OGH 6Ob118/16w

OGH6Ob118/16w7.7.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. J*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner, Priv.‑Doz. Dr. Max Leitner, Dr. Mara‑Sophie Häusler, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei R*****, vertreten durch Lederer Rechtsanwalt GmbH in Wien, und der Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei 1. C***** GmbH in Liquidation, *****, 2. M***** GmbH, *****, Deutschland, beide vertreten durch Wess Kispert Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 103.578,16 EUR sA und Feststellung, über die Rekurse der beklagten Partei und der Nebenintervenienten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. April 2016, GZ 14 R 173/16m‑39, womit das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 31. August 2015, GZ 3 Cg 166/13y‑34, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00118.16W.0707.000

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Der Kläger ist Ingenieur für Elektrotechnik und immer in technischen Berufen tätig gewesen. Er zeichnete auf Empfehlung und Vermittlung des Beklagten, der sich nach seiner Tätigkeit als Bankmitarbeiter selbständig gemacht und zu dem der Kläger als Vermögensberater gewechselt hatte, von September 2002 bis April 2007 unter Zwischenschaltung eines Treuhänders Kommanditbeteiligungen an sechs Kommanditgesellschaften deutschen Rechts („Reefer-Flotten-Fonds I und II“, „Holland-Fonds“, „Merkur Sky“) über eine Summe von insgesamt 105.000 EUR, ab den fünf seit 2004 eingegangenen Beteiligungen jeweils zuzüglich eines Agios von 750 EUR.

Dem Kläger war wichtig, in Sachwerte zu investieren und aus einer langfristigen Veranlagung eine angemessene Rendite zu erzielen. Er wollte höhere als Sparbuchzinsen erhalten. Der Beklagte erklärte ihm, vom Geld der Anleger würden Immobilien bzw Schiffe erworben und vermietet. Aus den Mieteinnahmen würden die Erträgnisse erzielt werden. Der Kläger ging aufgrund der Gespräche mit dem Beklagten davon aus, dass es sich bei den Ausschüttungen aus den Veranlagungen um Erträge aus der Vermietung handelt. Es wurde nicht darüber gesprochen, dass die Ausschüttungen die Rückgewähr von Einlagen bzw die Rückzahlung des Kapitals darstellen könnte. Bei keiner der Beteiligungen war dem Kläger klar, dass er durch die Zeichnung Kommanditist wurde. Er ging davon aus, nach zehn bis 15 Jahren den eingesetzten Kapitalbetrag mit Wertzuwächsen ausgezahlt zu erhalten.

Bei jeder der fünf Beitrittserklärungen ab 2004 fanden sich Beitrittsbedingungen, die Hinweise auf ein Totalverlustrisiko enthielten. Für jede Beteiligung wurde ein „Anlegerprofil für die Zeichnung mitunternehmerschaftlicher Beteiligungen“ ausgefüllt und vom Kläger ungelesen unterschrieben. Der Kläger las auch die Beitrittserklärungen nicht, weil durch die Gespräche mit dem Beklagten alle seine Fragen beantwortet wurden und er dem Beklagten vertraute. Er las auch die Risikohinweise in den Beitrittsbedingungen nicht. Hätte er diese gelesen, hätte er die Veranlagung nicht getätigt. Hätte er gewusst, dass er mit der Veranlagung Mitunternehmer wird und ein Verlust- oder sogar ein Totalverlustrisiko besteht, hätte er die Beteiligungen nicht erworben. Er fasste die jährlichen Ausschüttungen als jährliche Renditen auf. Hätte er gewusst, dass vom investierten Kapital ein großer Prozentsatz für Verwaltungsagenden, Betriebsspesen und ähnliches aufgehen, hätte er die Veranlagungen nicht getätigt.

Die Beitrittserklärungen wurden nicht schon bei den jeweiligen Beratungsgesprächen unterfertigt. Zwischen der Präsentation des jeweiligen Produkts und dem gemeinsamen Durchsehen des Prospekts einerseits und der Zeichnung der jeweiligen Beteiligung andererseits vergingen immer zumindest eine bis zwei Wochen.

In den Jahren 2008 und 2009 kam es zu einer Reduzierung und zu einem Ausbleiben von Ausschüttungen. Über die Merkur Sky wurde 2012 der Konkurs eröffnet.

Der Kläger erhielt im Laufe der Jahre zahlreiche Schreiben des Treuhänders zu den Kommanditbeteiligungen, die er entweder gar nicht oder nicht aufmerksam las.

