass sie diese Vergütungen nur für zwei Diensterfindungen, an denen sie beteiligt war, erhalten hat, ändert an der Regelmäßigkeit dieses Entgelts nichts.
5. Zusammengefasst sind auch regelmäßige Diensterfindungsvergütungen, die ein nicht zur Erfindertätigkeit im Unternehmen des Dienstgebers angestellter und damit auch vorwiegend beschäftigter Dienstnehmer iSd § 7 Abs 3 lit b, c iVm § 8 Abs 1 PatG bezog, in die Bemessungsgrundlage der nach § 23 Abs 1 AngG gebührenden Abfertigung einzubeziehen.
6. Dass der Klägerin von der Beklagten jährlich regelmäßig Diensterfindungsvergütungen gewährt wurden, ist nicht strittig; ebensowenig die Höhe der geltend gemachten Abfertigungsdifferenz.
Der Revision der Klägerin ist danach Folge zu geben und dem Klagebegehren in Abänderung der klagsabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen stattzugeben.
Nach der Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0124588) kann die Entscheidung über die Verfahrenskosten in sinngemäßer Anwendung des § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO an das Berufungsgericht übertragen werden (hier mehrere Klagseinschränkungen und umfangreiche Einwendungen gemäß § 54 Abs 1a ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)