OGH 2Ob116/17y

OGH2Ob116/17y20.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** C*****, vertreten durch Mag. Thomas Christl, Rechtsanwalt in Steyr, gegen die beklagte Partei S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Jörg Tockner und Dr. Stefan Nenning, Rechtsanwälte in Steyr, wegen (eingeschränkt) 13.428,95 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. März 2017, GZ 2 R 30/17w‑28, womit infolge Berufung der Klägerin das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 25. Jänner 2017, GZ 9 Cg 31/15a‑24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00116.17Y.0620.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie als Teil- und Teilzwischenurteil lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 11.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 23. April 2015 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für alle zukünftigen Schäden haftet, die sich aus dem Unfall vom 17. März 2015 (Sturz beim Einsteigen in einen Linienbus der beklagten Partei) ergeben, dies beschränkt mit den Haftungshöchstbeträgen des EKHG.

Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung weiterer 2.428,95 EUR samt Zinsen besteht dem Grunde nach zu Recht.“

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen bleibt dem Endurteil vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

Die 1939 geborene Klägerin nimmt die Beklagte wegen eines Sturzes beim Einsteigen in einen Linienbus in Anspruch. Strittig ist, ob die Beklagte als Halterin dieses Busses den Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG erbracht hat.

Die von der Klägerin benutzte Bustür war zweiflügelig, wurde elektrisch betätigt und gab in geöffnetem Zustand einen Einstieg mit einer Breite von etwa 1,3 m frei. Die beiden Türflügel öffneten simultan, indem ‒ von außen betrachtet ‒ ihre äußeren (an den linken und rechten Rand der Türöffnung anschließenden) Kanten ins Fahrzeuginnere schwenkten und sich dabei zugleich ihre inneren (in der Türmitte mit Gummilippen zusammenstoßenden) Kanten entlang der Fahrzeugflucht auseinander bewegten. Bei geöffneter Tür wurde der Einstieg beidseitig von den Innenseiten der Türflügel begrenzt, an denen Haltegriffe angebracht waren.

Die Bustür konnte von den Fahrgästen sowohl von innen als auch von außen mit einem roten Druckknopf geöffnet werden. Sie blieb dann für etwa eine Sekunde geöffnet. Danach ertönte für „knapp unter zwei Sekunden“ ein Warnton („Piepsen“), der anzeigte, dass sich die Tür automatisch schließen würde. Darauf folgte der Schließvorgang. Etwa 20 cm innerhalb der Seitenflucht des Busses war eine über die gesamte Türbreite reichende „Lichtdusche“ angebracht. Sie wurde ausgelöst, wenn ein Gegenstand (Körperteil) mit einer Breite von zumindest 20 cm in ihren Erfassungsbereich hineinreichte. Dadurch wurde der Schließvorgang verhindert. Ein Fahrgast hatte daher ab dem Öffnen der Tür drei Sekunden Zeit, um so weit einzusteigen, dass sich die Tür nicht mehr automatisch schloss.

Trafen die Türflügel beim Schließvorgang mit ihren Gummilippen auf ein Hindernis, so öffneten sie sich wieder, wenn dabei eine Kontaktkraft von 5 daN (Dekanewton) auftrat, was dem Widerstand eines Gegenstands von mehr als zwei bis drei Zentimetern Dicke entsprach. Wurde ein schmälerer Gegenstand ‒ wie eine senkrecht gehaltene Hand im Bereich der Finger und/oder Mittelhandknochen ‒ eingeklemmt, dann öffnete sich die Türe zwar nicht mehr, der Gegenstand konnte aber mit einer geringen Kraftanstrengung, die etwa dem Öffnen einer nicht auf Kugellagern gelagerten Schublade entspricht, aus den Gummilippen herausgezogen werden. An der Busaußenseite befand sich ein blauer, mit einem Kinderwagensymbol beschilderter Türöffnungsknopf. Wurde dieser Knopf betätigt, entfiel der automatische Schließvorgang. Der Türmechanismus entsprach nach den Ausführungen des Sachverständigen dem Stand der Technik und war voll funktionsfähig.