Der Kläger begehrt aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes wegen mangelhafter Beratung

a) die Rückzahlung der ab 2004 investierten Beträge abzüglich erhaltener Ausschüttungen und zuzüglich kapitalisierter Zinsen aus entgangenen Alternativanlagen samt 4 % Zinsen seit Klagstag und

b) die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle künftigen Schäden, die aus der Zeichnung der ab 2004 eingegangenen Beteiligungen entstehen.

Der Beklagte habe ihn nicht darüber aufgeklärt, dass

die Ausschüttungen keine Gewinne seien, sondern Rückzahlungen des eigenen investierten Kapitals, und von den Gesellschaftsgläubigern auch wieder zurückverlangt werden könnten,

das (Total‑)Verlustrisiko (Insolvenzrisiko) infolge der hohen Fremdkapitalquote (Fremdfinanzierung durch Banken) besonders hoch sei,

der Beklagte für die Vermittlung über das jeweilige Agio von anteilig 2,5 bis 5 % hinaus auch noch Provisionszahlungen (= Innenprovision/Retrozession/Kick-Back-Zahlungen) von 5 bis 6 % und daher 7,5 bis 11 % des investierten Kapitals erhalten habe und

das eingezahlte Kapital exzessiv – nämlich mit rund 20 bis 29 % – mit „Weichkosten“ (Vertriebsspesen) belastet sei.

Der Beklagte und die Nebenintervenienten bestritten Beratungsfehler und wendeten Verjährung ein. Die Beratung des Beklagten sei für den Anlageentschluss des Klägers nicht kausal gewesen.

Das Erstgericht wies die am 20. 12. 2013 eingebrachte Klage wegen Verjährung ab.

Das Berufungsgericht hob über die Berufung des Klägers das Urteil des Erstgerichts auf. Es sprach aus, dass der Rekurs zulässig sei, weil gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur getrennten Beurteilung der Verjährung bei mehreren verschiedenen Aufklärungsfehlern nicht bestehe und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, inwiefern ein laienhafter Anleger vom Anlageberater über Weichkosten (insbesondere über die Höhe von Vertriebs- und Vermarktungskostenanteilen sowie über einen Innenprovisionsanteil) und über eine Fremdfinanzierung durch Banken aufzuklären sei. Der Beklagte hätte den Kläger – unabhängig von dessen Kenntnis eines (Total‑)Verlustrisikos – auch über die Möglichkeit aufklären müssen, Ausschüttungen zurückzahlen zu müssen, weil nach den Feststellungen des Erstgerichts es für den Kläger – dem Beklagten eindeutig und leicht erkennbar – wesentlich gewesen sei, dass er in eine Renditeerwartung investiert habe. Das Erstgericht habe nicht festgestellt, ob über diese allfällige Rückzahlungsverpflichtung in den Beratungen gesprochen worden sei und ein allfälliger Beratungsfehler kausal für die Anlageentscheidungen des Klägers gewesen sei. Das Verschweigen von „Weichkosten“ sei dann ein eigenständiger Aufklärungsmangel und bewirke ein relevantes Informationsdefizit, wenn diese Vertriebs- und Marketingkosten, eine erhebliche Höhe – mehr als 15 % – des investierten Kapitals erreichen. Feststellungen über die jeweilige konkrete Höhe dieser Kosten für jede der fünf Beteiligungen fehlten. Bestünden mehrere verschiedene Beratungs- und Aufklärungsfehler nebeneinander, von denen jeder auch für sich allein für die Investitionsentscheidung kausal gewesen sei, so sei entgegen der Auffassung des Erstgerichts der daraus resultierende Schaden der „ungewollten Anlage“ verjährungsrechtlich getrennt zu beurteilen. Es fehlten konkrete und bestimmte Feststellungen dazu, aus jeweils welchem Schreiben des Treuhänders zu jeweils welchem Fonds der Kläger deutlich einen verständlichen Anhaltspunkt für einen Aufklärungsfehler erhalten habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse des Beklagten und seiner Nebenintervenienten gegen den Aufhebungsbeschluss, die der Kläger beantwortete, sind zulässig; sie sind aber im Ergebnis nicht berechtigt.

1. Das Berufungsgericht weicht nicht von der Entscheidung 6 Ob 193/15y ab, wenn es nach der Lage des Falls die Pflicht des Beklagten bejahte, er hätte den Kläger über die Gefahr informieren müssen, dass dieser Ausschüttungen unter Umständen zurückzahlen müsse:

1.1. Unstrittig kommt es hinsichtlich der vom Beklagten zu den Zeitpunkten des Erwerbs der Beteiligungen zu beachtenden Beratungs- und Aufklärungspflichten auf die einschlägigen Bestimmungen des Wertpapieraufsichts-gesetzes 1996 an. Dabei sind für den Umfang und die konkrete Ausgestaltung dieser Beratungs- und Aufklärungspflichten grundsätzlich die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dies gilt auch für Beteiligungen wie die hier zu beurteilenden (6 Ob 246/15t; 6 Ob 193/15y).

