OGH 6Ob118/17x

OGH6Ob118/17x7.7.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr.

Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H***** K***** und 2. I***** K*****, vertreten durch Benedikt Wallner Rechtsanwalt Gesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm, Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. April 2017, GZ 2 R 7/17i‑31, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00118.17X.0707.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision macht geltend, das beklagte Kreditinstitut hätte die Kläger gesondert darüber aufklären müssen, dass beim endfälligen Kredit die Zinsen bis zum Laufzeitende vom vollen Kreditbetrag berechnet würden.

Die konkrete Ausgestaltung und der Umfang der Beratung ergibt sich jeweils im Einzelfall in Abhängigkeit vom Kunden, insbesondere von dessen Professionalität, sowie vom ins Auge gefassten Anlageobjekt (RIS-Justiz RS0119752). Dass die Zinsen bei einem endfälligen Kredit bis zum Laufzeitende vom vollen Kreditbetrag berechnet werden, während sie beim Abstattungskredit vom fallenden Kapital berechnet werden, ist geradezu Wesensmerkmal eines endfälligen Kredits; eines ausdrücklichen Hinweises auf diesen Umstand durch die Bank bedarf es daher nicht. Gegebenenfalls muss aber auf das Risiko einer ungünstigen Entwicklung des Zinssatzes oder – bei einem Fremdwährungskredit – des Wechselkurses hingewiesen werden (6 Ob 153/15s = RIS-Justiz RS0029601 [T34]).

Auf das Zinssatz- und das Wechselkursrisiko wurden die Kläger im vorliegenden Fall hingewiesen.

Der Vorwurf der Revisionswerber, zu dieser Frage lägen zwei unterschiedliche Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs vor, ist unberechtigt und erfolgte wider besseres Wissen der Klagevertreterin: Bei der zweiten in der Revision zitierten und dieser auch beigelegten „Entscheidung“ handelt es sich um einen irrtümlich von der Zivilkanzlei abgefertigten, undatierten Text, der überhaupt nie Entscheidungsqualität erlangte. Dies wusste die Klagevertreterin spätestens aus der ihr zugestellten späteren Akteneinsichtsentscheidung zu 6 Ob 153/15s vom 4. 1. 2016.

Aus der in der Revision weiters zitierten Entscheidung 3 Ob 187/15v ist für die Kläger nichts zu gewinnen, weil auch dort eine von den Klägern behauptete gesonderte Aufklärungspflicht verneint wurde. Dass dies nur deshalb erfolgte, weil der dortige Kläger Rechtsanwalt war, lässt sich der Entscheidung so nicht entnehmen. Es wurde darin – ähnlich wie in 6 Ob 153/15s – festgehalten, es ergebe sich „bereits naheliegend aus dieser Konstruktion“, dass die Kostenbelastung eines endfälligen Kredits infolge der über die gesamte Laufzeit notwendigen Verzinsung des gesamten, weil ja endfälligen Kapitals erforderlich sei, hingegen bei der ratenweisen Kapitaltilgung zunehmend weniger aushaftendes Kapital zu verzinsen sei.

2. Die Revisionswerber machen ferner geltend, die hier kundenfernere beklagte Bank treffe dann eine Haftung, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür gehabt oder sogar positiv gewusst habe, dass das kundennähere Unternehmen seine Pflichten nicht erfüllt habe. Die Beklagte habe hier ein Gesamtkonzept erstellt.

Mangels eigener Beratungspflicht haftet eine Bank, die Effektengeschäfte ausführt, im Allgemeinen nicht für die mangelhafte Beratung ihrer Kunden durch ein von diesen beigezogenes („kundennäheres“) Wertpapierdienst-leistungsunternehmen (WPDLU). Das gilt jedoch nicht, wenn die Bank konkrete Anhaltspunkte dafür hatte oder sogar positiv wusste, dass das kundennähere Unternehmen seine Pflichten nicht erfüllte, oder wenn die Bank dieses Unternehmen ständig mit dem Vertrieb von Anlageprodukten betraut und so in die Verfolgung ihrer eigenen Interessen eingebunden hatte (RIS-Justiz RS0128476). Das Fehlverhalten eines selbständigen Vermögensberaters kann einer Bank iSd § 1313a ABGB nur dann zugerechnet werden, wenn dieser im Pflichtenkreis der Bank tätig wird und sich die Bank zur Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber dem Kunden des Beraters bedient (RIS‑Justiz RS0128476 [T3]). Besteht ein wirtschaftliches Naheverhältnis zwischen der Bank und dem Berater, ist das Verschulden des Beraters – unabhängig von einer eigenen vertraglichen Verpflichtung des Beraters – der Bank nach § 1313a ABGB zuzurechnen (RIS-Justiz RS0128476 [T15]). Die Frage, ob die erforderliche wirtschaftliche Nahebeziehung zwischen dem WPDLU und der Depotbank aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls als gegeben anzusehen ist, stellt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0128476 [T8]).

Im vorliegenden Fall eines Fremdwährungskredits mit Tilgungsträger stellte das Erstgericht fest, der Erstkläger habe bereits 2004 bei der ***** Versicherung AG eine Lebensversicherung mit einer Laufzeit bis 2020 abgeschlossen gehabt. Im Zusammenhang mit den Plänen der Kläger zum Erwerb eines Hauses habe diese Versicherung den Klägern die Aufnahme eines Kredits bei dessen Hausbank und den Abschluss einer Lebensversicherung als Tilgungsträger bzw Sicherheit bei der Versicherung empfohlen. Das Erstgericht stellte zwar das Vorliegen eines „Kooperationsvertrags“ zwischen der Beklagten und der Versicherung fest, konnte aber zu dessen Ausgestaltung nichts feststellen; insbesondere konnte nicht festgestellt werden, dass die Versicherung mit der Beklagten zusammenarbeitete. Im Zuge der Kreditaufnahme bei der Beklagten legten die Kläger die Unterlagen über die bei der Versicherung abgeschlossene Lebensversicherung vor und die Beklagte prüfte diese (nur noch) auf Plausibilität. Die Beklagte war nicht in die Vermittlung oder den Abschluss der Lebensversicherung bei der Versicherung involviert.

Grundsätzlich ist eine Beratungspflicht der Bank betreffend davor abgeschlossener Versicherungsverträge zu verneinen (RIS‑Justiz RS0128916).

Im Übrigen zeigt dieser Sachverhalt auch keine „konkreten Anhaltspunkte“ im Sinn der dargestellten Judikatur zu den Vermögensberatern auf, also dass die Versicherung bzw deren Vertreter erkennbar Pflichten nicht erfüllt hätte. Nach den Feststellungen bestand auch gerade keine konkrete Kooperation zwischen der Versicherung und der Beklagten.

Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage eine Zurechnung der Genannten zur Beklagten verneint haben, ist dies keine korrekturbedürftige Beurteilung.

Mit ihrer Behauptung, die Beklagte habe ein Gesamtkonzept erstellt und die Versicherung sei intensiv in das Interessenverfolgungsprogramm der Beklagten eingebunden gewesen, gehen die Revisionswerber nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Die Rechtsrüge ist insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Soweit die Rechtsmittelwerber die Durchführung der Plausibilitätsrechnung angreifen, ist darauf zu verweisen, dass die Bank im vorliegenden Fall ausschließlich zur Finanzierung tätig wurde; eine Anlageberatung führte sie nicht durch, vielmehr kamen die Kläger bereits mit dem ausgearbeiteten Konzept zur Beklagten. Wenn aber der Finanzierer – wie hier – nur als solcher tätig wird, kommt eine Haftung (wegen culpa in contrahendo) nur bei Kenntnis von Umständen in Betracht, die ein Fehlschlagen des finanzierten Geschäfts mit größter Wahrscheinlichkeit erwarten lassen (RIS-Justiz RS0020588). Wenn sich das Kreditinstitut auf seine Rolle als Finanzierer beschränkt, obliegt ihm keine allgemeine Verpflichtung, für seinen Kunden die Seriosität der Anlagegesellschaft (bzw hier des Tilgungsträgers) zu prüfen (RIS-Justiz RS0020588 [T1]).

Damit ist aber die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, wonach die Hochrechnung der Performance des Tilgungsträgers hier in erster Linie im Interesse der Beklagten erfolgte und nicht dazu diente, die Kläger in ihrer Entscheidung hinsichtlich des von der Versicherung ausgearbeiteten Gesamtkonzepts zu beeinflussen.

Somit liegt auch der in der Revision anschließend behauptete wesentliche Verfahrensmangel durch Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens nicht vor, weil die Beklagte den Klägern keine Beratung in Bezug auf den Tilgungsträger und dessen Performance schuldete.

3. In der Rechtsrüge bauen die Revisionswerber wiederum auf der – wie gezeigt (Punkt 2.) – unzutreffenden These auf, die Beklagte habe eine Beratungspflicht in Bezug auf die Deckungstauglichkeit des Tilgungsträgers getroffen. Im Übrigen wurden die Kläger hier von der Beklagten ohnehin darauf hingewiesen, dass aufgrund der Unsicherheit bei der Wertentwicklung der Lebensversicherung das Risiko einer Deckungslücke am Laufzeitende des Kredits entstehen kann.

Maßgeblich für den Umfang der Aufklärungs- und Beratungspflichten ist, ob für die Bank erkennbar ist, dass der Kunde Aufklärung und Beratung braucht (RIS-Justiz RS0026135 [T4]). Der Umfang der Aufklärungspflicht hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0026135 [T5]). Bei der Gewährung eines Fremdwährungskredits ist eine Obliegenheit der Bank, zusätzlich zur Kreditberatung, mit dem Kunden den als Tilgungsträger dienenden, durch Vermittlung eines Vermögensberaters bereits fertig abgeschlossenen Versicherungsvertrag zu erörtern, grundsätzlich zu verneinen (8 Ob 66/12g = RIS-Justiz RS0128916 mwN).

4. Entgegen der Darstellung der Revisionswerber hat das Berufungsgericht die Verjährung des geltend gemachten Feststellungsanspruchs nicht verneint, sondern offen gelassen. Es hat lediglich in tatsächlicher Hinsicht entgegen dem Erstgericht den Zugang eines von der Beklagten an die Kläger adressierten E-Mails vom 27. 6. 2011, in dem von einem Kursverlust von 50.653,46 EUR und einer Deckungslücke von 85.586,68 EUR die Rede war, als nicht erwiesen erachtet. Deshalb habe entgegen der Beurteilung des Erstgerichts mit diesem E-Mail der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 1489 ABGB nicht in Gang gesetzt werden können.

Das Erstgericht hat aber auch festgestellt, dass die Beklagte mit acht Schreiben zwischen dem 28. 8. 2009 und 22. 8. 2011 die Kläger von einem – bis auf eine Ausnahme – stets wachsenden aushaftenden Saldo von 912,54 EUR am 28. 8. 2009 bis 21.603,08 EUR am 22. 8. 2011 informierte. In diesen Schreiben wurde auch darauf hingewiesen, dass Wechselkursschwankungen den EUR-Gegenwert des Schuldsaldos bzw der Raten- und Zinsenzahlungen beeinflussen können. Die Zweitklägerin habe sich diesbezüglich Gedanken gemacht.

Das Erstgericht hat in der rechtlichen Beurteilung ausgeführt, den Klägern habe durch die erwähnten Schreiben der Beklagten ab 28. 8. 2009 bewusst sein müssen, dass ein Währungsrisiko bestehe und sich dieses auch verwirkliche, weil sich der EUR-Gegenwert bis auf eine Ausnahme sukzessive erhöht habe. Spätestens am 27. 6. 2011 (E-Mail der Beklagten, dessen Zugang nach den berufungsgerichtlichen Ausführungen nicht feststeht) habe den Klägern klar sein müssen, dass eine Deckungslücke zwischen dem Kredit und dem Tilgungsträger bestehe, weil sich das auch erkennbar auf das Gesamtkonzept bezog.

Das Erstgericht hat – wie aus diesen Ausführungen ersichtlich – bereits aus den erwähnten Schreiben der Beklagten zwischen dem 28. 8. 2009 und 22. 8. 2011 den Beginn der Verjährungsfrist abgeleitet. Im Zeitpunkt der Klagseinbringung (19. 9. 2014) war aber die dreijährige Verjährungsfrist selbst bei deren Beginn ab dem letzten Schreiben am 22. 8. 2011 bereits abgelaufen.

Der Oberste Gerichtshof hat in der schon erwähnten Entscheidung 6 Ob 153/15s ausgeführt:

Beim Anlegerschaden liegt der Eintritt des Schadens bereits darin, dass die Klägerin nicht ein risikoloses, sondern ein risikobehaftetes Papier erworben hat (...). Dabei handelt es sich um den sogenannten 'realen Schaden'; der Kläger kann 'Naturalrestitution' in Form der Rückgabe der Papiere gegen Rückzahlung des Kaufpreises begehren. Daher beginnt die Verjährungsfrist bereits mit Erkennbarkeit dieses Umstands; der Eintritt des rechnerischen Schadens ('Differenzanspruch') ist demgegenüber irrelevant. [...]

Wird – wie vom Kläger behauptet – eine (weitgehend) risikolose Veranlagung gewünscht, ist der maßgebliche Zeitpunkt jener Moment, in dem sich herausstellt, dass die Papiere – entgegen den Annahmen des Geschädigten – tatsächlich risikobehaftet sind und daher die gewünschten Eigenschaften nicht erfüllen (...). Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn dem Geschädigten erstmalig Kursverluste erkennbar sind, da ihm in diesem Zusammenhang klar sein muss, dass keine Wertstabilität gegeben ist, sondern Kursschwankungen (auch nach unten) möglich sind und das Investment sohin die Gefahr eines Kapitalverlustes in sich birgt.

Im Licht dieser Rechtsausführungen ist die Annahme des Erstgerichts, der Klagsanspruch sei aufgrund der Schreiben zwischen dem 28. 8. 2009 und 22. 8. 2011 verjährt, durchaus vertretbar. Das Klagebegehren könnte somit auch wegen Verjährung nicht zu Recht bestehen.

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