OGH 2Ob95/17k

OGH2Ob95/17k20.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** verstorbenen R***** Z*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des R*****, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 30. März 2017, GZ 21 R 435/16s‑15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00095.17K.0620.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Im Verlassenschaftsverfahren nach der am ***** verstorbenen Erblasserin ist zufolge bedingter Erbantrittserklärungen ein Inventar zu errichten. Die Revisionsrekurswerberin (in der Folge: Bank) gab dem Gerichtskommissär bekannt, dass sich die Erblasserin zu einem Sparkonto mit einem Einlagestand von „EUR 15.000 oder größer“ identifiziert habe, verweigerte jedoch die Auskunft über Kontonummer und Kontostand. Die Sparurkunde wurde in der Verlassenschaft nicht aufgefunden.

Das Erstgericht trug der Bank auf, Kontonummer und Einlagestand am Todestag bekanntzugeben.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Gerichtskommissär sei zur Feststellung des zum Nachlass gehörenden Vermögens verpflichtet. Zu diesem Zweck könne er auch Auskünfte von Kreditinstituten einholen. Diese müssten Auskunft geben, außer es bestünde kein Anhaltspunkt, dass ein bestimmtes Konto in den Nachlass falle. Diese Ausnahme treffe hier aber nicht zu, weil sich die Erblasserin als Kontoinhaberin identifiziert habe. Das gelte auch für Großbetragssparbücher iSv § 32 Abs 4 Z 2 BWG.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs macht die Bank geltend, dass es sich beim strittigen Sparbuch um ein Inhaberpapier gehandelt habe. Eine Auskunftspflicht der Bank bestehe daher nur, wenn die Erben nachwiesen, dass sich das Sparbuch „im Eigentum“ des Erblassers befunden habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs erweist sich als unzulässig:

1. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich beim Großbetragssparbuch iSv § 32 Abs 4 Z 2 BWG um ein Rektapapier handelt; die Übertragung des Guthabens auf einen Dritten erfolgt daher nicht durch bloße Übergabe der Sparurkunde, sondern erfordert eine Zession (4 Ob 170/11w, SZ 2012/27 mwN; 2 Ob 103/15h). Die auf der Qualifikation als Inhaberpapier aufbauende Argumentation der Bank geht daher von vornherein ins Leere.

2. Aber auch abgesehen davon ist die Beurteilung des Rekursgerichts durch ständige Rechtsprechung gedeckt.

2.1. Zwar hat der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen ausgeführt, dass Sparbücher dann in das Inventar aufzunehmen seien, wenn sie im Todeszeitpunkt im Besitz des Erblassers standen (RIS-Justiz RS0107374; zuletzt etwa 2 Ob 169/15i). Daraus ergibt sich aber nicht, dass der Besitz eine notwendige Bedingung für die Inventarisierung wäre. Vielmehr hat der Besitz nur Indizfunktion für die eigentlich entscheidende Frage, ob ein bestimmter Vermögenswert zum Nachlass gehört oder nicht (4 Ob 166/14m mwN). Auf dieser Grundlage fallen grundsätzlich alle Sparguthaben in die Verlassenschaft (und sind daher zu inventarisieren), die dem Erblasser im Zeitpunkt seines Todes zustanden (1 Ob 2309/96g, SZ 70/46). Dabei hat der Oberste Gerichtshof schon zur alten Rechtslage (also zum „anonymen“ Sparbuch) festgehalten, dass ein dem Erblasser abhanden gekommenes Überbringersparbuch in die Abhandlung einbezogen werden müsse, solange nicht ersichtlich sei, dass es ein Dritter vor dem Tod gutgläubig erworben habe (1 Ob 2309/96g, SZ 70/46; RIS-Justiz RS0107375).

2.2. Das muss umso mehr gelten, wenn der Erblasser nach dem nun geltenden Recht bei einem Großbetragssparbuch (§ 32 Abs 4 Z 2 BWG) iSv § 6 Abs 1 Z 1 FM-GWG (früher § 40 BWG) als Kunde identifiziert ist. Denn in diesem Fall hat die Bank bis zur Bescheinigung einer Zession davon auszugehen, dass der identifizierte Kunde (bzw nun die Verlassenschaft) weiterhin ihr Gläubiger ist (10 Ob 61/07d, SZ 2007/105; 8 Ob 37/09p, ÖBA 2010, 460/1635 [ Artmann ]; 4 Ob 170/11w, SZ 2012/27 = ÖBA 2012, 540/1826 [ Apathy ]). Damit liegen ausreichende Anhaltspunkte für die Nachlasszugehörigkeit vor. Zwar ist richtig, dass die Bank nach § 32 Abs 2 BWG nur gegen Vorlage der Urkunde auszahlen darf. Allerdings kann sich der Kunde – und damit auch dessen Rechtsnachfolger – eine abhanden gekommene Sparurkunde durch Kraftloserklärung „wiederbeschaffen“ (1 Ob 172/99x, ÖBA 2000, 538/881 [ Bruckmüller ] mwN). Diese Möglichkeit wäre ihm faktisch verwehrt, könnte ihm die Bank nach Abhandenkommen eines Sparbuchs unter Hinweis auf eine bloß mögliche Übertragung der Forderung die Bekanntgabe der Kontodaten verweigern.

2.3. Auch aufgrund dieser Erwägungen hat der Senat zuletzt ausgesprochen, dass die Bezeichnung auf den Namen des Erblassers oder dessen Identifikation als Kunde (auch) bei Großbetragssparbüchern einen konkreten Anhaltspunkt dafür biete, dass ein Sparguthaben zum Nachlass gehöre (2 Ob 103/15h, ÖBA 2016, 829/2279 [ Wolkerstorfer ] Punkt III.2). Zwar hatte im Anlassverfahren (wohl) auch Mitbesitz des Erblassers an den Sparbüchern bestanden (Punkt IV.2.5.a). Der Entscheidung ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die Identifikation auf den Erblasser nur aus diesem Grund einen Anhaltspunkt für die Nachlasszugehörigkeit gebildet hätte. Auch im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, dass die Bank (auch) beim Großbetragssparbuch zur Auskunft verpflichtet ist, wenn der Erblasser als Kunde identifiziert war, und zwar auch dann, wenn sich die Sparurkunde zuletzt nicht mehr in seinem Besitz befunden hatte ( Apathy in Apathy/Iro/Koziol , Österreichisches Bankvertragsrecht I 2 [2007] Rz 2/115; Riss , Die Auskunftspflicht des Kreditinstituts nach dem Tod des Kunden und ihre prozessuale Durchsetzung, ÖBA 2011, 166 [180]; Hofmann , Die Kontoöffnung im Verlassenschaftsverfahren, NZ 2014, 1 [11]). Von dieser Ansicht abzugehen besteht kein Anlass.

3. Im vorliegenden Fall war die Erblasserin als Kundin identifiziert, und es gibt keine Anhaltspunkte für eine Zession ihrer Forderung gegen die Bank. Das Sparguthaben ist daher auf der Grundlage der genannten Entscheidungen in die Verlassenschaftsabhandlung einzubeziehen. Damit ist die Bank zur Auskunft verpflichtet (2 Ob 183/15y mwN). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nicht vor, weil sich dieses Ergebnis zwingend aus der dargestellten Rechtsprechung ergibt ( Zechner in Fasching/Konecny 2 § 502 ZPO Rz 70 mwN; RIS-Justiz RS0042656 [T48]). Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

Stichworte