1.2. Das Berufungsgericht hat eine Aufklärungspflicht in Bezug auf eine Fremdfinanzierung (durch Banken) der Anschaffung der Sachwerte und ihre Auswirkung auf die Sicherheit des Investments weder bejaht noch verneint. Insofern liegt dem Aufhebungsbeschluss eine vom Obersten Gerichtshof prüfbare rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts nicht zu Grunde. Angemerkt sei, dass eine Aufklärung über das Totalverlustrisiko des Investments jedenfalls das vom Kläger in der Rekursbeantwortung unter III. Fremdfinanzierung umschriebene Risiko umfasst.

1.3.1. In der Entscheidung 6 Ob 193/15y führte der Oberste Gerichtshof bei Beteiligungen an Kommanditgesellschaften deutschen Rechts aus, dass eine allfällige Rückzahlungsverpflichtung als von der Belehrung über das Totalverlustrisiko bei einer Unternehmensbeteiligung umfasst anzusehen ist, weil ein Rückforderungsanspruch nach § 172 Abs 4 dHGB gegenüber einem Kommanditisten voraussetzt, dass entgegen den Bestimmungen des deutschen Handelsgesetzbuches eine Ausschüttung „aus der Substanz“ erfolgt ist. Nimmt nämlich der Anleger einen Totalverlust in Kauf, so weiß er, dass seine gesamte Substanz, die er investiert, verloren gehen kann. Die Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft weist in diesem Zusammenhang zwar (nur) die Besonderheit auf, dass sich das Totalverlustrisiko auch auf bestimmte „rechtswidrige“ Ausschüttungen bezieht, wenn der Anleger dadurch Teile der Substanz zwischenzeitig zurückerhalten haben sollte. Die Auffassung, dass darüber nicht gesondert aufgeklärt werden muss, ist jedenfalls dann vertretbar, wenn dem Anleger hinsichtlich der Rechtsnatur und Herkunft der Ausschüttungen nicht vermittelt wurde, dass es sich um eine „Verzinsung des Kapitals“ handeln sollte.

1.3.2. Dass das Berufungsgericht eine gesonderte Pflicht zur Aufklärung über das Risiko, Ausschüttungen unter Umständen zurückzahlen zu müssen, bejahte, ist jedenfalls vertretbar, weil der Beklagte dem Kläger in den Beratungsgesprächen den Eindruck vermittelte, es würden Erträgnisse aus der Vermietung des Schiffes bzw der Immobilie ausgeschüttet werden, und der Kläger nicht einmal wusste, dass er sich an Kommanditgesellschaften beteiligen würde.

1.3.3. Die Behauptung der Nebenintervenienten, schon wegen der fehlenden Zustimmung der finanzierenden Banken könne ausgeschlossen werden, dass Ausschüttungen vorgenommen werden würden, die das Kapitalkonto eines Anlegers auf weniger als seine im Handelsregister eingetragene Hafteinlage reduzierten, betrifft den Tatsachenbereich. Es ist nicht festgestellt, dass schon im Zeitpunkt der Zeichnung der jeweiligen Beteiligung das Risiko, Ausschüttungen unter Umständen zurückzahlen zu müssen, nicht bestand.

1.4. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 6 Ob 246/15t ausgesprochen, dass § 13 Z 3 und 4 WAG 1996 es einem Wertpapierdienstleister überlässt, in welcher Art und Weise er in der Anlageberatung seinen Kunden informiert. Eine Aufklärung des Kunden über das Anlageobjekt kann auch durch eine so rechtzeitige Übergabe entsprechender Unterlagen erfolgen, in denen die Risiken dargestellt sind, die mit der Beteiligung verbunden sind, dass der Kunde diese noch vor der Anlageentscheidung intensiv zur Kenntnis nehmen kann. Vom Kunden darf erwartet werden, dass er diese eingehend und sorgfältig liest.

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und der Rekurswerber besteht eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob dann, wenn der Kläger sein Begehren auf mehrere Aufklärungsfehler stützt, die Verjährung in Bezug auf jeden einzelnen Aufklärungsfehler gesondert zu beurteilen ist.