Der Fahrer hatte den Bus vor dem Unfall knapp an die Bordsteinkante gelenkt. Die Klägerin hatte beim Einsteigen einen Höhenunterschied rund 15 cm zwischen der Bordsteinkante und dem mit dem Boden des Fahrgastraums niveaugleichen Türauftritt zu überwinden. Sie ließ zunächst Fahrgäste aussteigen und wollte dann einsteigen, wobei sie zunächst einen an der Innenseite der Türflügel angebrachten Haltegriff erfasste. Ob der das bevorstehende Schließen ankündigende Warnton davor oder danach erklang, konnte nicht festgestellt werden; ebenso wenig konnte festgestellt werden, wie weit der Einsteigevorgang fortgeschritten war, als sich die Tür zu schließen begann. Entweder hatte die Klägerin das Einsteigen erst begonnen, als bereits der Warnton ertönt war, oder es gelang ihr nicht, innerhalb von zwei Sekunden einen zumindest 20 cm breiten Körperteil etwa 20 cm weit in das Businnere zu bringen, wodurch die „Lichtdusche“ ausgelöst worden wäre. Das gewichtsbelastete Bein der Klägerin befand sich jedenfalls noch außerhalb des Busses auf dem Gehsteig, als sich die Tür zu schließen begann. Je nachdem, wie weit das Einsteigen beim Beginn des Schließvorgangs fortgeschritten war, kam die Klägerin entweder zu Sturz, als sie den auf den Türauftritt gesetzten (und noch nicht gewichtsbelasteten) Fuß wieder auf den Gehsteig zurückstellte oder als sie ihre ‒ maximal bis zu den Mittelhandknochen ‒ von der (mittlerweile geschlossenen) Tür eingeklemmten Finger herauszog. Die Klägerin hätte nach Ertönen des Warnsignals den roten oder blauen Druckknopf an der Busaußenseite betätigen können, in welchem Fall ihr neuerlich zumindest drei Sekunden für die Aktivierung der „Lichtdusche“ zur Verfügung gestanden wären. Außerdem hätte sie das Schließen der Tür dadurch verhindern können, dass sie mit ausreichendem Widerstand dagegen gedrückt oder das Einsteigen entsprechend beschleunigt hätte.

Die Klägerin begehrt nach Klageeinschränkung 13.428,95 EUR samt 4 % Zinsen seit 23. April 2015, und zwar 12.000 EUR Schmerzengeld und 1.428,95 EUR für sonstige Schäden (Haushaltshilfe, Rollator, Fahrtkosten, Sachschaden, Spesen). Weiters begehrt sie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle zukünftigen Schäden, dies beschränkt mit den Höchstbeträgen des EKHG. Sie sei bei geöffneter Bustür und fehlender Wahrnehmbarkeit eines Warnsignals mit einem Bein auf das Trittbrett gestiegen und habe gerade ‒ sich mit beiden Händen an der Halterung auf der Türinnenseite festhaltend ‒ das zweite Bein nachgezogen, als sich die Tür geschlossen habe. Sie sei von der zugehenden Tür nach hinten gedrängt worden und rückwärts aus dem Bus auf die Straße gefallen. Eine Bustür, die sich während des Einsteigens schließe, weise einen Fehler in der Beschaffenheit auf, was zur Haftung nach dem EKHG führe.

Die Beklagte stellte die Höhe des Schmerzengeldes mit 11.000 EUR und das Bestehen von Spät- und Dauerfolgen außer Streit, bestritt den Anspruch aber dem Grunde nach. Die Klägerin habe den Unfall selbst verschuldet, weil sie trotz Ertönens des Warnsignals noch in den Bus einsteigen habe wollen und gestolpert sei, als sie wegen der sich schließenden Tür den Haltegriff losgelassen habe und unvorsichtig auf den Gehsteig zurückgetreten sei. Der Klägerin sei ferner vorzuwerfen, dass sie trotz ihres fortgeschrittenen Alters und ihrer eingeschränkten Beweglichkeit nicht den blauen Türöffnungsknopf betätigt habe, was ein automatisches Schließen der Tür verhindert und ihr mehr Zeit zum Einsteigen verschafft hätte. Es liege daher ein unabwendbares Ereignis iSv § 9 EKHG vor, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit noch auf einem Versagen der Verrichtungen des Busses beruht habe. Im Zusammenhang mit der Schadenshöhe brachte die Beklagte vor, die Klägerin habe sich zum Unfallzeitpunkt in einem „reduzierten Allgemeinzustand“ befunden und sei „etwas übergewichtig“ gewesen. Sie habe bereits an Bandscheibenproblemen und an einer Lähmung der rechten Hand gelitten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte habe den Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG erbracht, weil kein Fehler in der Beschaffenheit der automatischen Türschließvorrichtung hervorgekommen sei. Der Sturz sei ein für die Beklagte unabwendbares Ereignis gewesen. Die Klägerin habe den Sturz durch eigene Unachtsamkeit verschuldet. Die Tür habe sich nicht etwa überraschend geschlossen, sondern erst nach einem knapp zwei Sekunden andauernden Warnton.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands „insgesamt nicht 30.000 EUR“ übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.

