OGH 1Ob93/17h

OGH1Ob93/17h24.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** GmbH, *****, Deutschland, vertreten durch Dr. Stefan Gulner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** J*****, vertreten durch die Maggi Brandl Kathollnig RechtsanwaltsGmbH‑Studio Legale, Klagenfurt am Wörthersee, wegen 191.469 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 10. April 2017, GZ 4 R 32/17h‑28, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 25. Jänner 2017, GZ 49 Cg 60/14k‑24, teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00093.17H.0524.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 und § 521a Abs 2 ZPO abgewiesen.

 

Begründung:

Das Erstgericht „verwarf“ – soweit für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz – den Antrag der Beklagten, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Klagebeantwortung zu bewilligen, weil ihr ein grob fahrlässiges Verhalten an der Fristversäumnis vorzuwerfen und der Wiedereinsetzungsantrag auch verspätet sei.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss mit der „Maßgabe“, dass der Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen werde, und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Einerseits setze § 146 ZPO eine ordnungsgemäße Zustellung der Klage voraus, die Beklagte behaupte jedoch eine unwirksame Zustellung. Andererseits gestatte Art 19 Abs 4 der Verordnung (EG) Nr 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. 11. 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil‑ und Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EuZVO) die Wiedereinsetzung (nur) in Bezug auf Rechtsmittelfristen (gegen eine gerichtliche Entscheidung); die Klagebeantwortung sei aber kein solches Rechtsmittel.

Im dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

1. § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Zwar kann auch eine bloße Maßgabebestätigung, etwa in Form der Zurückweisung eines in erster Instanz abgewiesenen Antrags, grundsätzlich eine Bestätigung im Sinn dieser Norm sein. Voraussetzung ist jedoch die unterschiedslose Rechtsfolge beider Entscheidungsvarianten (6 Ob 99/07p mwN; RIS‑Justiz RS0044215 [T7, T13]; vgl RS0074300 [T15]). In diesem Sinn wurde etwa angenommen, dass dann, wenn das Rekursgericht die Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Maßgabe bestätigt, dass dieser Antrag aus den bereits vom Erstgericht ausgeführten Gründen zurückgewiesen werde, darin keine den Rechtsmittelwerber benachteiligende Veränderung der Entscheidung des Entscheidungsinhalts zu erblicken sei (4 Ob 174/01f). Dies gilt hingegen dann nicht, wenn das Erstgericht ein Wiedereinsetzungsbegehren wegen eines groben Verschuldens des Antragstellers abwies und die zweite Instanz diesen Beschluss mit der Maßgabe bestätigte, dass der Antrag wegen Verspätung zurückgewiesen werde (RIS‑Justiz RS0044202; RS0044263 [T1]). Auch entfaltet die wegen Verspätung ausgesprochene Zurückweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Widerspruchsfrist gegen ein Versäumungsurteil andere Rechtsfolgen als eine Zurückweisung mit der Begründung, eine Säumnis sei gar nicht eingetreten (7 Ob 643/90; 6 Ob 99/07p; Zechner in Fasching/Konecny 2 § 528 ZPO Rz 121 aE).

2. Soweit das Erstgericht den Wiedereinsetzungsantrag wegen groben Verschuldens der Beklagten abwies, liegt eine abändernde Entscheidung des Rekursgerichts vor, das den Antrag wegen von ihr selbst behaupteter unwirksamer Zustellung bzw (im Sinn des Art 19 Abs 4 EuZVO) wegen begehrter Wiedereinsetzung in eine Frist, die keine Rechtsmittelfrist ist, zurückwies. Soweit das Erstgericht die Verwerfung des Wiedereinsetzungsantrags mit dessen Verspätung begründete, und das Rekursgericht den Wiedereinsetzungsantrag aus den dargelegten Gründen zurückwies, ist zu berücksichtigen, dass die wegen Verspätung ausgesprochene Zurückweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erstattung der Klagebeantwortung andere Rechtsfolgen als eine Zurückweisung mit der Begründung, eine Säumnis sei gar nicht eingetreten (vgl § 147 Abs 1 ZPO), zeitigt. Damit liegen die Voraussetzungen des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht vor.

3. Entgegen der Behauptung der Beklagten im Revisionsrekurs hat sie den Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Klagebeantwortung als Hauptantrag gleichrangig mit dem Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung des Versäumungsurteils gestellt, über den das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren noch zu entscheiden haben wird. Die Beklagte geht selbst davon aus, dass sie „primär“ die unwirksame Zustellung geltend macht. Im Fall einer unwirksamen Zustellung ist aber ihre Säumnis nicht eingetreten, sodass es einem zulässigen Wiedereinsetzungsantrag nach § 146 ZPO am Substrat mangelt (9 ObA 357/97h mwN; RIS‑Justiz RS0107394 [T4, vgl T2]; vgl RS0036581).

4. Hinsichtlich ihrer Ausführungen zur Kostenentscheidung des Rekursgerichts ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO auf deren Unanfechtbarkeit zu verweisen.

Stichworte