2.1. Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt nach dem Wortlaut des Gesetzes mit Kenntnis von Schaden und Schädiger. Kennenmüssen reicht daher grundsätzlich nicht aus (RIS‑Justiz RS0034366 [T3, T6]). In gewissem Umfang wird aber dann eine Erkundigungsobliegenheit angenommen (RIS‑Justiz RS0034366 [T12]), wenn der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann (RIS‑Justiz RS0034524 [T21]; RS0034366 [T20]). Diese Erkundigungspflicht darf nicht überspannt werden (jüngst 2 Ob 99/16x; 2 Ob 41/13p; RIS‑Justiz RS0034327). Sie setzt regelmäßig deutliche Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt voraus. Es braucht konkrete Verdachtsmomente, aus denen der Anspruchsberechtigte schließen kann, dass Verhaltenspflichten nicht eingehalten wurden (RIS‑Justiz RS0034327 [T21]).

2.2.1. Nach der Rechtsprechung (2 Ob 99/16x; 8 Ob 135/10a; ebenso 2 Ob 41/13p und 3 Ob 112/15i) kann sich der Anleger nicht darauf berufen, dass er ihm übersandte Mitteilungen, aus denen sich weitere Erkundungs-obliegenheiten ergeben, nicht gelesen habe. Maßgebend ist danach der Zugang solcher Mitteilungen (3 Ob 112/15i), nicht deren konkrete Kenntnisnahme. Anderes gilt allerdings in Bezug auf übersandte Geschäftsberichte, wenn zu deren genauer Lektüre ein Anleger aufgrund der Umstände des Einzelfalls bei Fehlen von Anhaltspunkten für eine Fehlberatung keinen Anlass hatte (2 Ob 99/16x; 10 Ob 39/11z).

2.2.2. Wann im Einzelfall die Erkundigungsobliegenheit entsteht, hängt ganz von den Umständen ab. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass nach den Umständen des Falls die Reduzierung und das Ausbleiben der Ausschüttungen als solche keinen konkreten Anhaltspunkt dafür boten, Ausschüttungen könnten zurückzuzahlen sein, bedarf keiner Korrektur. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Feststellungen für nicht ausreichend befunden, um die Frage des Entstehens der Obliegenheit hinsichtlich der Verletzung von Aufklärungspflichten über die Veranlagung als solche abschließend beurteilen zu können.

2.3.1. Da sich die Verjährung auf den jeweils geltend gemachten Anspruch bezieht, der – wie der Streitgegenstand (RIS‑Justiz RS0039255) – durch die zu seiner Begründung vorgebrachten Tatsachen konkretisiert wird, liegen dann, wenn der Kläger sein Begehren alternativ auf verschiedene Sachverhaltsvarianten stützt, mehrere Ansprüche vor, die auch verjährungsrechtlich getrennt zu beurteilen sind (3 Ob 112/15i mwN). Daher ist auch in Anlegerhaftungsfällen die Verjährung für jeden Beratungsfehler getrennt zu beurteilen, wenn bei mehreren spezifischen Risken jeweils eine gesonderte Verletzung von Aufklärungspflichten in Betracht kommt (3 Ob 112/15i; 5 Ob 133/15t; jüngst 2 Ob 99/16x). Nach 5 Ob 133/15t setzt eine gesonderte Prüfung voraus, dass der behauptete Beratungsfehler tatsächlich eine eigenständige, den geltend gemachten Anspruch begründende Pflichtverletzung bildet und nicht bloß Bestandteil eines einheitlichen Beratungsfehlers ist. An dieser Auffassung haben zuletzt auch der 10. Senat des Obersten Gerichtshofs in ausführlicher Auseinandersetzung mit kritischen Anmerkungen im Schrifttum und der 2. Senat festgehalten (10 Ob 70/15i mwN; 2 Ob 99/16x). Das Unterbleiben der Aufklärung über die Rückforderbarkeit der Ausschüttungen ist im Verhältnis zum Risiko des Totalverlusts grundsätzlich (vgl aber oben 1.3.2.) nicht als eigener abgrenzbarer Aufklärungsfehler zu qualifizieren (5 Ob 133/15t).

2.3.2. Mit dieser Rechtsprechung („Trennungsthese“), der das Berufungsgericht folgte, stehen– entgegen den Ausführungen der Rekurswerber – die Senatsentscheidungen 6 Ob 90/15a und 6 Ob 153/15s nicht in Widerspruch. Die Trennungsthese wird in letzterer, die Beratungsfehler bei einem Fremdwährungskredit betrifft, in Rz 5.3. bejaht, und von ihr wird in ersterer weder ausdrücklich noch implizit abgegangen.