Da ein Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs vorliege, sei zu prüfen, ob der Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG gelungen sei. Zwar habe sich der konkrete Hergang des Sturzgeschehens nicht klären lassen. Alle nach den Feststellungen in Betracht kommenden Szenarien führten jedoch zum Ergebnis, dass der Sturz die Folge eines von der Beklagten weder vorherzusehenden noch zu verhindernden Fehlverhaltens der Klägerin gewesen sei. Entweder sei es ihr nicht gelungen, ihren Kopf oder Oberkörper innerhalb der dafür ausreichenden Zeitspanne von (mindestens) zwei Sekunden rund 20 cm weit in das Businnere hineinzubewegen und so die „Lichtdusche“ auszulösen, oder sie habe mit dem Einsteigen erst nach Ertönen des Warnsignals begonnen. Zudem hätte weder das eine noch das andere bereits für sich allein zum Sturz geführt. Sturzauslösend sei vielmehr die Ungeschicklichkeit der Klägerin gewesen. Automatisch schließende Türen seien in öffentlichen Verkehrsmitteln gebräuchlich und würden auch von betagten Personen benutzt, ohne dass es dabei zu Problemen komme. Ein Wissen darum, dass sich eine automatisch schließende Tür wieder öffne, wenn sie auf ein mehr als bloß fingerbreites Hindernis treffe, und dass das Verkehrsmittel vor dem vollständigen Schließen seiner Türen nicht abfahren könne, sei heutzutage jedem Fahrgast zuzusinnen. Überdies habe hier ‒ anders als in den dem Rechtssatz RIS-Justiz RS0058238 (Haftung für Automatiktüren) zugrunde liegenden Fällen ‒ während der letzten knapp zwei Sekunden vor dem Beginn des Schließvorgangs ein Warnsignal ertönt. Die Klägerin habe daher hinreichend Zeit gehabt, ihr Einsteigen zügig fortzusetzen und dadurch die „Lichtdusche“ auszulösen, der sich schließenden Tür den für ein neuerliches Öffnen nötigen Widerstand entgegenzusetzen oder vom begonnenen Einsteigen vorerst Abstand zu nehmen und sich mit Bedacht aus der Türöffnung zurückzuziehen. Die Revision sei zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts in einem „Spannungsverhältnis“ zum Rechtssatz RIS‑Justiz RS0058238 stehe.

Mit ihrer ordentlichen Revision strebt die Klägerin eine zur Gänze stattgebende Entscheidung an. Die Annahme einer mangelfreien Beschaffenheit sei nicht mit den Entscheidungen 2 Ob 49/92 und 2 Ob 2432/96b vereinbar.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Im Unterschied zu den genannten Entscheidungen sei die Klägerin wegen des Warnsignals nicht von der sich schließenden Tür überrascht worden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Das Einsteigen ist ein mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zusammenhängender Vorgang (RIS‑Justiz RS0058145). Ein Unfall beim Einsteigen begründet daher nach § 5 EKHG die Haftung des Halters, wenn ihm nicht der Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG gelingt. Nach dieser Bestimmung ist die Ersatzpflicht ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit noch auf einem Versagen der Verrichtungen des Kraftfahrzeugs beruhte. Die Beweislast für das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses trifft den Halter; allfällige Zweifel gehen daher zu seinen Lasten (2 Ob 262/06b mwN; RIS‑Justiz RS0058926, RS0058979, RS0058992).

2. Im vorliegenden Fall schließt ein Mangel in der Beschaffenheit des Linienbusses das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses aus.

2.1. Der Senat hat zwar ausgesprochen, dass ein Fehler in der Beschaffenheit nicht schon dann vorliege, wenn das Fahrzeug nicht in jeder Beziehung „ideal“ gewesen sei; es genüge, dass es den unmittelbar vor dem Unfall geltenden Zulassungsvorschriften entsprochen habe (2 Ob 178/99m, ZVR 2001/37 = JBl 2001, 242 [insofern zustimmend Stefula / Thunhart ]; 2 Ob 262/03y; 2 Ob 93/05y; vgl auch 2 Ob 265/06v). Allerdings schließt eine Zulassung die Annahme eines Mangels nicht aus. So wurde etwa in 2 Ob 204/08a, ZVR 2009/204 bei einem LKW das Fehlen eines Mechanismus, der das Fixieren der nach oben geklappten Ladewand ermöglichte, trotz Zulassung zum Verkehr als Mangel der Beschaffenheit gewertet, obwohl dieser Mangel (anders als jener in 2 Ob 64/91 [scharfe Kante]) schon im Zulassungsverfahren auffallen musste. Gleiches gilt für den Mangel der Beschaffenheit des in 2 Ob 78/95 strittigen Schlepplifts, der trotz seiner erkennbaren Gefährlichkeit gewerberechtlich genehmigt worden war.