2.3.3. Wegen der „zugesagten“ regelmäßigen Erträge ist das Berufungsgericht hinsichtlich des behaupteten „Ausschüttungsschwindels“ zutreffend von einer eigenständigen Pflichtverletzung, für die eine eigene Verjährungsfrist läuft, ausgegangen.

3.1. Unter dem aus dem Gebiet der geschlossenen Fonds stammenden Begriff „Weichkosten“ werden allgemein diejenigen Kosten verstanden, die in der Investitionszeit anfallen. Die „Weichkosten“ stehen in keinem direkten Zusammenhang mit dem jeweiligen Investitionsobjekt des geschlossenen Fonds (zB dem Schiff oder der Immobilie), das die Fondsgesellschaft kaufen möchte oder schon gekauft hat. Zu diesen „Weichkosten“ gehören vor allem Vertriebs- und Marketingkosten (6 Ob 193/15y). Mit „Weichkosten“ (Vertriebskosten) muss ein Anleger grundsätzlich rechnen. Insofern entsteht eine Informationspflicht erst dann, wenn diese Kosten eine erhebliche Höhe erreichen (2 Ob 99/16x; 3 Ob 190/16m).

3.2. Ob eine Information über „Weichkosten“ erheblicher Höhe im konkreten Einzelfall erforderlich war, hängt ganz von den Umständen des Falls ab. Entgegen Klausberger/Lenz (in ÖBA 2017, 426 [EAnm]) hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 193/15y eine Pflicht des Anlageberaters, über „Weichkosten“ erheblicher Höhe zu informieren, nicht verneint.

3.3. Der Oberste Gerichtshof hat jüngst in der Entscheidung 3 Ob 190/16m (= ÖBA 2017, 425 [Klausberger/Lenz]), mit der eine ordentliche Revision zurückgewiesen wurde (s OLG Graz 2 R 6/16v ecolex 2017, 304 [Wilhelm]),die Auffassung gebilligt, dass nach der Lage des Falls über „Weichkosten“ erheblicher Höhe (Provisionen von mehr als 15 % bezogen auf das Kommanditkapital) aufzuklären ist (vgl auch 2 Ob 99/16x) und hiezu die Darstellung der Provisionen gemeinsam mit den anderen, ebenfalls den Vertrieb im weiteren Sinn betreffenden Weichkostenpositionen genügt.

3.4. Hinsichtlich der Verjährung ist das Unterbleiben einer erforderlichen Aufklärung über „Weichkosten“ im Verhältnis zum Risiko des Totalverlusts grundsätzlich nicht als eigener abgrenzbarer Aufklärungsfehler (vgl oben 2.3.) zu qualifizieren, beeinflussen doch erhebliche „Weichkosten“ die Werthaltigkeit des Investments, wie der Kläger selbst vorbrachte. Insoweit ist also entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts von keinem gesonderten Lauf einer Verjährungsfrist auszugehen.

4. Der Verweis der Nebenintervenienten, dass in den jeweiligen Kapitalmarktprospekten und in den Gesellschaftsverträgen sämtliche mit den Beteiligungen verbundenen Kosten vollständig und richtig offengelegt worden seien, übergeht, dass nicht festgestellt wurde, diese Urkunden seien dem Kläger ausgefolgt worden. Auch nach den Wohlverhaltensregeln des WAG 1996 sind Beratung und Aufklärung nicht vom Kunden nachzufragen, sondern von den in § 11 WAG 1996 genannten Rechtsträgern anzubieten. Die Möglichkeit der Konsumenten, vom Inhalt des Kapitalmarktprospekts Kenntnis zu erlangen, ändert daher nichts an der Informationspflicht des Beklagten über nur darin enthaltene, wesentliche Umstände (3 Ob 190/16m mwN).

5. Unzutreffend ist die Ansicht der Nebenintervenienten, der Schaden eines Anlegers, der bei Zeichnung über das Totalverlustrisiko Bescheid gewusst habe und nur einer Fehlvorstellung über die Rückzahlbarkeit empfangener Ausschüttungen unterlegen sei, würde vollständig durch Stattgebung des Feststellungsbegehrens ausgeglichen. Bei einer fehlerhaften Anlageberatung tritt der (reale) Schaden des Anlegers bereits durch den Erwerb der nicht gewünschten Vermögenswerte ein (RIS‑Justiz RS0129706).

6. Wenn die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht hier richtig ist, kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob eine Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist (RIS‑Justiz RS0042179). Allerdings wird das Erstgericht bei der Beurteilung der Erkundigungsobliegenheit auch zu berücksichtigen haben, dass dem Kläger nach den Feststellungen die Gleichartigkeit der Veranlagungen bewusst war.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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