2.2. Zu vergleichbaren Fällen hat der Senat entschieden, dass eine Bus- oder Straßenbahntür, die sich– wenn auch nur bei Zusammentreffen ungünstiger Umstände  – während des Einsteigens eines Fahrgasts schließt, allein deswegen einen Mangel der Beschaffenheit aufweist (2 Ob 49/92, ZVR 1993/152; 2 Ob 2432/96b, ZVR 1998/79; vgl auch das zustimmende Zitat in 2 Ob 204/08a sowie OLG Wien 11 R 157/97g, ZVR 1999/29). Dies wird im Schrifttum ohne Widerspruch zur Kenntnis genommen ( Koziol/Apathy/Koch , Haftpflichtrecht III 3 [2014] 109; Schauer in Schwimann/Kodek 4 § 9 EKHG Rz 54; Danzl , EKHG 9 § 9 E 32b).

2.3. Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Ansicht abzugehen. Zwar hat der Sachverständige ausgeführt, dass der Schließmechanismus der Tür dem „Stand der Technik“ entsprochen habe. Das ändert aber nichts an dessen konkreter Gefährlichkeit für Fahrgäste, deren geistige und/oder körperliche Beweglichkeit aufgrund Alters, Gebrechlichkeit oder anderer Gründen beeinträchtigt ist. Eine Zeitspanne von knapp zwei Sekunden zwischen dem Ertönen des Warntons und dem Schließen reicht bei solchen Fahrgästen nicht in jedem Fall, um ein davor begonnenes Einsteigen so weit fortzusetzen, dass die „Lichtdusche“ ausgelöst und dadurch das Schließen verhindert wird. Dass dies wegen eines durch den Schließvorgang verursachten Erschreckens, im konkreten Fall aber auch wegen der Bewegung der an der Tür angebrachten Haltegriffe zu Unfällen führen kann, liegt auf der Hand. Für ältere oder gebrechliche Personen ist eine adäquate Reaktion innerhalb von knapp zwei Sekunden keineswegs immer möglich. Es liegt daher eine mangelhafte Beschaffenheit vor, die die Annahme eines unabwendbaren Ereignisses ausschließt.

3. Da die Beklagte den Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG nicht erbracht hat, haftet sie nach § 5 EKHG für den Schaden der Klägerin. Ein relevantes Mitverschulden (§ 7 EKHG iVm § 1304 ABGB) liegt nicht vor.

3.1. Die Beweislast für Tatumstände, aus denen ein Mitverschulden des Geschädigten abgeleitet werden kann, trifft den Haftpflichtigen (RIS-Justiz RS0022560; vgl auch RIS-Justiz RS0027310). Verbleibende Unklarheiten gehen zu seinen Lasten (RIS-Justiz RS0022560 [T8]); bei mehreren möglichen Verläufen ist daher der für den Geschädigten günstigste der Entscheidung zugrunde zu legen.

3.2. Im vorliegenden Fall ist auf dieser Grundlage anzunehmen, dass die Klägerin bereits vor dem Ertönen des Warnsignals mit dem Einsteigen begonnen hat. Mit einem Schließen der Tür brauchte sie ab diesem Moment nicht mehr zu rechnen (2 Ob 2432/96b). Ein zu langsames Einsteigen oder eine Fehlreaktion auf den Schließvorgang, der auch zu einer Bewegung des von ihr erfassten Haltegriffs und damit zu einer für sie besonders gefährlichen Situation führte, fällt ihr angesichts ihres Alters und ihrer von der Beklagten selbst vorgebrachten Gebrechlichkeit (reduzierter Allgemeinzustand, Bandscheibenprobleme, Lähmung der rechten Hand) nicht zur Last. Einen zwingenden Grund, die Kinderwagentaste gedanklich mit dem Schließmechanismus in Verbindung zu bringen, musste die Klägerin nicht haben. Auch deren Nichtbenutzung begründet daher kein Mitverschulden.

4. Auf dieser Grundlage hat die Revision der Klägerin Erfolg. Ihr Anspruch besteht dem Grunde nach zu Recht. Da die Beklagte die Höhe des Schmerzengeldes mit 11.000 EUR und das Vorliegen von Spät- und Dauerfolgen außer Streit gestellt hat, ist dem Begehren insofern mit Teilurteil stattzugeben. Den Beginn des Zinsenlaufs hat die Beklagte nicht bestritten; aus einer von ihr als echt zugestandenen Urkunde ergibt sich eine vor dem Termin liegende Einmahnung der Forderung. In Bezug auf das weitere Begehren ist mit Teilzwischenurteil die Haftung dem Grunde nach auszusprechen.

5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 4 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte